Exergaming – wenn Videospiele Schmerzen lindern und beweglicher machen

Exergaming – wenn Videospiele Schmerzen lindern und beweglicher machen
© LIGHTFIELD STUDIOS / Adobe Stock

Exergaming, die Kombination aus Videospiel (Gaming) und sportlichen Übungen (Exercise), erfreut sich großer Beliebtheit. Auch Ärzte und Physiotherapeuten arbeiten zunehmend mit Exergaming, um chronisch Kranke und Schmerzpatienten zu stabilisieren, zu mobilisieren und ihre Lebensqualität zu verbessern. Dass das gelingt, zeigen immer mehr Studien aus aller Welt. Mit ansprechenden Grafiken auf dem Bildschirm oder mithilfe einer VR-Brille werden die Teilnehmenden zum Mitmachen motiviert. Die Bewegungsabläufe, Gewichtsverlagerungen und der Einsatz von Kraft der Teilnehmer werden meistens über Sensoren eines Balancepads oder Balanceboards erfasst. Das Bewegungsangebot variiert – von virtuellen Ballspielen über Gymnastik, Tanz und Yoga bis hin zum Skifahren ist vieles möglich.

Schulter und künstliches Kniegelenk beweglicher dank Virtual Reality

Welches Potenzial Exergames in der Prävention und Rehabilitation haben, arbeiten internationale Studien heraus. Aus Taiwan kam 2019 ein Review, der analysierte, was Exergaming bei Erwachsenen mit muskuloskelettalen Erkrankungen verändern kann. 14 randomisiert-kontrollierte Studien fanden die Wissenschaftler; alle überprüften die Effektivität und Sicherheit von Virtual-Reality-Trainings im Vergleich zu anderen Therapien oder auch gar keiner Intervention (2). Die Ergebnisse waren fast durchweg vielversprechend. Patienten, die zu Studienbeginn seit mehr als drei Monaten an einer Frozen Shoulder gelitten hatten, zeigten nach vier Wochen Exergaming plus Hotpack- und Ultraschall-Anwendungen eine signifikante Steigerung ihres Bewegungsumfangs verglichen mit einer Kontrollgruppe, die Physiotherapie plus Hotpacks und Ultraschall bekam.

In einer zweiten Studie konnten Patienten mit chronischen Kreuzschmerzen in vier Wochen Exergaming ihre Schmerzen und Bewegungseinschränkungen signifikant reduzieren. Von drei Studien zu den Auswirkungen von Exergaming auf Patienten mit einem künstlichen Kniegelenk arbeitete nur eine deutliche Vorteile für die Interventionsgruppe heraus. In den Tagen nach Einsetzen der Endoprothese empfanden sie ihre Schmerzen als signifikant erträglicher als die Kontrollgruppe. Im halben Jahr danach schritt die funktionelle Erholung der Interventionsgruppe schneller fort.

Hoffnung aus Brasilien: Exergaming bei Parkinson

Neue Daten kamen im Januar 2021 aus Brasilien. Sechs Teilnehmerinnen und zehn Teilnehmer mit Morbus Parkinson – das Durchschnittsalter (Mittelwert) lag bei 57,5 Jahren – absolvierten 10 Wochen lang je zwei Exergaming-Trainings pro Woche. An der Nintendo Wii und auf dem Wii-Balanceboard absolvierten sie nach 10 Minuten Aufwärmen 40 Minuten entweder Kopfball-Training, Tischkippen, Seiltanz oder Skislalom. Vorher und hinterher ermittelten die Wissenschaftler jeweils die Selbstständigkeit und Beweglichkeit in Alltagssituationen. Signifikante Verbesserungen ließen sich allerdings nur nach den virtuellen Skislalom- und Seiltanztrainings messen (3).

Vorbeugen statt heilen

Das Potenzial von Exergames in der Sturzprävention Älterer arbeiteten kürzlich Wissenschaftler aus Polen heraus. Sie ließen 13 gesunde Seniorinnen im Durchschnittsaltere von 70,2 Jahren dreimal wöchentlich Exergames absolvieren – weiteren Sport sollten sie nicht ausüben, um die Ergebnisse nicht zu verzerren (1). Alle Teilnehmerinnen durchliefen vier Wochen lang jeweils drei 30-minütige Trainings. Vor der Intervention, nach sechs und nach zwölf Trainings wurden die posturale Stabilität und die Fähigkeit, in Bewegung das Gleichgewicht zu halten, gemessen.

Das Exergaming-System umfasste zwei integrierte Geräte: eine speziell angefertigte Trainingsplattform (anstelle eines Balancepads) und ein 3D-Messsystem auf Basis von Time-of-Flight-Kameras (Kinect-Sensorik). Für das Gleichgewichtstraining wurden eigens Spiele erstellt, die unter anderem die statische Haltung, die dynamische Gewichtsverlagerung, den einbeinigen Stand, das Anlehnen in verschiedene Richtungen, die Rumpfrotation und das Gehen trainierten. Nach zwölf Trainings zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Stabilität und der Fähigkeit, das Gleichgewicht zu halten.

In Zukunft gilt es, herauszufinden, welche Exergames sich für welche Patientenkohorten am besten eignen – und in welcher Dosis.

■ Plaum P

Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie weiter unten!

Quellen:

  1. Brachman A, Marszałek W, Kamieniarz A, Michalska J, Pawłowski M, Akbaş A, Juras G. The Effects of Exergaming Training on Balance in Healthy Elderly Women-A Pilot Study. Int J Environ Res Public Health. 2021; 18: 1412. doi:10.3390/ijerph18041412doi:10.3390/ijerph18041412

  2. Lin HT, Li YI, Hu WP, Huang CC, Du YC. A Scoping Review of The Efficacy of Virtual Reality and Exergaming on Patients of Musculoskeletal System Disorder. J Clin Med. 2019; 8: 791. doi:10.3390/jcm8060791

  3. Zeigelboim BS, José MR, Severiano MIR, Santos GJBD, Teive HAG, Liberalesso PBN, Marques JM, Rosa MRD, Santos RS, Malisky JS. The Use of Exergames in the Neurorehabilitation of People with Parkinson Disease: The Impact on Daily Life. Int Arch Otorhinolaryngol. 2021; 25: e64-e70. doi:10.1055/s-0040-1702973