SARM – schneller Muskelaufbau mit schweren Nebenwirkungen

SARM – schneller Muskelaufbau mit schweren Nebenwirkungen
© Aliaksandr Marko / Adobe Stock

Muskeln aufzubauen und zu definieren ist anstrengend. Für ein von vielen gewünschtes Muskelbild ist regelmäßiges Maximalkrafttraining mehrmals pro Woche notwendig. Abkürzungen auf dem Weg zum perfekten Körper sind daher beliebt. Eine in den USA bereits weit verbreitete Substanzgruppe schwappt nun intensiv nach Europa. Selektive-Androgenrezeptor-Modulatoren, kurz SARM, werden auf Youtube und in den sozialen Medien intensiv propagiert. SARM werden dabei als nebenwirkungsarm und einfach einzusetzen beschrieben. Nicht weiter erwähnt werden die physiologische Wirkungsweise und die Auswirkungen auf den Körper sowie die zahlreichen bedenklichen Nebenwirkungen.

Wie wirken SARM?

Selektive-Androgenrezeptor-Modulatoren (SARM) binden an Androgenrezeptoren und ähneln in ihrer Wirkung anabolen und androgenen Steroiden. Die Bindungsaffinität zum Androgenrezeptor ist laut in vitro-Studiendaten bis zu zehnfach höher als die von Testosteron. SARMs wirken in anabolen Geweben wie Muskulatur und teilweise Knochen stärker als in androgenen Geweben wie der Prostata. Die androgene Wirkung liegt bei einigen Substanzen nur bei drei bis 15 Prozent, bei gleichzeitiger anaboler Aktivität von 100 Prozent. Daher sollen Auswirkungen wie Haarverlust bei Frauen oder negative Effekte auf die Prostata geringer ausfallen als bei anderen anabolen Steroiden üblich (2). Die fettfreie Masse nimmt bei bestimmten Substanzen (z. B. Enobosarm/Ostarin) signifikant zu, ein Effekt, der im Bodybuilding gewünscht ist. Einige Substanzen zeigten in Tierversuchen an Ratten, dass sie durch die Bindung an Androgenrezeptoren in der Hypophyse die Bildung von Luteinisierendem und Follikelstimulierendem Hormon – und somit auch die Testosteronproduktion hemmen (5).

Zugelassen bei Prostatakrebs, als Dopingsubstanz verboten

SARM wurden unter anderem für die Behandlung von Muskelatrophie und andere Muskelerkrankungen erforscht. Hier gelten sie als potenzielles Arzneimittel – zugelassen sind sie nicht. Auch für den Einsatz in der Krebstherapie kommen SARM in Frage. Seit September 2023 ist ein erstes Medikament für die Behandlung des Prostatakarzinoms zugelassen (3). Dagegen hat dier Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) bereits 2008 SARM zu allen Zeitpunkten verboten, so dass die Einnahmen im Leistungssport von Dopingagenturen kontrolliert werden. Im Freizeitsport sind die nicht als Arzneimittel zugelassenen Substanzen aber weiterhin auf dem Schwarzmarkt und über Versandhandel aus dem Ausland in großem Umfang beliebt. Über Social Media werden gezielt Jugendliche und junge Erwachsene adressiert und mit dem schnellen Erfolg und einem tollen Körperbild gelockt.

SARM-Nebenwirkungen

Die US-amerikanische FDA und das deutsche BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) warnen indes vor einer Vielzahl von Nebenwirkungen der als Nahrungsergänzungsmittel vertriebenen Präparate. Laut FDA zeigen Studien und Berichte, dass die Einnahme von SARM mit schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Nebenwirkungen verbunden ist. Dazu zählen (4):

  • Erhöhtes Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall
  • Psychosen und Halluzinationen
  • Schlafstörungen
  • Sexuelle Dysfunktion
  • Leberschädigung und akutes Leberversagen
  • Unfruchtbarkeit
  • Fehlgeburt bei Einnahme in der Schwangerschaft
  • Hodenschrumpfung

Das BfArM warnte zudem vor einer Verbindung von SARM-Einnahme und Depressionen (1) und bittet darum, auch anonym, auftretende Nebenwirkungen zu melden. Die Behörden gehen von einem Underreporting aus – der tatsächliche Umfang unerwünschter Ereignisse ist wahrscheinlich noch größer. Die Langzeitfolgen sind bisher weitgehend unbekannt. Hinzu kommt, dass die angebotenen Substanzen illegal im Ausland hergestellt werden und die Produktqualität und -reinheit nicht geprüft werden kann. Verunreinigungen mit Fremdstoffen sind möglich.

Fazit: Bei SARM handelt es sich um eine Gruppe nicht zugelassener und nicht ausreichend am Menschen untersuchter Substanzen, die zum Aufbau von Muskelmasse im Fitness-Umfeld vermehrt eingenommen werden. Die Informationen im Internet, die SARM als weitgehend harmlos darstellen, sind falsch. Besonders Jugendliche und junge Erwachsene werden adressiert und wissen zu wenig über die Gefahren durch Nebenwirkungen.

■ Hutterer C

Quellen:

  1. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit. 2023; 1. (zuletzt abgerufen: 13.10.2023)

  2. Dalton JT, Barnette KG, Bohl CE, Hancock ML, Rodriguez D, Dodson ST, Morton RA, Steiner MS. The selective androgen receptor modulator GTx-024 (enobosarm) improves lean body mass and physical function in healthy elderly men and postmenopausal women: results of a double-blind, placebo-controlled phase II trial. J Cachexia Sarcopenia Muscle. 2011; 2: 153-161. doi:10.1007/s13539-011-0034-6

  3. EMA. Nubeqa: EPAR - Product Information 01.04.2020 Zuletzt aufgerufen 13.10.2023

  4. FDA. FDA warns of use of selective androgen receptor modulators (SARMs) among teens, young adults. 26.04.2023. (zuletzt aufgerufen: 13.10.2023)

  5. Kearbey JD, Wu D, Gao W, Miller DD, Dalton JT. Pharmacokinetics of S-3-(4-acetylamino-phenoxy)-2-hydroxy-2-methyl-N-(4-nitro- 3-trifluoromethyl-phenyl)-propionamide in rats, a non-steroidal selective androgen receptor modulator. Xenobiotica. 2004; 34: 273-80. doi:10.1080/0049825041008962