Warum ein Krafttraining in metastabilen Gleichgewichtslagen für ältere Menschen nützlich sein könnte
Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags (Review) aus der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM) mit Link zum englischsprachigen Originalartikel und Downloadmöglichkeit als PDF.
Hintergrund
Krafttraining auf instabilen Unterlagen oder mit instabilen Geräten wird im Leistungssport eingesetzt, um das neuromuskuläre System auf unerwartete Störungen des Körpergleichgewichts durch unvorhersehbare Änderungen in den Umweltbedingungen, wie etwa rutschige Oberflächen, Wind, Wellengang im Wassersport oder gegnerisches Angriffsverhalten im Spiel- und Zweikampfsport vorzubereiten. Auch für ältere Menschen bietet ein solches Krafttraining Vorzüge, um etwa instabile Körpergleichgewichtslagen zu vermeiden und ein mögliches Sturzrisiko zu verringern.
Ziel
Dieses narrative Review hat zum Ziel, den spezifischen Nutzen eines Krafttrainings auf instabilen Unterlagen oder mit instabilen Geräten, das als Metastabilitätskrafttraining (MKT) bezeichnet wird, für ältere Menschen aufzuzeigen. Ein MKT wird in metastabilen Körpergleichgewichtslagen durchgeführt. Diese liegen in einem Kontinuum zwischen stabilen und instabilen Gleichgewichtslagen (Abb. 1). Während ein typisches Krafttraining an Maschinen in einem relativ stabilen Gleichgewichtszustand erfolgt, würde das Heben von Hanteln auf einem Schwebebalken im Gegensatz dazu in instabilen Gleichgewichtlagen vonstatten gehen. Kraftübungen in metastabilen Gleichgewichtslagen liegen dazwischen, wobei die Übenden während der Ausführungen fortwährend Gleichgewichtsstörungen unterworfen sind und sich darum bemühen, das Körpergleichgewicht aufrecht zu erhalten. Dem menschlichen Bewegungsapparat steht hierfür ein abgestimmtes Zusammenwirken von lokomotorischen Muskeln, stabilisierenden Muskeln, elastischen Struktureigenschaften des Bewegungsapparates sowie verschiedenen Muskel- und Sehnenreflexen zur Verfügung, um den metastabilen Gleichgewichtszustand beizubehalten.
Vorgehen
Dem Review liegt eine Literaturanalyse solcher Studien zugrunde, die die Auswirkungen eines MKT mit denen eines herkömmlichen Krafttrainings (KT) vergleichen. Es wird dabei herausgearbeitet, dass ein MKT
a) für den Einsatz bei älteren Menschen sicher ist, sofern es sorgsam und systematisch eingeführt und überwacht wird,
b) bei vergleichbar großen Kraftzuwächsen weniger hohe Lasten erfordert und größere Gelenkflächen beansprucht als ein KT auf stabilen Unterlagen,
c) größere Verbesserungen in der funktionellen Mobilität, dem Gleichgewichtsvermögen und der Schnellkraft herbeiführt,
d) eine Möglichkeit zur Kräftigung der stabilisierenden Muskulatur bietet, deren Kraftverlust mit einem höheren Sturzrisiko in Verbindung steht,
e) eine Stabilisierung des Gangverhaltens bewirkt und daher gleichfalls vor Stürzen schützt,
f) die kognitive Leistungsfähigkeit optimiert und dabei die Angst, zu stürzen, vermindert sowie die exekutiven Funktionen verbessert.
Studien zeigen zudem, dass sich ein MKT auch bei Parkinsonpatienten positiv auswirkt und im Vergleich zu einem herkömmlichen KT größere Verbesserungen zeigt. Ein Krafttraining in metastabilen Gleichgewichtslagen könnte daher eine wichtige Ergänzung in Körperertüchtigungsprogrammen von älteren Menschen darstellen.
■ Kibele A, Claußen L, Eckardt N