Schwer Krebskranke profitieren von EMS-Training – dank Myokinen

Schwer Krebskranke profitieren von EMS-Training – dank Myokinen
Krebszellen © vitanovski

Es ist bereits nachgewiesen worden, dass regelmäßige sportliche Betätigung bei Krebs die Heilung vorantreiben und Rezidive verhindern helfen kann. Zuständig für die antitumorale Wirkung von Bewegung sind unter anderem Myokine: hormonähnliche Botenstoffe der Skelettmuskulatur, die das Wachstum entarteter Zellen bremsen und diese im besten Fall in die Apoptose (also den Zelltod) treiben. Bisher bezogen sich die Studienergebnisse allerdings nur auf Personen im Frühstadium einer Tumorerkrankung, weil man davon ausging, dass nur sie aktiv in Intensitäten trainieren können, die für eine Myokin-Ausschüttung ausreichen. Wie aber können Patientinnen und Patienten im fortgeschrittenen, körperlich einschränkenden Stadium einer Krebserkrankung dennoch von den hilfreichen Myokinen profitieren? Eine Forschergruppe der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diesen Aspekt untersucht und dafür die passive Muskelstimulation mittels Ganzkörper-Elektromyostimulation (WB-EMS-Training) gewählt.

Untersuchung an Prostata- und Darmkrebs-Patienten

Für ihre Studie rekrutierten die Wissenschaftler 30 Teilnehmer, von denen 18 an Prostatakrebs und 12 an Darmkrebs litten. Acht Prostata- und sechs Darmkrebspatienten wurden einer Trainingsgruppe zugeteilt, die restlichen Probanden dienten als Kontrollgruppe. Alle Teilnehmer erhielten eine Anleitung für eine gesunde, proteinreiche Nahrungsweise. Die Trainingsgruppe absolvierte ein zwölfwöchiges sogenanntes EMS-Training, bei dem Muskeln am ganzen Körper über eine ansteigende Zeit (< 20 Minuten) mit bipolaren niedrigfrequenten Impulsen und einer Impulsbreite von 350 µs appliziert wurden (Schübe: 6s Stimulation, 4s Ruheintervall). Vor Beginn und nach Ablauf der Trainingsphase wurden Blutproben aller Teilnehmenden genommen, aufbereitet und in vitro mit vitalen menschlichen Prostata- und Darmkrebszellen inkubiert.

Signifikante antitumorale Effekte durch EMS-Training

Die Ergebnisse sind ermutigend: Das Serum der Trainingsgruppe hemmte in vitro die Proliferation von Prostatakrebszellen merklich um -7 bis -11,6 Prozent (je nach eingesetzter Zelllinie und Inkubationszeit) und die von Darmkrebszellen um 9,1 bis maximal 13,2 Prozent. Noch markanter waren apoptotische Ereignisse: 28,1 Prozent einer Prostata- und 14,4 Prozent einer Darmkrebs-Zelllinie überlebten den Kontakt mit dem „myokingeladenen“ Trainingsgruppen-Serum nicht. Gesunde Zellen blieben unbeeinträchtigt. Alle Ergebnisse wurden im Myotuben-Modell bestätigt. Eine weitergehende Genexpressionsanalyse mit einem Multiplex-Array von krebsassoziierten Genen und anschließender quantitativer RT-PCR wies bewegungsempfindliche Gene in menschlichen Prostatakrebszellen nach. Diese sind vermutlich an der Regulation von malignem Zellwachstum und Apoptose beteiligt.

Fazit: Offensichtlich ist trainingsähnliche elektrische Impulsstimulation ausreichend, um einen Anstieg turmorfeindlicher Myokine im Serum hervorzurufen. Dies ist eine sehr gute Nachricht für schwer krebskranke Patienten, die für aktives Sporttreiben zu geschwächt oder unbeweglich sind.

■ Kura L

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Quellen:

  1. Schwappacher R, Schink K, Sologub S, Dieterich W, Reljic D, Friedrich O, Herrmann HJ, Neurath MF, Zopf Y. Physical activity and advanced cancer: evidence of exercise-sensitive genes regulating prostate cancer cell proliferation and apoptosis. J Physiol. 2020; 598: 3871-3889. doi: 10.1113/JP279150