Seite 3 / 3

Fortsetzung (Übergewichts-)Prävention in Deutschland

Zukunft von Präventionsmaßnahmen in Deutschland

Neben dem Einbezug der Eltern, können (und sollten) v.a. politische Maßnahmen dazu beitragen, einen gesunden Lebensstil der Allgemeinheit zu fördern. Abgesehen von der Besteuerung ungesunder Lebensmittel, fordert z.B. die Weltgesundheitsorganisation (33), sowie die Deutsche Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten, dass Kindern in der Schule die Möglichkeit gegeben werden soll, sich mindestens eine Stunde am Tag zu bewegen, dass es verbindliche Qualitätsstandards für das Essen in Kindergärten und Schulen geben muss und dass sich Werbung nicht mehr an Kinder richten darf (5).

Die Notwendigkeit für einen solchen kombinierte Ansatz ist gegeben, da der pathophysiologische Ursprung der Entwicklung von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter nicht das Resultat von einem einzelnen ungesunden Verhalten sein kann, sondern eine Kombination aus diversen Verhalten und deren Auswirkungen ist, welche sich im (Un-)Gleichgewicht der Energieaufnahme bzw. des Energieverbrauchs widerspiegeln (1,7). Daher formulierte die Initiative „Eine gesunde Ernährung für ein gesundes Leben“ (8) die Vision, dass bis 2030 alle Europäer die Motivation, Fähigkeit und Möglichkeit haben sollen, sich gesund zu ernähren, gesunde Aktivitätslevel zu haben und die Prävalenz von lebensstil-abhängigen Krankheiten signifikant gesunken ist. Um das zu erreichen, sind Interventionsmaßnahmen auf den Ebenen der Politik bzw. Gesetzgebung sowie den Kommunen, Schulen und Kindergärten, als auch für Familien notwendig.

Neben den klassischen Interventionsbereichen „Bewegung“ und „Ernährung“ im Rahmen der Übergewichtsprävention bei Kindern und Jugendlichen ist vor allem der Bereich der Lebenskompetenz, der oft in Sucht- und Gewaltprävention in Schulen zu finden ist und als Voraussetzung für die Entwicklung gesundheitsförderlicher Lebensstile gilt, noch deutlich unterrepräsentiert (15). Deutschland benötigt deshalb eine Vielzahl gut konzipierter, evidenzbasierter und erfolgreich evaluierter Präventionsprogramme, maßgeschneidert für die verschiedenen Zielgruppen und unterschiedlichen, gesundheitsbezogenen Präventionsziele. Ebenso muss darauf geachtet werden, dass kommende Präventionsprogramme langfristig angelegt sind. Gerade mit dem Ende der Grundschulzeit nimmt die körperliche Aktivität deutlich ab und die medienbasierte Freizeitgestaltung deutlich zu (21).

Des Weiteren werden die Kinder bzw. Jugendlichen nun autonomer, was z.B. den Kauf und den Verzehr von Lebensmitteln, wie Fast Food, Snacks, Süßigkeiten und Softdrinks, aber die Freizeitgestaltung angeht. Besonderer Bedarf besteht somit an Programmen, die die Kindheit und das Jugendalter ohne Unterbrechung abdecken. Bisher sind solche langfristig angelegten Interventionen von großer Seltenheit. Eine Verstetigung von Maßnahmen ist zwar in Deutschland durch den Übertritt auf fortführende Schulen nach Ende der vierten Jahrgangsstufe schwer umzusetzen, aber nicht unmöglich. Programme müssen für die Bedürfnisse der verschiedenen Schulformen und Altersstufen erarbeitet werden und eine flächendeckende Umsetzungsmöglichkeit garantiert werden.

Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Schwerpunkt in der Präventionsentwicklung ist die Integration und möglicherweise auch spezielle Förderung von Risikogruppen, wie Kindern aus sozial schwachen Familien oder Kindern mit Migrationshintergrund. Diese beiden Gruppen weisen oft ein niedrigeres Gesundheitswissen bzw. eine niedrigere Gesundheitsbildung auf. Hier müssen praxisfähige, mit Hinblick auf die Einbeziehung der ganzen Familie bzw. Lebenswelt konzipierte, Präventionsmaßnahmen entwickelt werden. Um die Eltern zu erreichen sind Materialien in verschiedenen Sprachen und auch der Einsatz von sog. Stakeholdern, Personen die in beiden Gesellschaftsgruppen gut vernetzt und angesehen sind, von großer Bedeutung.

Die programmumsetzenden Personen wie Erzieher, Lehrer und anderes pädagogisches Fachpersonal müssen bei der Umsetzung der Präventionsinhalte fachlich unterstützt werden. Durch Fortbildungen und Schulungen muss Hintergrundwissen und Umsetzungskompetenz vermittelt werden. Eine finanzielle Unterstützung für ihre Tätigkeit ist nötig um ihr Engagement und dessen Bedeutung für die Gesellschaft zu würdigen und auch, damit Maßnahmen zur Gesundheitsförderung nicht nur bei bzw. mit hoher Eigeninitiative realisierbar sind. Nur so kann eine universelle und flächendeckende Präventionsumsetzung für alle Kinder und Jugendliche umgesetzt werden.

