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Dauerbrenner Adipositas

Editorial der Ausgabe #6/2017 der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM) von Prof. Dr. Peter Deibert. Im seinem Beitrag klärt er über die Ursachen und Folgen von Adipositas auf und schlägt Maßnahmen vor, die die weltweite Epidemie der Fettleibigkeit eindämmen könnten.

Dauerbrenner Adipositas
© Picture-Factory/fotolia

Seit den 80er-Jahren verbreiteten sich Übergewicht und Adipositas zusehends und nahmen das Ausmaß einer globalen Epidemie an. Mittlerweile sind 2,1 Milliarden Menschen übergewichtig, es gibt mehr Übergewichtige und Adipöse als mangelernährte Menschen auf dem Planeten – dies könnte man als Erfolg der modernen Agrikultur sehen. Offenbar reicht das Nahrungsangebot für so viele Menschen aus, und es würde auch eine weitere Zunahme der Weltbevölkerung (derzeit um 156 Menschen pro Minute) wohl verkraftet werden, wenn die Lebensmittel besser verteilt würden.

Die Zunahme der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bedeutet allerdings auch eine Veränderung der Morbidität und Mortalität. Seit den 80ern hat insbesondere die kindliche Adipositas dramatisch zugenommen. Damit steigt das Risiko für einen späteren Typ-2-Diabetes, Schlaganfall und eine koronare Herzkrankheit, für Krebs sowie für eine Frühberentung oder einen vorzeitigen Tod (44, 46). Diese Entwicklung wird als eine der großen Herausforderungen in den nächsten 30 Jahren gesehen (17). Dieser Trend betrifft alle Teile der Welt, und wird, ganz im Zeichen der Doktrin „America first“, von den USA angeführt (s. Abb. 1) (35).

Die Entwicklung in Deutschland hinkt der in den USA nur wenige Jahre hinterher (ca. 25% der Erwachsenen sind adipös (30)), und wenn es nicht gelingt, hier rechtzeitig Veränderungen herbeizuführen, holen wir unaufhaltsam auf. Dabei wissen wir um die Risikokonstellation des metabolischen Syndroms, die Bedeutung der Ernährung (29) und der körperlichen Aktivität (22) und haben somit hier Möglichkeiten, vor dem Eintreten von einschränkenden Folgeschäden durch eine Lebensstilintervention das drohende Unheil abzuwenden (8, 20).

Im gleichen Zeitraum haben wir auch einen deutlichen Wissenszuwachs auf dem Gebiet erzielt. Wir wissen nun, dass Adipozyten keine reinen Fettspeicher sind, sondern entscheidenden Einfluss auf den Stoffwechsel haben – die Arbeit von Krüger beschreibt die Folgen einer „sterilen Entzündung“ mit all ihren Konsequenzen (21). Wir haben die Regelung des Appetits besser verstanden, und es gab erfolgreiche Versuche, diesen medikamentös zu beeinflussen – leider bisher ohne Entwicklung nebenwirkungs- bzw. risikoarmer Präparate. Ebenso haben wir erkannt, dass die Zusammensetzung einer Diät relativ wenig Einfluss auf die erzielte Gewichtsreduktion hat; der wesentliche, bestimmende Parameter ist die Compliance zur Ernährungsmodifikation (6, 11, 45).

Dies vereinfacht die Sache ungemein: anstatt den Adipösen auf eine der unzähligen angepriesenen Diätvorschriften einzuschwören, ist die beste Diät die, die man langfristig beibehalten kann. Um eine Gewichtsabnahme zu erreichen, müssen entweder die Kalorienzufuhr beschränkt, oder der Kalorienverbrauch angekurbelt werden – im Idealfall beides. Leider scheitern nahezu alle Programme im Hinblick auf eine wirksame, langanhaltende Gewichtsreduktion bei der Mehrzahl der Patienten. Dabei ist die Bedeutung einer Kalorienreduktion in der Bevölkerung offensichtlich bekannt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in den USA gibt zu jedem Zeitpunkt an, derzeit das Gewicht zu reduzieren, aber offensichtlich sind fast alle hier nicht nachhaltig erfolgreich (19). Lediglich die bariatrische Chirurgie kann mit Ergebnissen einer signifikanten Gewichtsreduktion bei einem Großteil der Patienten aufwarten, wobei die Bewertung der Langzeitergebnisse noch aussteht.

Bild Peter Deibert
Prof. Dr. Peter Deibert, Institut für Bewegungs- und Arbeitsmedizin Universitätsklinikum Freiburg © Deibert
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