COPD und Sport: wichtig ist die nachhaltige körperliche Aktivierung

COPD und Sport: wichtig ist die nachhaltige körperliche Aktivierung
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Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (engl. chronic obstructive pulmonary disease, kurz COPD) ist zu einer häufigen Erkrankung unter Erwachsenen geworden. Die 12-Monats-Prävalenz in Deutschland liegt bei 5,8 Prozent (1). Neben Medikamenten und – falls nötig – Tabakentwöhnung, gehört zu den Hauptsäulen der Behandlung auch körperliche Aktivität. Treiben COPD-Patienten Sport, schreitet die Erkrankung langsamer voran und die Lebensqualität verbessert sich (1, 6).

Auch neueste Studien legen nahe, dass sich unterschiedliche Sportarten als Bestandteil der nicht-medikamentösen COPD-Therapie eignen (3, 4). Prof. Dr. Rembert Koczulla, Chefarzt des Fachzentrums für Pneumologie der Schön Klinik Berchtesgadener Land und Inhaber der einzigen W3-Professur für pneumologische Rehabilitation, drückt es so aus: „Der beste Sport ist der, den man aktiv ausübt!“ Auch eine soeben publizierte norddeutsche Studie gibt Hinweise darauf, dass ein Nachsorgekonzept mit Bewegungstagebüchern dazu beiträgt, dass COPD-Patienten auch nach Rehabilitationsmaßnahmen dranbleiben und Sport in ihren Alltag integrieren (4).

Fahrradergometer als praxiserprobte Sportmöglichkeit

Die gültige Versorgungsleitlinie weist darauf hin, dass praktisch jede Art von körperlichem Training die Selbstständigkeit und Lebensqualität von COPD-Patienten verbessern kann (1). Ideal ist ein Ganzkörpertraining – mit Ausnahme von möglicherweise Atemnot induzierenden Sportarten wie Fußball, Tennis oder Bergwandern. Doch auch nicht oder wenig mobile Patienten können trainieren; dann eben zuhause, am besten unter fachkundiger Anleitung. Eine praxiserprobte Möglichkeit für Sport zuhause ist das Fahrradergometer, das bereits in einigen Studien positive Auswirkungen auf den COPD-Verlauf erkennen ließ (3).

In China haben jetzt Wissenschaftler diese Effekte mit jenen der Atem-, Bewegungs- und Meditationsübungen des Qi Gong verglichen (3). Sie rekrutierten 26 COPD-Patienten (GOLD-Stadien I, II, III) im Alter zwischen 40 und 75 Jahren. Die Hälfte der Probanden trainierte drei Monate lang je zweimal wöchentlich 30 Minuten lang Qi Gong; zu Beginn wurden alle entsprechend geschult. Die andere Gruppe trainierte ebenfalls zweimal pro Woche je 30 Minuten, allerdings auf dem Fahrradergometer. In jeder Gruppe gab es drei Drop-outs. Alle verbliebenen Teilnehmer profitierten vom Training, sowohl in Bezug auf das Voranschreiten der COPD-Symptome als auch in puncto wahrgenommener Lebensqualität und körperlicher Belastbarkeit (gemessen anhand der zurückgelegten Sechs-Minuten-Gehstrecke). Beide Interventionen steigerten sowohl die körperliche Belastbarkeit als auch die Lebensqualität. Das Fahrradergometer-Training reduzierte jedoch zudem den Symptom-Schweregrad.

Das Ergometertraining sollte nach Möglichkeit nicht die einzige Art der Bewegung bleiben, gibt Prof. Koczulla zu bedenken. „Trainieren und ins Leben zurückkehren ist das Ziel – nicht, auf dem Ergometer zu trainieren und daheim zu bleiben.“ Die Teilhabe am Arbeitsmarkt und am gesellschaftlichen Leben ist jedoch mit fortgeschrittener COPD schwer zu erhalten bzw. wiederzuerlangen.

Prof. Dr. Rembert Koczulla
Prof. Dr. Rembert Koczulla, Chefarzt des Fachzentrum für Pneumologie der Schön Klinik Berchtesgadener Land. © Koczulla

Nachsorgekonzept  „Neues Credo“ für mehr Adhärenz

Kann ein die COPD-Rehabilitationsmaßnahmen ergänzendes Nachsorgekonzept, das Patienten motiviert und kontinuierlich in Bewegung hält, die Teilhabe langfristig verbessern? Um diese Frage zu beantworten, rekrutierte ein Team des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck sowie der Nordseeklinik Westfalen zwischen 2018 und 2019 an COPD erkrankte Rehabilitanden (die Mehrzahl in den GOLD-Stadien II und III). 293 von ihnen waren bis zum Follow-up 12 Monate nach Ende der Reha dabei. Ihre Sportarten wählten sie selbst.

