Telemedizinische Assistenzsysteme in Rehabilitation und Nachsorge
Ein häufiges Manko von Rehabilitationsmaßnahmen ist, dass sie zeitlich zu kurz sind, um Beschwerden dauerhaft zu bessern und den Patienten die Rückkehr in einen dem Zustand vor dem Unfall, der Krankheit oder Behandlung gleichwertigen beschwerdefreien Alltag in Freizeit und Beruf zu ermöglichen. Der Reha kommt also nicht nur als Therapie eine wichtige Rolle zu, sondern auch als Form der Prävention. Fachleute raten deshalb dringend dazu, nach der Reha weiter zu trainieren. Für einige Therapien ist auch nachgewiesen, dass sie langfristig wirksamer sind, wenn sie zu Hause noch eine Weile fortgesetzt werden.
Mit Reha-Nachsorge-Programmen wie IRENA (intensivierte Rehabilitationsnachsorge) der Deutschen Rentenversicherung wird für Patienten ein ortsgebundenes Gruppentraining angeboten, um den dauerhaften Transfer in den Alltag zu ermöglichen. Mit einem solchen Programm werden allerdings Personen nicht erreicht, deren persönliche Mobilität durch körperliche, geistige oder seelische Ursachen eingeschränkt ist, die aufgrund des Wohnorts kein entsprechendes Programm in der Nähe haben, die es sich finanziell nicht leisten können oder die wegen beruflicher oder privater Verpflichtungen so eingebunden sind, dass eine Teilnahme an festen Gruppenstunden nicht möglich ist. Sowohl Ärzte und Therapeuten als auch Patienten wünschen sich eine bessere Flexibilität, individuelle Anpassungsmöglichkeiten und Möglichkeiten der Vernetzung für die Reha-Maßnahmen. Auch der demografiebedingte Anstieg der Reha-Fälle macht es mittel- bis langfristig nötig, flexiblere Wege zu beschreiten. Telemedizinische Assistenzsysteme (TA) können hier eine sinnvolle Ergänzung sein. Die Betreuungs- und Steuerungsmöglichkeiten gehen schon heute weit über das einfache Vitaldaten-Monitoring, wie es auch viele Fitness-Tracker und Wearables leisten können, hinaus.
Betreuung kardiologischer Risikopatienten – eine Win-win-Situation
Dr. Michael John ist Leiter der Forschungsgruppe Telerehabilitation am Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme, Fraunhofer FOKUS. Seine Arbeitsgruppe hat sich seit 2009 darauf spezialisiert, telemedizinische Systeme für die Nachsorge zu entwickeln. Die Indikationen, in denen TA inzwischen hauptsächlich eingesetzt werden, sind Orthopädie, Kardiologie und Neurologie. Dr. John ist überzeugt: »Eine telerehabilitative Nachsorge verstetigt auf effiziente Weise die im stationären Bereich erzielten Behandlungserfolge und integriert therapeutisch valide Maßnahmen im Sinne einer nachhaltigen Sekundärprävention in den Alltag der Patienten.« Ein typischer Anwendungsbereich, der für Kardiologen interessant ist, ist die Überwachung und häusliche Betreuung von kardiopulmonalen Risikopatienten nach Beendigung der Reha.
Ein Team um Prof. Dr. Heinz Völler, Kardiologe und Professor für Rehabilitationswissenschaften an der Universität Potsdam, die Kardiologische Gemeinschaftspraxis am Park Sanssouci in Berlin sowie Partner aus dem Fraunhofer FOKUS wollen im Projekt RehaQuantified ein sensorbasiertes System entwickeln, mit dem Daten zu Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz und Bewegungsintensität (Alltags- und Trainingsmodus) kontinuierlich übertragen werden. Zudem ist es das Ziel, auch die Thoraximpedanz zu messen, mit der Wassereinlagerungen in der Nähe des Herzens, vor allem in der Lunge, erkannt werden können. Die Werte werden kontinuierlich gesammelt und an einen sicheren Server übermittelt. Der betreuende Arzt kann die Daten einsehen und so den Gesundheitszustand beurteilen. Zudem können Belastungskorridore (Herzfrequenz, Blutdruck) eingestellt und nach Bedarf angepasst werden.
Für die Patienten wäre das ein deutlich erhöhtes Maß an Sicherheit im Alltag: »Viele Patienten sind nach der Reha verunsichert, wie stark sie sich belasten können. Manche trauen sich aus Angst zu wenig zu, andere überbelasten sich. Das kontinuierliche Monitoring und das Feedback des Arztes geben ihnen Sicherheit und Motivation«, erklärt Dr. John. Das Projekt RehaQuantified ist noch nicht abgeschlossen und noch sind auch technische Fragen offen, doch die Hoffnungen sind groß, dass durch ein solches System eine Form des medizinischen Self-Managements etabliert werden kann, die Patienten mehr Selbstständigkeit und Lebensqualität zurückgibt. »Eine medizinische Beobachtung im Alltag, Beruf und Training kann letztlich zeigen, ob Patienten wieder in ihren Beruf zurückkehren können – oder ob man andere Beschäftigungsfelder für sie finden muss. Auf diese Weise lässt sich möglicherweise verhindern, dass jemand in den Vorruhestand geschickt wird, der noch arbeiten kann – und vielleicht auch möchte«, erklärt Prof. Völler.