Vorhofflimmern – Warum Ausdauersportler häufiger betroffen sind

Vorhofflimmern – Warum Ausdauersportler häufiger betroffen sind
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Die positiven Wirkungen von Ausdauersport sind enorm, unter anderem hinsichtlich Krebs, Stoffwechsel- und psychischen Erkrankungen sowie in Bezug auf das Herz-Kreislauf-System. So senkt Gesundheitssport beispielsweise das Risiko für Vorhofflimmern (VHF), das als wichtiger Risikofaktor für Schlaganfälle gilt. VHF ist eine Herzrhythmusstörung, bei der die elektrischen Taktgeber des Herzens im Vorhof Chaos verbreiten und die Vorkammern nicht mehr rhythmisch schlagen, sondern »flimmern«. »In der Regel liegen dem Vorhofflimmern lokale, kreisende Erregungen in den Vorhöfen zugrunde, die dann teilweise vom AV-Knoten auf die Herzkammern übergeleitet werden. Das führt zum unregelmäßigen Puls, den Betroffene spüren können, und dazu, dass das Blut nicht mehr richtig weitergepumpt wird«, erklärt Prof. Dr. Thorsten Lewalter, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie und Chefarzt am Peter Osypka Herzzentrum, Internistisches Klinikum München Süd. VHF ist die häufigste klinisch bedeutsame Herzrhythmusstörung. Allein in Deutschland sind etwa 2 bis 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung betroffen, also rund zwei Millionen Menschen. Während manche die Rhythmusstörung mit Herzrasen, innerer Unruhe und Angstgefühlen, Schwindel, Atemnot oder einem Engegefühl in der Brust deutlich spüren, bemerken rund 70 Prozent die Attacken nicht. Etwa 20 bis 30 Prozent aller Schlaganfälle werden auf (teils stummes) VHF zurückgeführt. Die Erkennung und Behandlung ist daher von großer Bedeutung.

Während Sport für die Herzgesundheit in der Regel förderlich ist, kann Vorhofflimmern gerade dadurch bedingt sein. Bei (ehemaligen) Leistungssportlern und langjährigen Ausdauerathleten (z. B. Marathonläufer, Ruderer, Skilangläufer) ist das Risiko im Vergleich zur Normalbevölkerung und Freizeitsportlern nach neueren Studien um etwa 20 Prozent erhöht. In den ersten Untersuchungen zu dieser Thematik Ende der 1990er-Jahre wurde ein etwa fünfmal höheres VHF-Risiko für Ausdauerathleten gegenüber der Normalbevölkerung beobachtet. »Meines Erachtens wurde das Risiko damals überschätzt. Verantwortlich dafür waren vor allem methodische Schwächen der frühen Untersuchungen«, erklärt Prof. Dr. Roman Laszlo, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie internistischer Sportmediziner mit eigener Praxis in Stuttgart.

Prof. Dr. Roman Laszlo
Prof. Dr. Roman Laszlo, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie internistischer Sportmediziner mit eigener Praxis in Stuttgart © Laszlo
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Ausdauersport verändert die Vorkammern

Verschiedene Faktoren können, zumindest theoretisch, diesen vielfach beobachteten Zusammenhang erklären. VHF beim Nicht-Sportler verändert die atriale Elektrophysiologie, die Kontraktionsfähigkeit und damit die Struktur der Vorhofmuskulatur. Das Auftreten und der Erhalt der Arrhythmie werden durch diese als atriales Remodelling bezeichneten Anpassungen begünstigt. Beim Ausdauerathleten gibt es Hinweise, dass einige dieser Anpassungen durch den Sport geschehen und dadurch das Auftreten von VHF erleichtert wird (2). Man weiß, dass bei gesunden, mittelalten Personen die Größe der linken Herzvorkammer ein unabhängiger Prädiktor für VHF ist. Beim Ausdauerathleten erfolgt häufig eine trainingsinduzierte Vergrößerung des linken Vorhofs. Bei Marathonläufern ist eine vergrößerte linke Vorkammer mit einem erhöhten Risiko für VHF assoziiert (3). Grundsätzlich erfolgt eine Adaptation auf Ausdauertraining als harmonische Vergrößerung aller vier Herzkammern.

