Hypoxietraining – nicht nur im Leistungssport eine Option

Hypoxietraining – nicht nur im Leistungssport eine Option
© Maridav/fotolia

In den meisten Sportarten sind die Trainingsumfänge und -intensitäten bereits so hoch, dass an dieser Stellschraube kaum mehr gedreht werden kann, um weitere Leistungssteigerungen zu erzielen. Doch selbstverständlich suchen Betreuer und Athleten nach Möglichkeiten, die Leistung (legal) um die entscheidenden Hundertstel, Zentimeter oder Bewertungspunkte zu verbessern. Hypoxietraining bietet sich hierfür als ein möglicher Weg an.

Klassisches Höhentraining steigert Hämoglobinmasse

Seit etwa vier Jahrzehnten wird – vor allem im Ausdauersportbereich – Höhentraining genutzt. Drei bis vier Wochen Aufenthalt unter reduzierter Sauerstoffverfügbarkeit (Hypoxie) in gemäßigten Höhen zwischen 2 000 und 2 500 Meter bewirkt eine Reihe von Anpassungen. Anerkannt und nachgewiesen ist, dass durch die Hypoxie die Erythropoese stimuliert wird. Durch die erhöhte Zahl an Erythrozyten erhöht sich die Sauerstoffkazapzität im Blut und die Muskulatur kann besser mit Sauerstoff versorgt werden. Im Durchschnitt steigt die Hämoglobinmasse um ein Prozent pro 100 Stunden in moderater Hypoxie, nach einem Höhentrainingslager folglich um etwa fünf Prozent. »Die Logik lässt vermuten, dass durch diese Bedingungen auch die Leistung verbessert sein sollte, doch dafür gibt es in der Literatur noch immer keine absolut eindeutigen Belege«, erklärt Prof. Walter Schmidt, Leiter der Abteilung Sportmedizin/Sportphysiologie an der Universität Bayreuth.

Da Athleten sich solchen Strapazen – großer Zeitaufwand, geringere Trainingsintensität in der Höhe, über etwa zwei bis drei Wochen nach Rückkehr ins Flachland teilweise sogar geringere Leistungsfähigkeit – nicht grundlos aussetzen, scheint es zumindest bei einem Teil der Sportler die gewünschten Wirkungen zu zeigen. Eine allgemeine Empfehlung für das Leben und Training in der Höhe, das so genannte Live High – Train High (LH-TH), lautet, gesunde und austrainierte Sportler begeben sich drei bis vier Wochen auf eine Höhe von 2000 bis 2500 m. Die Reaktionen darauf sind jedoch ausgesprochen individuell und reichen von keiner Steigerung der Hämoglobinmasse bei Non-Respondern bis zu zehn Prozent. Welche genetischen und physiologischen Ursachen dafür verantwortlich sind, ist bislang nicht bekannt. Um die genannten Nachteile des LH-TH zu verringern und dennoch von den günstigen Effekten der Hypoxie profitieren zu können, wurden bereits seit den 1990er- Jahren neue Trainingskonzepte ausgetüftelt (siehe Tabelle unten) (6).

Bild Walter Schmidt
Prof. Walter Schmidt, Leiter der Abteilung Sportmedizin/ Sportphysiologie an der Universität Bayreuth © Schmidt
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Live High – Train Low

Beim LH-TL-Konzept leben Athleten für einen Zeitraum von drei bis vier Wochen entweder in der Höhe unter natürlicher Hypoxie oder in speziellen Häusern, die künstlich hypoxisch gehalten werden. In Peking, Tokio, Doha und Canberra beispielsweise gibt es solche Einrichtungen. Die Athleten verbringen mindestens 12 Stunden pro Tag in Hypoxie, trainieren aber unter normoxischen Bedingungen. Ein Vorteil von LH-TL ist, dass die absolute Trainingsintensität nicht reduziert werden muss, wie das bei LH-TH der Fall ist. Der Sportler profitiert also von Hypoxieeffekten in Ruhe plus hoher Trainingsintensität. Die Hämoglobinmasse steigt in ähnlichem Maße wie bei LH-TH. Interessant sind die Ergebnisse einer Metaanalyse (2), die zeigte, dass es einen Unterschied macht, ob unter natürlicher Hypoxie (also hypobarer Hypoxie mit vermindertem Sauerstoffpartialdruck) oder unter künstlicher Hypoxie gelebt wird. In letzterem Fall wird die verringerte Sauerstoff- verfügbarkeit durch eine »Verdünnung« der Luft mit Stickstoff, aber bei gleichbleibendem Partialdruck erreicht. Unter hypobarer Hypoxie lag die Leistungssteigerung bei Eliteathleten bei vier Prozent, bei normobarer Hypoxie nur bei 0,6–1,4 Prozent.

