Magen-Darm-Beschwerden unter Ausdauerbelastung

Magen-Darm-Beschwerden unter Ausdauerbelastung
© nareekarn / Adobe Stock

Manchen Sportlern fällt es schwer, sich während längerer Ausdauerbelastungen gut zu verpflegen oder überhaupt etwas zu essen. Zu oft wird aus Sorge vor Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen, Krämpfen, Übelkeit, Durchfall, Erbrechen oder saurem Aufstoßen erst dann Nahrung aufgenommen, wenn der Leistungsabfall bereits eingetreten ist und der gefürchtete „Hungerast“ droht. Zudem ist vielen Athleten nicht klar, bei welcher Belastungsdauer und Intensität unterwegs gegessen werden sollte. Weitere Unklarheiten bestehen bezüglich  der optimalen Energiezufuhr beziehungsweise der Glykokenspeicher-Kapazität von Muskulatur und Leber.

Kohlenhydrataufnahme ab 1,5 Stunden Belastung sinnvoll

„Jeder zweite bis vierte Teilnehmer von Marathonläufen hat unter Belastung Magen-Darm-Beschwerden. Amateure und Profis sind gleich häufig betroffen“, erklärt Dr. Claudia Osterkamp-Baerens, Ökotrophologin mit Beratungspraxis für Sportler sowie Ernährungsberaterin am Olympiastützpunkt Bayern und in der AG Sporternährung des Deutschen Olympischen Sportbundes. Die Forschung beschäftigt sich schon seit den 1980er-Jahren mit den Herausforderungen guter Verpflegung während intensiver Belastungen. Studien haben dabei deutlich gezeigt, dass die Leistungsfähigkeit signifikant höher ist, wenn ab einer Ausdauerbelastung von etwa 1,5 Stunden kohlenhydratreiche Nahrung aufgenommen wird (3, 4). Unter den Makronährstoffen stechen bei längerer anhaltender Belastung Kohlenhydrate (Kh) deutlich heraus. Gemeint ist damit die Gruppe der Poly- (z. B. Stärke, Maltodextrin), Mono- (z. B. Glukose, Fruktose) und Disaccharide (z. B. Laktose, Maltose, Saccharose). Sie können aerob oder anaerob verstoffwechselt werden und sind hinsichtlich Energieeffizienz günstiger als Fettsäuren und Proteine.

Die Speicherform von Kh ist das Glykogen im Muskel und in der Leber. Es wird durch kohlenhydratreiche Ernährung – z. B. Carbo-Loading – erhöht (4), hängt jedoch auch von der Muskelmasse ab. Während sich Untrainierte mit 300 bis 400 Gramm Glykogenspeicher zufrieden geben müssen, können gut Trainierte mit hoher Muskelmasse auf bis zu 600 g zugreifen. Da die Größe des Speichers auch mit der Belastungsdauer in Ausdauertests korreliert, bringt er Athleten bei der Ausübung ihres Sports unmittelbaren praktischen Nutzen – je größer, desto besser.

Magenverweildauer, Minderdurchblutung, mechanische Belastung

Sportler, insbesondere solche mit Magen-Darm-Beschwerden unter Belastung, sollten auch im Alltag oder den Wochen vor wichtigen Wettkämpfen auf eine kohlenhydratreiche Ernährung achten, um die Kh-Aufnahmefähigkeit des Darms zu trainieren. Bei der letzten Mahlzeit vor einer intensiven Belastung sollte auf gute Verträglichkeit geachtet werden. Diese ist gewährleistet, wenn Kohlenhydrate möglichst getrennt von Proteinen und Fetten verzehrt werden, weil sie so kürzer im Magen verweilen. Das kann entscheidend für die Entwicklung von Beschwerden sein, weil ab einer Belastungsintensität von 70 Prozent der V̇O2max die Magen- und Darm-Durchblutung um 60 bis 70 Prozent verringert ist. Auch Amplitude und Häufigkeit der Magenmuskulatur-Kontraktionen nehmen unter Belastung ab.