Da die Wände der Vorkammern jedoch dünner sind als die der Hauptkammern, ist der Stress auf die Vorkammern während intensiver Trainingsbelastung relativ größer. Das könnte zu einer progressiven Vergrößerung der Vorkammern über die Trainingsjahre führen. Es wurde gezeigt, dass sich das linke Atrium graduell mit der Anzahl an Lebenstrainingsstunden vergrößert (4). In einer Untersuchung war bei 80 Prozent der Athleten mit einer Lebenstrainingsdauer von über 4500 Stunden die linke Vorkammer vergrößert. »Ich halte es jedoch für sehr schwierig vorherzusagen, ab welcher lebenslangen Sportmenge das Risiko tatsächlich ansteigt. Man hat immer das Problem, zu quantifizieren, welche Form und Intensität von körperlicher Aktivität wirklich relevant ist. Sehr wahrscheinlich ist ein U-förmiger Zusammenhang«, betont Prof. Laszlo. Eine konkrete Angabe von Trainingsstunden ist allein deswegen nicht sinnvoll und möglich, weil individuell mehr oder weniger ausgeprägte Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Schlafmangel, andere Herzerkrankungen, genetische Veranlagung oder eine Überfunktion der Schilddrüse hinzukommen können. Ebenso zählt das Alter als Risikofaktor. Denn während bei jungen und mittelalten Leistungssportlern die Prävalenz trotz Vergrößerung des linken Atriums gering ist, steigt sie mit dem Alter an.

»Ein weiterer begünstigender Faktor beim Sportler ist die starke Volumenbelastung der linken Vorkammer. Diskutiert wird, ob wiederholte Überdehnungen der Vorkammer bei großer Belastung oder übergangene Infekte, die Schädigungen am Herzmuskel hinterlassen haben, eine rhythmusstörende Vorhoffibrose verursachen können«, legt Prof. Lewalter dar. Auch chronische Entzündungsreaktionen durch das exzessive Ausdauertraining und ein erhöhter Vagotonus, der sich durch Dominanz des Parasympathikus und damit einen niedrigen Blutdruck und verlangsamten Herzschlag (Bradykardie) auszeichnet, kommen in Betracht. Da all diese Anpassungen automatisch mit intensivem Ausdauertraining einhergehen, ist eine Vorbeugung für diese Athleten nicht einfach möglich. Interessanterweise sind insbesondere männliche Athleten betroffen.

Vorhofflimmern: Gute Diagnostik und frühzeitige Behandlung sind entscheidend

Für die Behandlung sind die korrekte Klassifizierung der Erkrankung (z. B. anfalls­artig bzw. paroxysmal, dauerhaft bzw. persistierend), mögliche andere Ursachen und die individuelle Situation des Patienten wichtig. »Unbehandelt erfolgt meist ein Fortschreiten von der paroxysmalen zur persistierenden Form. Die frühe Behandlung ist deswegen wichtig, weil sie mit Progression der Erkrankung immer schwieriger wird«, sagt Prof. Lewalter. Die VHF-Attacken hören meist von alleine nach maximal 48 Stunden auf. Bei chronischen Verläufen halten die Episoden deutlich länger an und müssen aktiv (durch Anti­arrhythmika oder eine Elektroschock­behandlung) beendet werden.

Der Nachweis erfolgt über eine EKG-Untersuchung. Ein unregelmäßiger Puls, den der Sportler selbst bemerkt, kann auch durch gehäuft auftretende Extraschläge verursacht werden, welche für sich genommen meist unbedenklich sind. Bei VHF zeigt sich im EKG jedoch, dass die normale P-Welle, die der Vorhoferregung entspricht, nicht mehr regulär nachweisbar ist, sondern an ihre Stelle eine Flimmerwelle tritt. Grund dafür ist, dass der elektrische Impuls aus dem Sinusknoten nicht wie üblich gleichmäßig über die Vorkammern hinweg in Richtung des AV-Knotens und über die Hauptkammern läuft, sondern in den Vorkammern kreiselt und einen elektrischen Wirbel erzeugt. Das muss nicht lebensbedrohlich sein, kann beim Betroffenen aber ein ungutes Gefühl erzeugen und die Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen. Im Gegensatz dazu stellt Kammerflimmern (der Herzhauptkammern) immer einen lebensbedrohlichen Zustand dar.

»Beim ersten Auftreten von VHF weiß weder Arzt noch Patient, ob es ein Einzelerlebnis bleiben wird, was eher selten ist, oder ob es attackenartig zu weiteren Episoden kommen wird. Doch gerade während der frühen Phase der Herzrhythmusstörung kann man mögliche Triggerfaktoren finden, die von Bedeutung für die Behandlung der Ursache sind«, erklärt Prof. Lewalter. Eine Überfunktion der Schilddrüse oder ein unbehandelter Infekt kann VHF auslösen, muss aber anders behandelt werden als eine vom Herzen ausgehende Rhythmusstörung. Bei Wettkampfsportlern muss auch an die Einnahme von anabolen Steroiden gedacht werden, da diese Substanzen mit Bluthochdruck, linksventrikulärer Hypertrophie und Dysfunktioneinhergehen können.

