Schützt Fitness vor Krebs? – Sport in Prävention und Therapie von Krebserkrankungen
Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 72 000 Frauen an Brustkrebs, 71 000 Männer an Prostatakrebs und 61 000 Personen an Darmkrebs. Die Behandlungsmethoden werden immer ausgefeilter, das Überleben länger und besser. Dennoch bedeutet jede Krebserkrankung einen beängstigenden Einschnitt im Leben eines Menschen, der mit körperlichen und seelischen Belastungen für den Betroffenen, Angehörige und Freunde einhergeht. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen tragen dazu bei, Krebs möglichst frühzeitig zu erkennen. Doch wäre es nicht noch besser, wenn man seine Entstehung gleich verhindern oder zumindest das Risiko massiv senken könnte? Möglichkeit der Krebsprävention gibt es bereits! Viele Menschen nutzen sie, ohne konkret an Krebsvorsorge zu denken; ein Großteil unserer Gesellschaft verschenkt sie jedoch: körperliche Aktivität und Sport. So könnten jedes Jahr rund 6 000 Frauen postmenopausalem Brustkrebs vorbeugen – wenn sie hinreichend körperlich aktiv wären (2). Insgesamt, das zeigen umfassende Untersuchungen, gehen 15 Prozent der häufigen Tumore auf das Konto von zu wenig körperlicher Aktivität (3)!
Eine aktuelle Publikation beziffert den Effekt von körperlicher Aktivität auf die relative Risikoreduktion bei Darmkrebs auf 25 Prozent (1), und auch für Brustkrebs (prä- und postmenopausal), Prostatakrebs und andere Krebsarten vermindern sich die relativen Risiken um 20 bis 30 Prozent (z. B. 4). Grundlage für diese Berechnungen sind die Empfehlungen der WHO von mindestens 150 Minuten Bewegung pro Woche mit mindestens moderater Intensität. Da es offenbar eine Dosis-Wirkung-Beziehung gibt, gilt bis zu einer gewissen Grenze: »je mehr, desto besser«.
Inflammation als Grundlage vieler Erkrankungen
Dass Sport und körperliche Aktivität in der Primärprävention eine viel bedeutendere Rolle spielen sollte, ist also eindeutig belegt worden. Inzwischen versuchen Forscher auch immer tiefere Einblicke in die Mechanismen zu erlangen, mit denen Bewegung das Krebsrisiko oder sogar das Tumorgeschehen beeinflusst. Man weiß inzwischen, dass Fettgewebe eine entscheidende Quelle chronischer Inflammation darstellt. Im Fettgewebe ansässige Immunzellen (Makrophagen) werden durch übermäßige Nahrungszufuhr zur Differenzierung zu entzündungsfördernden Makrophagen angeregt.
Diese locken weitere Immunzellen an, die stimuliert werden und im Sinne eines Verstärkers den Entzündungsreiz auf den gesamten Organismus übertragen können. Eine systemische und chronische Entzündung stellt einen potenten Risikofaktor für die Entstehung von Tumorerkrankungen, aber auch für Diabetes oder neurodegenerative Erkrankungen dar. Eine Reduktion des Fettgewebes bzw. eine Beeinflussung des inflammatorischen Potenzials durch Sport sorgt folglich indirekt dafür, chronische systemische Entzündungen zu verhindern oder zu stoppen.
»Sport entfaltet aber auch eine direkte Wirkung auf das Immunsystem«, erklärt Dr. Dr. Philipp Zimmer, der in der Abteilung Molekulare und zelluläre Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln und am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg forscht. »Jede sportliche Aktivität – je intensiver sie ist, desto stärker – setzt während und kurz nach der Aktivität einen Entzündungsreiz. Der Körper des Sportlers reagiert darauf mit in Anzahl und Funktionalität hochregulierten regulatorischen, antiinflammatorischen T-Zellen. Ausdauerathleten haben besonders viele regulatorische T-Zellen.
Ist Ausdauertraining folglich das Mittel der Wahl? »Nicht nur«, sagt Prof. Dr. Karen Steindorf, Leiterin der Abteilung für Bewegung, Präventionsforschung und Krebs am Deutschen Krebsforschungszentrum und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg: »Die Muskulatur ist ebenfalls an der Herstellung antiinflammatorischer Faktoren beteiligt und sollte durch kräftigende Übungen mindestens zweimal pro Woche gefordert werden. Zudem unterstützt Muskeltraining ein günstiges Verhältnis von Fett- und Muskelmasse und verringert die entzündlichen Stimuli aus dem Fettgewebe.«