Gleichzeitig bildet sich mehr Magensäure, was den Reflux in die Speiseröhre begünstigt. Die Dünndarmmotilität sinkt, der Nahrungsbrei wird schlechter weiterbewegt. Die Dickdarmmotilität hingegen nimmt zu – was den starken Defäkationsreiz erklärt, den viele Sportler unter Anstrengung verspüren. Grundsätzlich beeinträchtigt also intensive Aktivität die Physiologie des Magen-Darm-Trakts. Neben der Minderdurchblutung macht vielen Sportlern auch mechanische Belastung zu schaffen: Beim Laufen beispielsweise wippt der Magen-Darm-Trakt bei jedem Schritt mit, beim Radfahren kann der durch die Sitzposition verursachte Knick Beschwerden verursachen.

Dr. Claudia Osterkamp-Baerens, Ökotrophologin
Dr. Claudia Osterkamp-Baerens, Ökotrophologin mit Beratungspraxis für Sportler sowie Ernährungsberaterin am Olympiastützpunkt Bayern und in der AG Sporternährung des Deutschen Olympischen Sportbundes. © Osterkamp-Baerens

Kohlenhydrat-Aufnahme: empfohlene Mengen

Durch eine kontinuierliche Zufuhr von Kohlenhydraten während langer und intensiver Belastung kann deren Oxidation aufrechterhalten und Leistungseinbußen infolge einer Glykogenverarmung vermieden bzw. reduziert werden. Das American College of Sports Medicine hat 2016 in einem Positionspapier die wissenschaftliche Evidenz hierzu zusammengefasst (5) und empfiehlt die in der Tabelle unten genannten Mengen. Diese ergeben sich aus der Beobachtung, dass in der Muskulatur bei einer VO2max von ≥70 Prozent pro Minute 1 bis 1,2 Gramm exogen zugeführte Glukose (60–72 g/h) oxidiert werden können. Limitierend ist nicht die Oxidationsleistung im Muskel oder die Menge, die der Magen an Glukose weiterzugeben vermag, sondern die Menge, die der Dünndarm resorbieren kann. Diese wiederum hängt von der Menge der in der Schleimhaut vorkommenden Glukose-Transporter (SGLT-1) ab: Je mehr Transportproteine in der Darmschleimhaut vorhanden sind, desto mehr Glukose kann der Darm aufnehmen und der Muskulatur zur Verfügung stellen. Vermutlich lässt sich die Dichte an SGLT-1 im Darm durch kohlenhydratreiche Ernährung erhöhen und durch kohlenhydratarme Ernährung senken (3).

Kohlenhydrate-Fett-Verbrennung unter Ausdauerbelastung
© DZSM 2021

Glukose ist jedoch nicht das einzige Kohlenhydrat, aus dem der Körper Energie gewinnen kann. „Die dem Körper zur Verfügung stehende Menge kann von 1–1,2 Gramm pro Minunte (g/Min.) auf bis zu 1,75 g/Min. erhöht werden, wenn auch auf Fruktose als weiteren Zucker zurückgegriffen wird. Die Mischung sollte zwei Teile Glukose und einen Teil Fruktose enthalten“, erklärt Prof. Dr. Anja Carlsohn, Ernährungswissenschaftlerin vom Department für Ökotrophologie an der HAW Hamburg. Dann ist sogar die Oxidation von über 100 g Kh/h möglich. Voraussetzung dafür ist, dass im Durchschnitt 1,8–2,4 g Kh/Min. (108–144 g Kh/h) an Kohlenhydraten aufgenommen werden und dass Fruktose vertragen wird. Fruktose wird im Darm über einen anderen Transporter (Glut5) adsorbiert, daher addiert sich die Menge der oxidierbaren exogenen Kohlenhydrate.

