Schmerzmittelkonsum im Leistungssport
Jede Athletin und jeder Athlet kennt Schmerzen – ob als Folge von (Über‑)Anstrengung oder Verletzung. Dass dies über viele Disziplinen hinweg zu einem allzu sorglosen Umgang mit rezeptfrei erhältlichen Medikamenten wie z. B. NSAR führt, wurde bereits vielfach beschrieben. Jetzt haben deutsche Mediziner den Schmerzmittelkonsum im Spitzensport in einer Übersichtsarbeit systematisch untersucht (1).
Prävalenz des Schmerzmittelgebrauchs im Sport
Für ihre systematische Literaturrecherche wählte das Autorenteam 12 Studien mit Daten aus insgesamt 48 977 geeigneten Befragungen (DCF), bei denen nach der Einnahme von Schmerzmitteln in den 72 Stunden vor einem Wettkampf bzw. Dopingtest gefragt wurde. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der Gebrauch von Analgetika im Leistungs- und Spitzensport weit verbreitet ist, wobei der Schmerzmittelkonsum zwischen den einzelnen Sportarten stark variiert. Im Profifußball nehmen beispielsweise 16,7 bis 54,2 Prozent der Spieler regelmäßig NSAR ein, im Volleyball 31,1 und im Tennis nur 2,8 Prozent. Während der Fußball-WM 2014 gaben 30,6 und über alle hochklassigen Ligen hinweg 33 Prozent der Athleten an, mindestens hin und wieder Analgetika zu konsumieren. Bei Olympiateilnehmern anderer Disziplinen waren es 11,1 bis 25,6 Prozent.
Amateursportler haben ein im Vergleich einen deutlich geringeren Schmerzmittelkonsum, wobei auch hier in Ausdauer- und Ultraausdauerdisziplinen eine stärkere Tendenz zu beobachten ist. Die Ergebnisse der Literaturrecherche zeigen keine gesicherten Hinweise auf einen verbreiteten Analgetika-Missbrauch im Breitensport; zudem fehlen solide Daten aus originären Studien und Reviews zu dieser Frage. Lediglich zwei selektive Studien moderater Qualität, deren Daten im Rahmen eines großen Laufevents erhoben wurden, kommen zu dem Schluss, dass Analgetika im Amateur-Ausdauersport mit bis zu knapp 61 Prozent die Regel sind. Dem gegenüber stehen die Ergebnisse einer großen südafrikanischen Studie, bei der zwischen 3,6 Prozent der Teilnehmer eines Halbmarathons und 16,4 Prozent bei einem 56-km-Rennen Analgetika einnahmen. Auch eigene Befragungen des Autorenteams lassen nicht auf weit verbreiteten Schmerzmittelkonsum im Breitensport schließen: Nur 1,7 Prozent der Teilnehmer nahmen diese „ein- bis mehrmals im Monat“ und nur 0,4 Prozent „wöchentlich“ oder „täglich“ im Rahmen ihrer sportlichen Betätigung ein. Die weitere Analyse zeigte, dass für die Einnahme grundsätzlich gesundheitliche Gründe überwogen.
Prophylaktische Nutzung von Analgetika
Ein signifikanter Anteil der Leistungsathleten verwendet Analgetika präventiv, also auch ohne akute Symptome. Studien zeigten, dass 5 Prozent der Hochleistungssportler und erschreckende bis zu 84 Prozent der jungen Basketballspieler gelegentlich oder regelmäßig Schmerzmittel einnehmen, um ihren erschöpfenden Sportarten nachkommen und Wettkämpfe durchhalten zu können. Ein auffälliger Schwerpunkt liegt dabei auch hier wieder im Ausdauer- und Ultraausdauersport, wo bis zu 70 Prozent der Athleten prophylaktisch Schmerzmittel verwenden, insbesondere vor langen und intensiven Wettkämpfen.
Im ambitionierten Amateursport, insbesondere in Ausdauerdisziplinen, gibt es Überschneidungen mit dem Leistungssport in Bezug auf Trainingsintensität und Analgetikagebrauch. Jedoch fehlen solide Daten, die einen systematischen NSAR-Missbrauch im Breitensport bestätigen. Einige Studien weisen hier auf einen vergleichsweise moderaten Konsum hin, mit Prävalenzen von bis zu 16,4 Prozent in spezifischen Laufveranstaltungen.