Train-High-Konzepte zeigen kaum Effekte

Ein weiteres Konzept des Hypoxietrainings ist das Live Low – Train High. Dafür gibt es unterschiedliche Protokolle, die, grob gesagt, auf die Anforderungen der jeweiligen Sportart abgestimmt sind. Beliebt ist diese Trainingsform, weil sie relativ zeitsparend (ohne wochenlange Trainingslager) und kostengünstig (Training z. B. mit Masken oder in einzelnen im Sauerstoffgehalt regulierbaren Räumen) stattfinden kann.

Man unterscheidet

a) kontinuierliches hypoxisches Training, bei dem zwischen 20 und 90 Minuten submaximal trainiert wird,

b) Intervalltraining unter Hypoxie, bei dem intensive Einheiten von 30 Sekunden bis fünf Minuten mit mehr als 70 Prozent der VO2max durchgeführt werden,

c) wiederholtes Sprinttraining, bei dem sehr kurze (fünf bis 30 Sekunden), aber hochintensive Belastungen mit unvollständigen Erholungszeiten kombiniert werden,

d) Krafttraining unter Hypoxie und

e) intermittierendes Hypoxietraining, bei dem in Ruhe einige Minuten der Hypoxie mit Normoxie über einen Zeitraum bis zu mehreren Stunden abwechseln.

 

Bild Varianten Hypoxietraining
Kontinuierliches hypoxisches Training, IHT: Intervalltraining unter Hypoxie, RSH: Wiederholtes Sprinttraining, RTH: Krafttraining unter Hypoxie © DZSM 2018

Für die Trainingsregimes a), b), d) und e) konnte bislang keine überzeugende Evidenz gefunden werden. Die Leistung wird durch diese Art des Trainings nicht oder nur sehr gering positiv beeinflusst. Etwas besser sieht es aus, wenn das Hypoxietraining mit intensivem Normoxietraining kombiniert wird. »Nach der aktuellen Literaturlage scheint das repetitive Sprinttraining besonders für sprintintensive Mannschaftssportarten interessant zu sein. Hierfür zeigen Studien eine Verbesserung der maximalen Sprintleistung ähnlich einem Sprinttraining unter Normoxie. Doch die Ermüdungsresistenz ist im Gegensatz deutlich verbessert«, erklärt Prof. Schmidt. Die physiologischen Zusammenhänge sind noch nicht ausreichend verstanden. Bekannt ist, dass eine Reihe molekularer Adaptationen stattfindet. So ändert sich die Expression relevanter Gene für den Sauerstofftransport, den Kohlenhydratstoffwechsel, die Biogenese von Mitochondrien, die Regulation von pH-Wert und oxidativem Stress sowie die Struktur der Sarkomere im Muskel. Doch solche Veränderungen lassen keine direkten Rückschlüsse auf die Leistungsverbesserung zu.

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Hypoxietraining abseits des Leistungssports

Während verschiedene Formen des Hypoxietrainings bei austrainierten Spitzenathleten offenbar nicht die erhofften Effekte oder diese nicht in der erhofften Deutlichkeit bringen, können kranke Menschen profitieren. Verschiedene Wissenschaftler beschäftigen sich mit der Frage, ob und wie Hypoxietraining bei multimorbiden Patienten über 60 Jahre eingesetzt werden kann. Genutzt wird hierbei die Tatsache, dass in Hypoxie die mechanische Leistung, die notwendig ist, um die Zielherzfrequenz zu erreichen, deutlich niedriger ist als unter normoxischen Bedingungen. Auf diese Weise – so die Hypothese – können auch Patienten mit kardiopulmonären Problemen, z. B. bei COPD, oder Patienten mit Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates ein wirksamen Herz-Kreislauf-Training durchführen. Gezeigt haben das Stephan Pramsohler und Kollegen an 40 multimorbiden, über 65-jährigen Patienten, die sieben Einheiten von 30 Minuten auf einem Laufband absolvierten. Die eine Hälfte der Gruppe trainierte unter normoxi­schen Bedingungen, die andere Hälfte mit 15,3 Prozent Sauerstoff in der Atemluft. Die Zielherzfrequenz von 80 Prozent der VO2max wurde in der Hypoxie-Gruppe mit 28 Prozent geringerer Belastung erreicht als bei den Kontrollen (5).

