Morbus Parkinson: verbesserte Mobilität durch Sport?

Morbus Parkinson: verbesserte Mobilität durch Sport?
© Robert Kneschke / Adobe Stock

Morbus Parkinson (Parkinson’s Disease, PD) gilt mittlerweile als die sich am schnellsten verbreitende neurodegenerative Erkrankung in den Industrienationen (4). Für deren alternde Bevölkerungen ist die Bedeutung dieser mobilitätshindernden Erkrankung hoch, das Wissen um potenzielle Ursachen und wirksame Therapien ist jedoch nach wie vor begrenzt. Eine zunehmende Zahl von Studien untersucht deshalb die Effekte körperlicher Aktivität auf die Progredienz von PD. So beschrieben Rafferty und Kollegen 2017 kleine positive Effekte von Sport auf die Mobilität von 3408 Patienten (5), eine Metaanalyse aus dem Jahr 2020 (18 Studien, 1144 Patienten) attestiert solche Effekte häufiger für Sport als für Alltagsaktivitäten (1). Die aktuelle Literatursichtung des Komitees der Movement Disorder Society kommt auf der Basis von 143 Studien zu dem Schluss, dass Physiotherapie bei PD symptommildernd ist, andere körperliche Interventionen hingegen nicht unbedingt (2).

Eine neue, retrospektive Langzeit-Beobachtungsstudie von Tsukita et al. untersuchte nun die Effekte von regulärer körperlicher und dezidiert sportlicher Aktivität auf den Krankheitsverlauf bei Morbus Parkinson (6). Die Progredienz von 237 Erkrankten wurde über ein bis sechs Jahre (Median: fünf Jahre) beobachtet, mit der körperlichen Aktivität der Patienten in Zusammenhang gebracht und mit einer Kontrollgruppe verglichen. Dazu wurden der PASE (Physical Activity Scale for the Elderly) Fragebogen und wöchentliche Selbstberichte der Patienten genutzt. Es handelt sich um eine Studie der Evidenzklasse II.

Sport versus reguläre tägliche Aktivitäten bei Parkinson

Die Autoren beobachteten ein langsameres Fortschreiten der Krankheit bei körperlicher Aktivität. Wie in ähnlichen Studien waren die Effekte zwar durchweg signifikant, blieben jedoch klein. Im Studienverlauf erreichten nur 118 Patienten das sechste Jahr der Beobachtung, etwa die Hälfte aller Patienten schied also vorher aus. Interessant ist, dass nur langfristige körperliche Aktivität Wirkungen zeigte. Das Aktivitätsniveau zum Zeitpunkt der Datenerhebung stand nicht im Zusammenhang mit dem weiteren Krankheitsverlauf, die Kontinuität von Aktivität jedoch sehr wohl. Außerdem fiel auf, dass bestimmte Aktivitäten mit bestimmten Teilbereichen der Beeinträchtigung korrespondierten: So waren z. B. jobbezogene Aktivitäten mit einem längeren Erhalt der Kognition assoziiert. Haushaltsaktivitäten standen mit einer längeren Ausführbarkeit alltäglicher Bewegungen in Zusammenhang. Ein bis zwei Stunden Sport pro Woche waren mit einem längeren Erhalt von Haltung und Gang verbunden. Diese überraschende Spezifität der Effekte könnte als Grundlage künftiger Therapieforschung dienen.

Verbesserte Mobilität durch Aktivität – Henne oder Ei?

Obwohl die Effekte klein sind, signalisieren sie ein prinzipielles Potenzial für sportmedizinische Begleittherapien bei PD. Dennoch bleibt die Interpretation der Daten vor allen wegen der zu Grunde liegenden Ursache-Wirkungs-Kette schwierig. Die Studie resümiert, dass bei Patienten, die regelmäßig Alltagsaktivitäten oder Sport nachgehen, die Mobilität länger erhalten bleibt. Jedoch wurde die gegenläufige Kausalität, nämlich dass PD bedingte Mobilitätseinbußen zu mehr Inaktivität führen könnten, nicht in Betracht gezogen, so die Kritik aus Fachkreisen (3). Im Streit um die richtige Ursache-Wirkung-Abfolge kann jedoch durchaus beides richtig sein: Körperliche Aktivität könnte den Fortschritt von Morbus Parkinson verlangsamen, doch kann dies möglicherweise wiederum nur von solchen Patienten therapeutisch genutzt werden, die noch die notwendige Mobilität aufweisen. In Zukunft sind deshalb prospektive Studien wichtig, welche den Mobilitätsgrad der Erkrankten zum Krankheitsbeginn und im Verlauf untersuchen. Angesichts des beträchtlichen Ausscheidens der Patienten über die Jahre, sollten zukünftige Studien zudem auf eine frühzeitige Studieninklusion achten. Dies könnte dabei helfen, die Unterschiede zwischen ausscheidenden und weiterhin mobilen Patienten noch differenzierter herauszuarbeiten.

■ Wurzer D, Hutterer C

Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie weiter unten!

Quellen:

  1. Choi HY, Cho KH, Jin C, Lee J, Kim TH, Jung WS, Moon SK, Ko CN, Cho SY, Jeon CY, Choi TY, Lee MS, Lee SH, Chung EK, Kwon S. Exercise Therapies for Parkinson's Disease: A Systematic Review and Meta-Analysis. Parkinsons Dis. 2020; 2020: 2565320. doi:10.1155/2020/2565320

  2. Fox SH, Katzenschlager R, Lim SY, Barton B, de Bie RMA, Seppi K, Coelho M, Sampaio C; Movement Disorder Society Evidence-Based Medicine Committee. International Parkinson and movement disorder society evidence-based medicine review: Update on treatments for the motor symptoms of Parkinson's disease. Mov Disord. 2018; 33: 1248-1266. doi:10.1002/mds.27372

  3. Grippe, TC, Marras, C, Rafferty, M, Lang AE. Reader Response: Long-term Effect of Regular Physical Activity and Exercise Habits in Patients With Early Parkinson Disease. Neurology. 2022.

  4. Lim SY, Tan AH, Ahmad-Annuar A, Klein C, Tan LCS, Rosales RL, Bhidayasiri R, Wu YR, Shang HF, Evans AH, Pal PK, Hattori N, Tan CT, Jeon B, Tan EK, Lang AE. Parkinson's disease in the Western Pacific Region. Lancet Neurol. 2019; 18: 865-879. doi:10.1016/S1474-4422(19)30195-4

  5. Rafferty MR, Schmidt PN, Luo ST, Li K, Marras C, Davis TL, Guttman M, Cubillos F, Simuni T; all NPF-QII Investigators. Regular Exercise, Quality of Life, and Mobility in Parkinson's Disease: A Longitudinal Analysis of National Parkinson Foundation Quality Improvement Initiative Data. J Parkinsons Dis. 2017; 7: 193-202. doi:10.3233/JPD-160912

  6. Tsukita K, Sakamaki-Tsukita H, Takahashi R. Long-term Effect of Regular Physical Activity and Exercise Habits in Patients With Early Parkinson Disease. Neurology. 2022; 98: e859-e871. doi:10.1212/WNL.0000000000013218