Kobel S, Wartha O, Steinacker JM

Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie weiter unten!

Quellen:

  1. BLEICH SN, KU R, WANG YC. Relative contribution of energy intake and energy expenditure to childhood obesity: a review of the literature and directions for future research. Int J Obes. 2011; 35: 1-15. doi:10.1038/ijo.2010.252

  2. Brettschneider W-D, Naul R, Bünemann A, Hoffmann D. Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. Spectrum. 2006; 18: 25-45.

  3. Drenowatz C, Wartha O, Fischbach N, Steinacker JM. Intervention Strategies for the Promotion of Physical Activity in Youth. Dtsch Z Sportmed. 2013; 64: 170-175. doi:10.5960/dzsm.2012.078

  4. DREYHAUPT J, KOCH B, WIRT T, SCHREIBER A, BRANDSTETTER S, KESZTYÜS D, WARTHA O, KOBEL S, KETTNER S, PROKOPCHUK D, HUNDSDÖRFER V, KLEPSCH M, WIEDOM M, SUFEIDA S, FISCHBACH N, MUCHE R, SEUFERT T, STEINACKER JM. Evaluation of a health promotion program in children: Study protocol and design of the cluster-randomized Baden-Württemberg primary school study [DRKS-ID: DRKS00000494]. BMC Public Health. 2012; 12: 157-168. doi:10.1186/1471-2458-12-157

  5. EFFERTZ T, GARLICHS D, GERLACH S, MÜLLER MJ, PÖTSCHKE-LANGER M, PRÜMEL-PHILIPPSEN U, SCHALLER K. Wirkungsvolle Prävention chronischer Krankheiten. Strategiepapier der NCD-Allianz zur Primärprävention. Präv Gesundheitsf. 2015; 10: 95-100. doi:10.1007/s11553-014-0483-9

  6. Fonseca H, Matos MG, Guerra A, Gomes-Pedro J. How much does overweight impact the adolescent developmental process? Child Care Health Dev. 2011; 37: 135-142. doi:10.1111/j.1365-2214.2010.01136.x

  7. GUBBELS JS, VAN ASSEMA P, KREMERS SPJ. Physical activity, sedentary behavior, and dietary patterns among children. Curr Nutr Rep. 2013; 2: 105-112. doi:10.1007/s13668-013-0042-6

  8. JOINT PROGRAMMING INITIATIVE „A HEALTHY DIET FOR A HEALTHY LIFE”. The vision for 2030. 2010. http://www.healthydietforhealthylife.eu/index.php/hdhl-documents-2/key-documents/vision-paper/download [20. März 2017].

  9. Kaluza G, Lohaus A. Psychologische Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter. Z Gesundh Psychol. 2006; 14: 119-134. doi:10.1026/0943-8149.14.3.119

  10. Kesztyüs D, Lauer R, Schreiber AC, Kesztyüs T, Kilian R, Steinacker JM. Parents‘ willingness to pay for the prevention of childhood overweight and obesity. Health Econ Rev. 2014; 4: 20-27. doi:10.1186/s13561-014-0020-8

  11. Kesztyüs D, Lauer R, Kesztyüs T, Kilian R, Steinacker JM. Costs and effects of a state-wide health promotion program in primary schools in Germany – The Baden-Württemberg Study: A cluster-randomized, controlled trial. PLoS ONE. 2017; 12: e0172332. doi:10.1371/journal.pone.0172332

  12. KETTNER S, KOBEL S, FISCHBACH N, DRENOWATZ C, DREYHAUPT J, WIRT T, KOCH B, STEINACKER JM. Objectively determined physical activity levels of primary school children in south-west Germany. BMC Public Health. 2013; 13: 895-905. doi:10.1186/1471-2458-13-895

  13. KOBEL S, WIRT T, SCHREIBER A, KESZTYÜS D, KETTNER S, ERKELENZ N, WARTHA O, STEINACKER JM. Intervention Effects of a School-Based Health Promotion Programme on Obesity Related Behavioural Outcomes. J Obes. 2014; 476230. doi:10.1155/2014/476230

  14. KOBEL S, WARTHA O, WIRT T, DREYHAUPT J, LÄMMLE C, FRIEDEMANN EM, KELSO A, KUTZNER C, HERMELING L, STEINACKER JM. Design, Implementation, and Study Protocol of a Kindergarten-Based Health Promotion Intervention. BioMed Res Int. 2017; 2017: 4347675. doi:10.1155/2017/4347675

  15. KULA A, WIEDEL C, WALTER U. Wirksamkeit kombinierter Interventionen zur Prävention von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen. Ein systematisches Review. Bundesgesundheitsbl. 2016; 59: 1432-1442. doi:10.1007/s00103-016-2448-y