Weitere interessante Beobachtungen machten Ulrike Bayer (1) und Kollegen an 34 Patienten im Alter zwischen 64 und 92 Jahren. Die Patienten absolvierten in Ergänzung zu einem multimodalen Training ein intermittierendes hypoxisch-hyperoxisches Training (IHHT). Im Gegensatz zur Kontrollgruppe, die ergänzend Umgebungsluft atmete, verbesserten sich bei der IHHT-Gruppe kognitive Funktionen. Eine weitere Studie (3) untersuchte die körperliche Belastungstoleranz von Patienten mit koronarer Herzkrankheit. Erhöhte körperliche Belastbarkeit verringert bekanntermaßen die Mortalität bei solchen Patienten. Die Hypoxie-Gruppe erhielt in Ruhe über drei Wochen 15 Einheiten wechselnder Phasen von Hypoxie (14–10 Prozent Sauerstoff) und Normoxie, während die Kontrollgruppe nur normoxi­sche Luft atmete. Vor und nach der Intervention wurden Belastungstests durchgeführt. In der Hypoxie-Gruppe waren Herzfrequenz, systolischer Blutdruck, Laktatkonzentration und das Maß der empfundenen Anstrengung geringer als in der Kon­trollgruppe.

Hyperoxietraining – nicht weniger, sondern mehr Sauerstoff soll es richten

Im Leistungssport hat Hypoxietraining bereits einen festen Platz. Da die Reaktionen auf die Hypoxie von Athlet zu Athlet unterschiedlich sind, kann es für einige Athleten zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit sinnvoll sein, verschiedene Formen des Hypoxietrainings in die Wettkampfvorbereitung zu integrieren. Anderen Athleten bringt es keine Vorteile. Neuere Strategien gehen den gegenteiligen Weg und propagieren das Training unter hyperoxischen Bedingungen. Während der Hyperoxie ist sowohl die Time Trial Performance als auch die Dauer bis zur Erschöpfung deutlich verbessert. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Leistungsfähigkeit bei einer nachfolgenden normoxischen Belastung ebenfalls verbessert ist (4). Doch auch hier ist die individuelle Reaktion auf ein Mehr an Sauerstoff zu berücksichtigen und es sind noch mehr Daten notwendig. Für die Bewegungstherapie multimorbider älterer Menschen könnte Hypoxietraining eine sinnvolle Ergänzung sein.

Hutterer C

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Quellen:

  1. Bayer U, Likar R, Pinter G, Stettner H, Demschar S, Trummer B, Neuwersch S, Glazachev O, Burtscher M. Intermittent hypoxic-hyperoxic training on cognitive performance in geriatric patients. Alzheimers Dement (N Y). 2017; 3: 114-122. doi: 10.1016/j.trci.2017.01.002

  2. Bonetti DL, Hopkins WG. Sea-level exercise performance following adaptation to hypoxia: a meta-analysis. Sports Med. 2009; 39: 107-127. doi: 10.2165/00007256-200939020-00002

  3. Burtscher M, Pachinger O, Ehrenbourg I, Mitterbauer G, Faulhaber M, Pühringer R, Tkatchouk E. Intermittent hypoxia increases exercise tolerance in elderly men withand without coronary artery disease. Int J Cardiol. 2004; 96: 247-54. doi: 10.1016/j.ijcard.2003.07.021

  4. Mallette MM, Stewart DG, Cheung SS. The Effects of Hyperoxia on Sea-Level Exercise Performance, Training, and Recovery: A Meta-Analysis. Sports Med. 2018; 48: 153-175. doi: 10.1007/s40279-017-0791-2

  5. Pramsohler S, Burtscher M, Faulhaber M, Gatterer H, Rausch L, Eliasson A, Netzer NC. Endurance Training in Normobaric Hypoxia Imposes Less Physical Stress for Geriatric Rehabilitation. Front Physiol. 2017; 8: 514. doi: 10.3389/fphys.2017.00514

  6. Schmidt W. Training unter artifizieller Hypoxie. Bundesinstitut für Sportwissenschaft. In: BISp-Jahrbuch; Forschungsförderung 2015/16. Hellenthal. Sportverlag Strauß. 2016: 41-45.