Magen-Darm-Beschwerden vermeiden: Worauf man achten sollte

Problematisch ist, dass viele Sportler gerade mit der Energieaufnahme unter Belastung Magen-Darm-Probleme entwickeln. „Damit bei länger als 1,5 bis 2 Stunden andauernder Belastung Energie beschwerdefrei aufgenommen werden kann, muss der Magen-Darm-Trakt daran gewöhnt sein. Schon im Training muss geübt werden, kohlenhydratreiche Flüssigkeit oder feste Nahrung in der Menge und Zusammensetzung zu sich zu nehmen, wie das auch im Wettkampf geplant und entsprechend der Belastungsdauer und anderer Umgebungsfaktoren nötig ist. Wer das ganze Jahr über mit Wasser in der Flasche trainiert, kann nicht erwarten, dass der Magen-Darm-Trakt im Wettkampf bei zusätzlicher Nervosität mit kohlenhydrathaltigen Getränken gut zurecht kommt“, sagt Dr. Osterkamp-Baerens. Und weiter: „Bei Sportgetränken ist darauf zu achten, dass die Mischung eher isotonisch ist bzw. die glukosebasierten Anteile bei der gegebenen Trinkmenge 60–70 g pro Stunde nicht übersteigen. Das ist häufig das Problem bei Eigenmischungen. Wer Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt hat, sollte neben anderen Dingen prüfen, ob das Getränk zu viele Kohlenhydrate enthält und wie das Verhältnis zwischen Glukose und Fruktose ist.“ Als am besten verträglich haben sich Getränke mit einer Kh-Konzentration von 5 bis 8 Prozent erwiesen. Lieber, so Osterkamp, solle man die Marken durchprobieren, bis man eine passende Geschmacksrichtung und Zusammensetzung findet.

Auch die Aufnahme von größeren Kohlenhydratmengen während der Belastung kann man trainieren, um Magen-Darm-Beschwerden zu vermeiden oder um große Mengen (mehr als 90 g/h) als leistungssteigernde Maßnahme zu erreichen (2, 6). „Athleten sollten im Training testen, welche Riegel, Gele, Nahrungsmittel oder Getränke sie vertragen. Wichtig ist, möglichst reine Kohlenhydrate zu sich zu nehmen, um die Energie schnell zur Verfügung zu haben. Nüsse und Schokolade beispielsweise enthalten viel Fett und verlängern dadurch die Magenverweildauer. Auch Protein ist, außer bei ultralangen Läufen, nicht sinnvoll“, ergänzt Prof. Carlsohn. Ist die über Nahrung aufgenommene Glukose-Menge im Verhältnis zur metabolisierbaren Menge (ca. 60–72 g/h) unter Belastung konstant zu hoch (Glukoseüberhang), gelangt osmotisch bedingt mehr Wasser in den Dünndarm, was sich in Magen-Darm-Beschwerden wie Krämpfen oder Bauchgrimmen niederschlägt.

Wer „feste“ Nahrung zu sich nehmen möchte, kann statt auf Riegel auch auf Brot setzen. „Bei Problemen sollte auf Brot mit feiner Krume zurückgegriffen werden; Körner sollten nicht enthalten sein. Damit die Partikelgröße, mit der sich der Magen auseinandersetzen muss, möglichst gering ist, kann auch die Brotrinde entfernt werden. Mit wenig Butter und Honig oder auch Salz ist das eine gute Kohlenhydratquelle“, erklärt die Ökotrophologin Dr. Osterkamp-Baerens. Sie empfiehlt für empfindliche Mägen auch, Fruchtmus im Quetschbeutel (Babynahrung) zu probieren. Die Kombination aus vergleichsweise geringer Kohlenhydratmenge, flüssiger Konsistenz, nicht allzu süßem Geschmack und kurzer Magenverweildauer käme vielen Sportlern entgegen.

