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Fortsetzung Definierte Muskeln: Zur Bedeutung von Krafttraining für die Gesundheit

Die Muskulatur als sekretorisches Organ

Eine der großen Erkenntnisse der vergangenen Jahrzehnte ist die Funktion der Muskulatur als endokrines Organ. Ebenso wie für das einst inert geglaubte Fettgewebe sekretorische Funktionen – meist proinflammatorischer Art – nachgewiesen wurden, konnte seit Beginn des Jahrtausends Ähnliches für die Muskulatur gezeigt werden. Der große Unterschied besteht jedoch in der gesundheitsförderlichen Wirkung, welche das Muskelgewebe inne hat. Muskelzellen haben eine hohe sekretorische Kapazität. Über 100 verschiedene Faktoren wurden bereits identifiziert. Man nennt sie, in Anlehnung an das sekretorische Organ, aus dem sie stammen, Myokine (3). Die Entdeckung dieser Moleküle wirft ein neues Licht auf das Muskelsystem und besonders auf die Bedeutung von körperlicher Aktivität, Bewegung und Krafttraining für die Gesundheit. Im Fall des zuerst entdeckten und am besten untersuchten Myokins Interleukin 6 (IL-6) weiß man, dass die sekretierte Menge im Verhältnis zur vorhandenen Muskelmasse während des Trainings ansteigt. IL-6 ist involviert in die Fettoxidation und die insulinvermittelte Glukoseaufnahme.

»Die Wissenschaft«, so erklärt Prof. Mark Febbraio, Leiter der Abteilung Diabetes and Metabolism am Garvan Institute of Medical Research im australischen Darlinghurst, »fokussiert sich darauf, was die unterschiedlichen Myokine in den Zielgeweben bewirken. Diese Wirkungen sind vielfältig. Von einigen wissen wir, dass sie auf die Entstehung von Depressionen einen Einfluss haben, andere modulieren die Entstehung und Umwandlung von braunem und weißem Fettgewebe. Meine Arbeitsgruppe befasst sich einerseits damit, das gesamte Myokinom zu entschlüsseln, und andererseits mit einem bestimmten Molekül, das möglicherweise die Entstehung von Brustkrebs anhalten oder verlangsamen kann.«

Lasst die Muskeln spielen!

Die schützende und protektive Wirkung von Sport und körperlicher Aktivität auf viele Erkrankungen ist inzwischen häufig gezeigt worden. Myokine scheinen die Antreiber hinter diesen Effekten zu sein, indem sie unter anderem den schädigenden proinflammatorischen Effekten der Adipokine entgegenwirken und selbst schützende Vorgänge anregen. Schon kurze Perioden körperlicher Inaktivität führen zu Stoffwechselverschiebungen wie beispielsweise verringerte Insulinsensitivität, Abschwächung des postprandialen Lipidmetabolismus und natürlich Verlust an Muskelmasse und Zunahme an viszeralem Fettgewebe. Krankheiten wie Diabetes Typ 2, kardiovaskulären Erkrankungen, Darmkrebs, postmenopausalem Brustkrebs und Osteoporose kann durch Sport in gewissem Umfang vorgebeugt werden.

Immer eindrucksvoller wird in diesem Zusammenhang der Muskel als aktives Organ. Dank neuer oder wiederbelebter Methoden des Krafttrainings, z. B. mit dem eigenen Körpergewicht, im Rahmen der CrossFit-Bewegung oder dank attraktiver Kurse in Fitnessstudios verliert das Krafttraining den ihm lange Zeit anhaftenden Muff von vor Testosteron strotzenden Bodybuildern in der Freihantel-Ecke der Muckibude. Und das ist gut so, denn jedermann und jederfrau sollte zum eigenen Wohle regelmäßig die Muskeln spielen lassen.

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Frontera WR, Bigard X. The benefits of strength training in the elderly. Science & Sports. 2002; 17: 109-116. doi:10.1016/S0765-1597(02)00135-1

  2. Granacher U, Kriemler S, Gollhofer A, Zahner L. Neuromuskuläre Auswirkungen von Krafttraining im Kindes- und Jugendalter: Hinweise für die Trainingspraxis. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin. 2009; 60: 41-49.

  3. Pedersen BK, Febbraio MA. Muscles, exercise and obesity: skeletal muscle as a secretary organ. Nat Rev Endocrinol. 2012; 8: 457-465. doi:10.1038/nrendo.2012.49

  4. Ruiz JR, Sui X, Lobelo F, Morrow JR Jr, Jackson AW, Sjöström M, Blair SN. Association between muscular strength and mortality in men: prospective cohort study. BMJ. 2008; 337: a439. 10.1136/bmj.a439

  5. Yates T, Zaccardi F, Dhalwani NN, Davies MJ, Bakrania K, Celis-Morales CA, Gill JMR, Franks PW, Khunti K. Association of walking pace and handgrip strength with all-cause, cardiovascular, and cancer mortality: a UK Biobank observational study. Eur Heart J. 2017; 38: 3232-3240. doi:10.1093/eurheartj/ehx449