Das Ergebnis: Zwar hatte die Interventionsgruppe (n = 149), deren Rehabilitation das Nachsorgekonzept „Neues Credo“ beinhaltete, 12 Monate nach Ende der Rehabilitationsmaßnahme keine Vorteile in Bezug auf die Teilhabe. Sie konnten jedoch im Vergleich zur Kontrollgruppe mit üblichem Reha-Konzept (n = 144) ihre subjektiven Reha-Ziele zur körperlichen Aktivität erreichen (69 Prozent vs. 34 Prozent der Kontrollgruppe). Außerdem blieben die in der Reha erzielten gesundheitlichen Verbesserungen länger erhalten als in der Kontrollgruppe (4).

Das Konzept „Neues Credo“ wurde von Prof. Dr. Ruth Deck, Leiterin des Fachbereichs Rehabilitation am Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck, und ihrem Team bereits in den Jahren 2005 bis 2007 entwickelt und ab 2008 in mehreren Studien mit unterschiedlichen Indikationen (Orthopädie, Psychosomatik, Kardiologie) evaluiert, jeweils mit beachtlichen Langzeiteffekten. Die Rehabilitanden lernen, sich für die Zeit nach der Reha Ziele zu setzen und Strategien zu deren Erreichung zu entwickeln. Dabei helfen Beobachtungshefte, Bewegungstagebücher und der Kontakt zu einem Nachsorgebeauftragten (2).

Prof. Deck, Co-Autorin der oben erwähnten Studie und Doktormutter der Erstautorin Stella T. Eusterbrock, erklärt, wie das „Neue Credo“ die Adhärenz fördert: „Mit Bezug auf Motivation und Adhärenz dürften Selbst- und Fremdkontrolle eine zentrale Rolle spielen. Zum einen sehen die Patienten anhand ihrer Eintragungen in den Bewegungstagebüchern, ob sie ihren Vorsätzen noch treu geblieben sind, zum anderen wissen sie, dass die Aufzeichnungen von den Nachsorgebeauftragten eingesehen werden. Das spornt natürlich an.“ Auch der anhaltende Kontakt mit den Nachsorgebeauftragten sei ein Anreiz für die Teilnehmer an, ihre Ziele weiter zu verfolgen. Die Bewegungstagebücher empfanden 88 Prozent als hilfreich; 75 Prozent bewerteten sie als gut oder sehr gut (4).

Auch die Kontrollgruppe hatte nach der Reha ihre sportliche Aktivität aufrechterhalten. Doch die Interventionsgruppe betrieb 12 Monate nach Ende der Reha signifikant häufiger Ausdauersport, trainierte öfter im Verein und hatte das Ausmaß der Bewegung in stärkerem Umfang als die Kontrollgruppe gesteigert. Decks Fazit: „Man kann einen Vorteil für die Interventionsgruppe auf deskriptiver Ebene konstatieren: leichte Verbesserung oder Stabilität in den verschiedenen Outcomes, während sich die Kontrollgruppe in den meisten Parametern verschlechtert hat.“

Prof. Dr. Ruth Deck, Leiterin des Fachbereichs Rehabilitation am Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck
Prof. Dr. Ruth Deck, Leiterin des Fachbereichs Rehabilitation am Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck. © Deck

Konzepte speziell für schwer COPD-Betroffene

Konzepte, die zur Bewegung anregen und in Bewegung halten, findet auch Prof. Koczulla prinzipiell vielversprechend. Auch nach seiner Beobachtung kommen diverse Aktivitäten für Menschen mit COPD infrage. „Wer Outdooraktivitäten mag, dem empfehle ich Outdoor“, sagt Prof. Koczulla – je nach Gusto und Fitness in Form von Joggen, Nordic Walking, mit dem E-Bike oder auf Spaziergängen. Ist das nicht möglich, sollen Ausdauer und Kraft eben daheim aufgebaut werden; dazu eigne sich sogar Treppensteigen: „Treppensteigen trainiert Ausdauer und Kraft, und Krafttraining wirkt dem osteopenischen Problem entgegen, das aufgrund der Krankheit, des Bewegungsmangels und der Medikamente bei COPD verstärkt vorhanden ist. In Bewegung signalisieren wir dem Knochen über den Muskel, Kalzium einzubauen. Wir verbessern die Konstitution, und je besser Konstitution und Muskelmasse, desto länger das Überleben (6).“