  16. KURTH BM, SCHAFFRATH ROSARIO A. Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch –Gesundheitsschutz. 2007; 50: 736-743. doi:10.1007/s00103-007-0235-5

  17. Lämmle C, Kobel S, Wartha O, Wirt T, Steinacker JM. Intervention effects of a school-based health promotion program on children’s motor skills. J Public Health. 2016; 24: 185. doi:10.1007/s10389-016-0715-x

  18. LAMPERT T, MENSINK GBM, ROMAHN N, WOLL A. Körperlich-sportliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch–Gesundheitsschutz. 2007; 50: 634-642. doi:10.1007/s00103-007-0224-8

  19. Luck T, Riedel-Heller SG. Prävention von Alzheimer-Demenz in Deutschland. Eine Hochrechnung des möglichen Potenzials der Reduktion ausgewählter Risikofaktoren. Nervenarzt. 2016; 87: 1194-1200. doi:10.1007/s00115-015-0045-1

  20. LUTTIKHUIS O, BAUR L, JANSEN H, SHREWSBURY VA, O’MALLEY C, STOLK RP, SUMMERBELL CD. Interventions for treating obesity in children. Cochrane Database Syst Rev. 2009; 3. doi:10.1002/14651858.CD001872.pub2

  21. MANZ K, SCHLACK R, POETHKO-MÜLLER C, MENSINK G, FINGER J, LAMPERT T. Physical activity and electronicmedia use in children and adolescents. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2014; 57: 840-848. doi:10.1007/s00103-016-2455-z

  22. Mensink GBM, Schienkiewitz A, Haftenberger M, Lampert T, Ziese T, Scheidt-Nave C. Übergewicht und Adipositas in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsbl. 2013; 56: 786-794. doi:10.1007/s00103-012-1656-3

  23. Olds TS, Tomkinson GR, Ferrar KE, Maher CA. Trends in the prevalence of childhood overweight an obesity in Australia between 1985 and 2008. Int J Obes. 2010; 34: 57-66. doi:10.1038/ijo.2009.211

  24. Riboli E, Norat T. Epidemiologic evidence of the protective effect of fruit and vegetables on cancer risk. Am J Clin Nutr. 2003; 78: 559-569.

  25. Scriba PC, Schwartz FW. Bewegung. Der Internist. 2004; 45: 157-165. doi:10.1007/s00108-003-1131-1

  26. Summerbell CD, Waters E, Edmunds L, Kelly S, Brown T, Campbell KJ. Interventions for preventing obesity in children [review]. Cochrane Database Syst Rev. 2005; 20: CD001871. doi:10.1002/14651858.CD001871.pub2

  27. TEMPEL N, REKER N, BÖDEKER M, KLÄRS G, SCHAEFER I, TÖPPICH J, KOLIP P. Qualitätssicherung in der Gesundheitsförderung in Settings: Ansätze, Charakteristika und Empfehlungen. Prävention Gesundheitsförderung. 2013; 8: 73-77. doi:10.1007/s11553-012-0380-z

  28. Wabitsch M. Kinder und Jugendliche mit Adipositas in Deutschland - Aufruf zum Handeln. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2004; 47: 251-255. doi:10.1007/s00103-003-0795-y

  29. Walter U, Pigeot I. Universelle Programme zur Primärprävention kindlichen Übergewichts – Ein Überblick. Bundesgesundheitsbl. 2016; 59: 1372-1384. doi:10.1007/s00103-016-2446-0

  30. WARTHA O, KOCH B, KOBEL S, DRENOWATZ C, KETTNER S, SCHREIBER A, WIRT T, KESZTYÜS D, STEINACKER JM. Entwicklung und Implementierung eines landesweiten Multiplikatorensystems zur flächendeckenden Umsetzung des schulbasierten Präventionsprogramms „Komm mit in das gesunde Boot – Grundschule“. Gesundheitswesen. 2014; 76: 655-661. doi:10.1055/s-0033-1349869

  31. Wartha O, Kobel S, Lämmle C, Mosler M, Steinacker JM. Entwick-lung eines settingspezifischen Gesundheitsförderprogramms durch die Verwendung des Intervention-Mapping-Ansatzes: „Komm mit in das gesunde Boot – Kindergarten“. Präv Gesundheitsf. 2016; 11: 65-72. doi:10.1007/s11553-016-0531-8

  32. WATERS E, DE SILVA-SANIGORSKI A, HALL BJ, BROWN T, CAMPBELL KJ, GAO Y, ARMSTRONG R, PROSSER L, SUMMERBELL CD. Interventions for preventing obesity in children [Review]. Cochrane Database Syst Rev. 2011; 12. doi:10.1002/14651858.CD001871.pub3

  33. WORLD HEALTH ORGANIZATION. Global action plan for the prevention and control of NCDs 2013-2020. 2013. http://www.who.int/nmh/publications/ncdaction-plan/en/ [20. März 2017].

  34. WORLD HEALTH ORGANIZATION. Report of the commission on ending childhood obesity. World Health Organization, WHO Press, Geneva. 2016.