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Fortsetzung Return-to-Sport nach Verletzungen: Welche Rolle spielt die Psyche?

Prävention von Verletzungen – auch mental

Im Zusammenhang mit Verletzungsprävention denkt man vor allem an muskuläre und körperliche Aspekte. Doch auch hier sollte die mentale Seite mit einbezogen werden. Der VBG-Sportreport 2021 zeigt für die Sportarten Basketball, Eishockey, Fußball und Handball die Verletzungshäufigkeiten in den beiden höchsten Ligen der Männer (5). Demnach verletzen sich im Basketball 66,2 Prozent der eingesetzten Spieler (niedrigster Wert) und im Fußball 81,3 Prozent (höchster Wert der vier Sportarten). Pro eingesetztem Spieler treten zwischen 1,6 (Basketball) und 2,5 Verletzungen (Fußball) auf. Diese passieren im Basket-, Fuß- und Handball mit jeweils über 50 Prozent im Training. Diese Zahlen zeigen, dass es wahrscheinlicher ist, sich zu verletzen, als unverletzt zu bleiben. Daher sollten schon Nachwuchsleistungssportler darauf vorbereitet werden, dass sie sich in ihrer sportlichen Karriere mit hoher Wahrscheinlichkeit mehrmals leicht und wenige Male mittelschwer bis schwer verletzen werden. Wenn Sportler darauf mental eingestellt sind und im Umfeld, z. B. bei betroffenen Teamkollegen, erfahren können, dass sie in einem solchen Fall trotzdem Unterstützung erwartet, können sie davon nur profitieren. Verletzungen werden dann nicht als schwerer Schicksalsschlag empfunden, sondern als Herausforderung gesehen, denen man sich stellen muss, die es zu überwinden gilt und aus denen man gestärkt hervorgehen kann (3).

Mentale Grundfertigkeiten für alle Athleten

Ängste, Sorgen und negative Gedankenspiralen können den Heilungsprozess beeinträchtigen und sogar die Rückkehr auf ein hohes Leistungsniveau verhindern. Aus diesem Grund ist eine positive Einstellung und Zuversicht auch während der Verletzungsphase essenziell. Um den negativen Gefühlen nicht die Kontrolle zu überlassen, sollten Sportler schon vor der Verletzung Techniken erlernt haben, um sich aktiv entspannen zu können. »Das können Entspannungs-, Atem- oder Visualisierungstechniken sein, die dann auf die Situation angepasst und angewendet werden können. Man weiß, dass Entspannung auch körperliche Effekte hat und die Heilung aktiv unterstützt«, erklärt Prof. Kellmann.

Wenig förderlich für den Rehaprozess ist laut Dr. Puta hingegen die Frage, wann er oder sie wieder spielen könne. Was nach außen hin unverfänglich klingt, kann für den verletzten Sportler und seine Reha zum Problem werden. Denn niemand kann wissen, wie lang der Heilungs- und Wiederaufbauprozess dauern wird, ob es Rückschläge und Verzögerungen geben wird. Doch eine konkrete Aussage schürt eine Erwartungshaltung beim Sportler: »Der frühzeitige Blick, der nur auf einen Wiedereinstieg ins Training oder Wettkampfgeschehen gerichtet ist, verhindert, dass sich der Betroffene auf die notwendigen und möglicherweise mühsamen Schritte davor einlässt. So wie es im regulären Training einen periodisierten Aufbau gibt, der in überschaubare Abschnitte gegliedert ist und mit Zwischenzielen arbeitet, sollten Sportler und Betreuer auch die Zeit der Rehabilitation in einzelne Abschnitte unterteilen.«

Dieses Wissen sollten insbesondere Betreuende verinnerlichen. Die Rehabilitation besteht sowohl aus physischen als auch aus psychologischen Anteilen. Häufig werden Letztere weitgehend vernachlässigt. Doch nur im Zusammenwirken sind Höchst­leistungen und die Rückkehr auf ein hohes Leistungsniveau nach Verletzungen
möglich.

Bild Michael Kellmann
Prof. Dr. Michael Kellmann, Leiter des Lehr- und Forschungsbereichs Sportpsychologie, Fakultät für Sportwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum© Kellmann

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Ardern CL, Glasgow P, Schneiders A, Witvrouw E, Clarsen B, Cools A, Gojanovic B, Griffin S, Khan KM, Moksnes H, Mutch SA, Phillips N, Reurink G, Sadler R, Silbernagel KG, Thorborg K, Wangensteen A, Wilk KE, Bizzini M. 2016 Consensus statement on return to sport from the First World Congress in Sports Physical Therapy, Bern. Br J Sports Med. 2016; 50: 853-64. https://bjsm.bmj.com/content/50/14/853

  2. Biedert RM, Hintermann B, Hörterer H, Müller AE, Warnke K, Friederich N, Meyer S & Schmeitzky C. Wissenschaftlicher Beitrag. Sports Orthopaedics and Traumatology Sport-Orthopädie – Sport-Traumatologie. 2006; 22: 249–254

  3. Kleinert J. (Hrsg): Erfolgreich aus der sportlichen Krise. Mentales Bewältigen von Formtiefs, Erfolgsdruck, Teamkonflikten und Verletzungen (S. 55-92). BLV. 2003

  4. VBG-Fachwissen. Return-to-Competition. Testmanual zur Beurteilung der Spielfähigkeit nach Ruptur des vorderen Kreuzbands. (Abruf 08.08.2022)

  5. VBG-Sportreport 2021. Analyse des Verletzungsgeschehens in den zwei höchsten Ligen der Männer: Basketball, Eishockey, Fußball, Handball. (Abruf 08.08.2022)

  6. Wiech K. Deconstructing the sensation of pain: The influence of cognitive processes on pain perception. Science. 2016; 354: 584-587. doi:10.1126/science.aaf8934