Krafttraining bei Gonarthrose: moderat reicht völlig

Krafttraining bei Gonarthrose: moderat reicht völlig
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Gonarthrose-Patienten legt man im Normalfall nahe, den Muskel- und Bandapparat ums Knie konsequent mit einem speziellen Krafttraining zu stärken. Die dahinter liegende Logik ist klar: Ein angegriffenes Gelenk, das sich auf umgebende Stützstrukturen verlassen kann, muss Stöße nicht mehr selbst abpuffern und wird so entlastet. Dieser Empfehlung folgen nicht nur die meisten Sportmediziner und Physiotherapeuten, sondern auch führende Fachgesellschaften. Für optimale Ergebnisse setzt man bisweilen auf intensives Krafttraining. Ob dieser auf maximalen Kraftgewinn ausgerichtete Ansatz einem normal intensiven Training tatsächlich überlegen und auch sicher ist, hat nun eine Gruppe von Wissenschaftlern an der US-amerikanischen Wake Forest University in einer randomisierten Studie untersucht.

Die Studienautoren rekrutierten zunächst 377 Patienten mit länger bestehenden Knieschmerzen im Durchschnittsalter von 65 Jahren (davon 40 Prozent Frauen) und BMIs zwischen 20 und 45. Einschlusskriterium war eine durch Röntgenuntersuchung bestätigte Gonarthrose vom Kellgren-Lawrence-Grad 2 oder 3.

Nach zufälliger Einteilung in drei Gruppen folgten die Probanden 18 Monate lang unter professioneller Leitung einem vorgegebenen Schema:

  • dreimal wöchentlich 1h spezielles Knie-Krafttraining mit hoher Intensität (n=127)
  • dreimal wöchentlich 1h spezielles Knie-Krafttraining mit moderater/niedriger Intensität (n=126)
  • regelmäßiger Besuch von Workshops zum Thema Kniegesundheit ohne Training (n=124)

Das gerätegestützte Training bestand jeweils aus Beinpresse, Wadenheber, Übungen zur Kräftigung der Hüft-Adduktoren und -Abduktoren sowie Anziehen und Strecken der Beine. Begleitend wurden auch Brust, Rücken und Bauchbereich trainiert.

In den beiden Interventionsgruppen, die ja gleich oft und gleich lang trainierten, bestand der Unterschied nur in den angelegten Gewichten: Die Hochintensiv-Trainingsgruppe startete mit einem Kraftwert RM von 75 Prozent, d. h. drei Viertel des Gewichts, das von der Person maximal gestemmt werden kann (1RM = Repetition Maximum) und steigerte sich im Follow-up-Zeitraum auf bis zu 90 Prozent. Die moderat trainierende Gruppe steigerte das Training auf lediglich 1RM = 40 Prozent.

Als Outcome-Messskala diente der WOMAC-(Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis)-Index, der u. a. Osteoarthritis-Schmerzen auf einer Skala von 0 bis 20 kategorisiert, wobei 20 größtmögliche Schmerzen anzeigt und mindestens 2 Punkte Unterschied für klinische Signifikanz erforderlich sind. Gleichzeitig maßen die Biomechaniker die Kompressionskräfte am Kniegelenk während des Gehens.

Moderates oder hochintensives Knie-Krafttraining?

Nach Ablauf von 18 Monaten (320 Probanden hatten bis zum Ende mitgemacht) standen die Wissenschaftler vor überraschenden Ergebnissen:

Intensivtrainings-Gruppe
moderate Trainingsgruppe
Kontrollgruppe
Schmerzwerte nach 18 Monaten
5,1
4,4
4,9
Weite Gelenkspalt zu Trainingsbeginn
3,1 mm
3,0 mm
3,0 mm
Weite Gelenkspalt nach 18 Monaten
2,9 mm
2,8 mm
2,8 mm
Kompressionskräfte am Kniegelenk nach 18 Monaten
2453 N
2475 N
2512 N
Unerwünschte Nebeneffekte (nicht schwerwiegend)
in 53 Fällen
in 30 Fällen
in 4 Fällen
Klinisch relevante Verbesserung nach OMERACT-OARSI-Kriterien (d.h. um >20%)
45%
56%
60%
Schmerzmittelgebrauch
kein Unterschied

Fazit: Die Ergebnisse dieser Studie finden keine Berechtigung für hochintensives Knie-Krafttraining bei Gonarthrose. Im Gegenteil profitierten die Probanden von moderatem Training etwas mehr bei größerer Sicherheit fürs Gelenk. Dass auch die nicht trainierende Kontrollgruppe gute Outcomes erzielte, führen die Autoren auf einen gewissen Placebo-Effekt im Gruppensetting zurück. Da andererseits keines der Trainings in der Lage war, das Fortschreiten der Gelenkdegeneration merklich aufzuhalten oder Arthroseschmerzen signifikant zu verbessern, sollten künftige Studien noch weitere Ansätze auf den Prüfstand stellen.

■ Kura L

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Quellen:

  1. Messier SP, Mihalko SL, Beavers DP, et al. Effect of High-Intensity Strength Training on Knee Pain and Knee Joint Compressive Forces Among Adults With Knee Osteoarthritis: The START Randomized Clinical Trial. JAMA. 2021; 325: 646-657. doi:10.1001/jama.2021.0411