Gesundheitsrisiken durch Analgetika im Sportkontext
Die Einnahme von Analgetika im Kontext von sportlicher Belastung, egal ob nach Verletzungen oder bei gewohnheitsmäßigem Gebrauch im hochrangigen Training, erhöht das Risiko für Nebenwirkungen grundsätzlich. Der Grund: Intensives Training führt zu einer verminderten glomerulären Filtrationsrate, die durch NSAR weiter verschlechtert wird. Dies kann das Risiko für akutes Nierenversagen oder chronische Nierenerkrankungen signifikant erhöhen, weshalb Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz besonders wachsam sein müssen. Auch die Leber, das zweite wichtige Ausscheidungsorgan für Pharmakologika, wird durch schmerzstillende Medikamente belastet, insbesondere bei längerer Anwendungsdauer.
Neben diesen Gesundheitsgefahren für Organe können etwa durch das Verschieben der Schmerzgrenze Anzeichen von Überlastung, Verletzung oder infektbedingter Temperaturerhöhung maskiert werden, was einen rechtzeitigen Abbruch der Trainingseinheit bzw. des Wettkampfs verhindert.
Ein weiterer Aspekt des Analgetika-Einsatzes im Sport ist die Frage, ob und in welchem Umfang diese bei Patienten unter medizinischer Trainingstherapie hilfreich sind: Einerseits können sie hilfreiche Bewegungsinterventionen (Muskelaufbau, Deblockierung etc.) überhaupt erst möglich machen, andererseits wirken sich NSAR in manchen Fällen negativ auf die Regeneration verletzter Gewebe aus. Hier wie auch in allen anderen Anwendungskontexten sollte daher eine individuelle interdisziplinäre Entscheidung getroffen werden, die das geringste Übel mit optimalen Outcomes für die Rehabilitation verknüpft.
Organ-/Körpersystem | Berichtete Symptome/Erkrankungen |
Blut | Anämie, erhöhte Blutungsneigung, Thromboembolie |
Elektrolythaushalt | Hyponatriämie |
Haut | Urtikaria, Angioödem |
Herz-Kreislaufsystem | Herz-Kreislauf-Probleme, Hypertonie/Hypotonie, Arrhythmien, Herzinsuffizienz, Herzinfakt |
Leber | Leberschäden |
Lunge | Asthma/Bronchospasmen |
Magen-Darm | Gastrointestinale Beschwerden, Übelkeit/Erbrechen, Durchfall, Magenschmerzen, Gastritis, gastrointestinale Blutungen, Magengeschwür |
Nieren | Verringerte Nierenfunktion, Hämaturie, chronisches/akutes Nierenversagen |
ZNS | Ermüdung, Schwindel |
Bänder | Verzögerte Heilung, erhöhte Elastizität |
Sehnen | Verzögerte Heilung |
Gelenke | Knorpelschäden, Arthrose |
Knochen | Verzögerte Heilung, Ermüdungsbrüche |
Muskeln | Verzögerte Heilung, Rhabdomyolyse |
Tab. 1: Mögliche Risiken für verschiedene Körpersysteme in Zusammenhang mit Schmerzmittelgebrauch im Sport
Fazit: Während im Breitensport der Schmerzmittelkonsum nur ein Randthema ist, nehmen erschreckend viele Leistungsathleten Analgetika in bedenklichem Ausmaß ein – auch ohne akute Beschwerden, z. B. um härter oder trotz Verletzungsvorgeschichte überhaupt trainieren zu können. Dies beinhaltet diverse gesundheitliche Risiken, leistet Abhängigkeiten Vorschub und kann Verletzungsschmerzen maskieren. Trotz gesetzlicher Regelungen zur Verbraucherinformation zeigen Umfragen, dass diese Risiken sowie korrekte Anwendungsempfehlungen häufig nicht bekannt sind. Die Autoren der vorliegenden Studie fordern eine stärkere Beachtung der Folgen regelmäßigen Analgetikagebrauchs im Sport, speziell bei „prophylaktischem“ Gebrauch. Wegen der insgesamt geringen Risikowahrnehmung bei Athleten wäre eine entsprechende Sensibilisierung und Edukation in dieser Bevölkerungsgruppe sehr sinnvoll.
■ Kura L
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Quellen:
Leyk D, Rüther T, Hartmann N, Vits E, Staudt M, Hoffmann MA. Analgesic Use in Sports. Dtsch Arztebl Int. 2023 Mar 10;120:155-161. doi:10.3238/arztebl.m2023.0003