Etwa 1,5 bis 3 Stunden vor einer Belastung empfehlen sich ebenfalls kohlenhydratreiche, leicht verdauliche Lebensmittel wie beispielsweise über Nacht eingeweichte zarte Haferflocken oder Porridge mit klein geschnittenem oder sogar geraspeltem säurearmem Obst (z. B. Bananen, kernlose Trauben). „Die Hälfte der Milch im Müsli durch Wasser zu ersetzen, hilft bei der Verkürzung der Magenverweildauer“, ergänzt Dr. Osterkamp-Baerens.

Zeit-Mengen-Problem

Ausdauersportlern mit einem sehr langen täglichen Trainingspensum reichen häufig die trainingsfreie Zeit und der Abstand zwischen den Trainingseinheiten nicht aus, um genügend Energie zuzuführen, gibt Prof. Carlsohn zu bedenken. In diesem Fall sind viele kleine Mahlzeiten notwendig. Allerdings bleibt es dann nicht aus, dass diese Athleten mit vollem Magen trainieren müssen. Die Expertin empfiehlt daher bei wiederkehrenden Magen-Darm-Beschwerden

  • eine Abklärung beim Arzt zum Ausschluss anderer Erkrankungen,
  • eine gezielte Ernährungsanamnese, um eventuelle Zusammenhänge mit bestimmten Lebensmitteln oder den Pausenzeiten zwischen Training und Mahlzeit zu erkennen,
  • die Wahl individuell verträglicher Speisen sowie
  • die Aufnahme moderater Mengen.

Athleten, die trotz verschiedener Versuche keine Besserung erreichen, sollten eine individuelle Ernährungsberatung in Anspruch nehmen. „Viele Sportler investieren so viel Zeit und Leidenschaft in ihren Sport, vernachlässigen aber die Ernährung. Dabei kann ein Trainingsplan durch Ernährung optimal unterstützt werden“, gibt Dr. Osterkamp-Baerens zu bedenken. Bei einer Beratung ist Platz für alle Fragen wie z. B. „Wie viel wovon soll/kann/darf ich wann essen?“, „Was mache ich bei sehr spätem Training, was, wenn die Belastung sehr früh am Morgen stattfindet?“, „Worauf ist in gewichtssensiblen Sportarten zu achten?“ und natürlich, „Wie werde ich meine Magen-Darm-Beschwerden in Training und Wettkampf los?“.

Prof. Dr. Anja Carlsohn, Ernährungswissenschaftlerin
Prof. Dr. Anja Carlsohn, Ernährungswissenschaftlerin vom Department für Ökotrophologie an der HAW Hamburg. © Carlson

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Carlsohn A. Recent Nutritional Guidelines for Endurance Athletes. Dtsch Z Sportmed. 2016; 67: 7-12. doi:10.5960/dzsm.2015.193

  2. Jeukendrup AE. Training the Gut for Athletes. Sports Med. 2017; 47 (Suppl 1): 101-110. doi:10.1007/s40279-017-0690-6

  3. Jeukendrup AE, McLaughlin J. Carbohydrate ingestion during exercise: effects on performance, training adaptations and trainability of the gut. Nestle Nutr Inst Workshop Ser. 2011; 69: 1-12. doi:10.1159/000329268

  4. Pöchmüller M, Schwingshackl L, Colombani PC, Hoffmann G. A systematic review and meta-analysis of carbohydrate benefits associated with randomized controlled competition-based performance trials. J Int Soc Sports Nutr. 2016; 13: 27. doi:10.1186/s12970-016-0139-6

  5. Thomas DT, Erdman KA, Burke LM. American College of Sports Medicine Joint Position Statement. Nutrition and Athletic Performance. Med Sci Sports Exerc. 2016; 48: 543-568. doi:10.1249/MSS.0000000000000852 Erratum in: Med Sci Sports Exerc. 2017; 49: 222

  6. Viribay A, Arribalzaga S, Mielgo-Ayuso J, Castañeda-Babarro A, Seco-Calvo J, Urdampilleta A. Effects of 120 g/h of Carbohydrates Intake during a Mountain Marathon on Exercise-Induced Muscle Damage in Elite Runners. Nutrients. 2020; 12:1367. doi:10.3390/nu12051367