Speziell für Menschen in späteren COPD-Stadien oder Patienten nach Exazerbationen gilt: Ihre Angst vor Bewegung, die mit der Erfahrung von Luftnot einhergeht, ist ernst zu nehmen. Prof. Koczulla wünscht sich deshalb Therapiekonzepte, die diese Angst ebenso berücksichtigen wie somatische Beschwerden und die medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien ineinander verzahnen. Er verdeutlicht: „Es geht darum: Wo steht der Mensch, wo holen wir ihn ab?“ Einen Schwerkranken zu Bewegung zu überreden, kann seiner Erfahrung nach mit folgenden Fragen anfangen: „Was können Sie, was wünschen Sie sich? Kommen Sie vom Bett zum Stuhl? Nein? Wollen Sie das wieder können?“ Wer dann leuchtende Augen bekomme, den könne der Therapeut behutsam motivieren. „Wir müssen realistische Ziele definieren. Langsam anfangen, langsam steigern. Zehn Minuten am Tag wären gut, ansonsten so viel eben geht. Wenn es unter der Woche nicht klappt, können Sie am Wochenende Übungen nachholen.“ Auf diese Weise erreichen viele Patienten kleine Ziele – und oft auch größere.

Neue Angebote für Patienten

Der Pneumologe betont, dass es in Bezug auf Trainings für COPD-Patienten kein einheitliches Programm für alle geben kann. Denn die Betroffenen differieren nicht nur in Bezug auf Alter, Krankheitsstadium und Komorbiditäten, sondern auch die Genetik spielt eine Rolle. „Patienten mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel bekommen genetisch bedingt früh eine COPD mit Lungenemphysem“, informiert er – und dies selbst ohne Nikotinkonsum oder Berufen, die die Lunge belasten. Auch unterscheidet sich ihr Muskelprofil von dem anderer COPD-Patienten (5). Solche Faktoren sollten künftig in Sport-Empfehlungen integriert werden. Weiteres Potenzial für mehr Adhärenz und regelmäßigere Aktivität sieht er in möglichst konkreten Trainingsplänen, die Patienten motivieren und auch in schwierigen Phasen aktiv erhalten.

Die Geschichte des Nachsorgekonzepts „Neues Credo“ geht derweil weiter. Derzeit wird es nicht als reguläres Nachsorgeprogramm durch die Kostenträger angeboten. Reha-Einrichtungen haben jedoch die Möglichkeit, es eigeninitiativ zu nutzen. Alle erforderlichen Materialien stehen kostenfrei zur Verfügung. Prof. Deck informiert: „Aktuell führen wir ein Forschungsprojekt durch, in dem das Neue Credo auf eine Smartphone-App übertragen wird. Gerade für jüngere Rehabilitanden ist das vermutlich eine attraktive Alternative.“

■ Plaum P

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Quellen:

  1. Bundesärztekammer, AWMF, KBV (Hg.): Nationale VersorgungsLeitlinie COPD Langfassung, Teilpublikation 2. Auflage, 2020.

  2. Deck R, Hüppe A, Arlt AC. Optimierung der Rehabilitationsnachsorge durch eine längerfristige Begleitung der Rehabilitanden – Ergebnisse einer Pilotstudie. Rehabilitation 2009; 48: 39-46. doi:10.1055/s-0028-1105915

  3. Dong X, Wang X, Jia N, Chen X, Ding M. A comparison between Qigong exercise and cycle ergometer exercise for the rehabilitation of chronic obstructive pulmonary disease: A pilot randomized controlled trial (CONSORT). Medicine (Baltimore). 2021; 100: e26010. doi:10.1097/MD.0000000000026010

  4. Eusterbrock ST, Jochheim RJ, Badke M, Deck R. Effekte einer begleiteten Nachsorge in der Post-Reha-Phase bei COPD-Patienten: eine kontrollierte Studie. Pneumologie. 2021. doi:10.1055/a-1507-9057

  5. Jarosch I, Gehlert S, Jacko D, Koczulla RA, Wencker M, Welte T, Bloch W, Janciauskiene S, Kenn K. Different Training-Induced Skeletal Muscle Adaptations in COPD Patients with and without Alpha-1 Antitrypsin Deficiency. Respiration. 2016; 92: 339-347. doi:10.1159/000449509

  6. Waschki B, Spruit MA, Watz H, et al. Physical activity monitoring in COPD: compliance and associations with clinical characteristics in a multicenter study. Respir Med. 2012; 106: 522-530. doi:10.1016/j.rmed.2011.10.022