Prof. Dr. Thorsten Lewalter
Prof. Dr. Thorsten Lewalter, Facharzt für Innere Medizin und Kardio­logie sowie Chefarzt am Peter Osypka Herzzentrum, Internistisches Klinikum München Süd © Lewalter
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Katheterablation beim aktiven Sportler frühzeitig diskutieren

Für die Behandlung ist es relevant, ob der Patient weiterhin leistungsorientiert Sport treiben möchte. Für Patienten, die das nicht vorhaben, werden in der Regel Medikamente eingesetzt, z. B. Betablocker oder Antiarrhythmika. Für aktive Sportler, die weiterhin auf hohem Niveau trainieren möchten, ist die Einnahme dieser Medikamente häufig kontraproduktiv, da sie die Leistungsfähigkeit stark drosseln. »Bei diesen Patienten sollte man schon relativ früh die Katheterablation in Betracht ziehen«, sagt Prof. Lewalter, Experte für die Ablationsbehandlung. Dieses Vorgehen empfiehlt auch die American Heart Association zur Behandlung von kompetitiven Athleten mit VHF (5), während die Europäische Gesellschaft für Kardiologie das invasive Verfahren erst nach Ausschöpfen anderer Therapiemöglichkeiten empfiehlt (1).

Die Ablation ist ein operativer Eingriff, bei dem die für das VHF verantwortlichen Strukturen verödet werden. Die elektrischen Impulse, die das Herz aus dem Takt bringen, stammen fast immer aus den Lungenvenen. Folglich wird bei der Ablationsbehandlung versucht, die Lungenvenen elektrisch zu isolieren, um die Weitergabe der störenden Signale zu unterbinden. »Im Durchschnitt sieht man beim Outcome der Katheterablation drei Gruppen: Bei etwa 50 Prozent der Behandelten ist das VHF nach der ersten Ablation für längere Zeit oder dauerhaft eliminiert. Bei 25 Prozent verringern sich Häufigkeit und/oder Stärke und bei weiteren 25 Prozent bringt die Behandlung wenig bis keinen Erfolg«, schildert Prof. Lewalter die Erfolgschancen der OP. Eine zweite Behandlung ist nicht ungewöhnlich, sondern muss schon zu Beginn mit einkalkuliert werden. »Nach zwei Ablationsbehandlungen ist die Symptomatik bei ca. 80 Prozent weg oder signifikant besser. Ist das Ergebnis noch immer nicht zufriedenstellend, muss individuell auf die Gegebenheiten geschaut und speziell behandelt werden«, weiß Prof. Lewalter. War die Ablation jedoch erfolgreich, kann der Sportler auf demselben Niveau wie vor der Erkrankung Sport treiben.

Grundsätzlich muss bei allen Patienten und Athleten neben der Behandlung der Herzrhythmusstörung das erhöhte Schlaganfallrisiko beachtet werden. Daher muss immer geprüft werden, ob die Indikation zur oralen Antikoagulation gemäß den entsprechenden Richtlinien besteht.

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Heidbüchel H, Panhuyzen-Goedkoop N, Corrado D, Hoffmann E, Biffi A, Delise P, Blomstrom-Lundqvist C, Vanhees L, Ivarhoff P, Dorwarth U, Pelliccia A; Study Group on Sports Cardiology of the European Association for Cardiovascular Prevention and Rehabilitation. Recommendations for participation in leisure-time physical activity and competitive sports in patients with arrhythmias and potentially arrhythmogenic conditions Part I: Supraventricular arrhythmias and pacemakers. Eur J Cardiovasc Prev Rehabil. 2006; 13: 475-484. doi:10.1097/01.hjr.0000216543.54066.72

  2. Laszlo R, Steinacker JM. Competitive Sports and Atrial Fibrillation. Dtsch. Z Sportmed. 2016; 67: 237-243. doi:10.5960/dzsm.2016.243

  3. Wilhelm M. Atrial fibrillation in endurance athletes. Eur J Prev Cardiol. 2014; 21: 1040-1048. doi:10.1177/2047487313476414

  4. Wilhelm M, Roten L, Tanner H, Wilhelm I, Schmid JP, Saner H. Atrial remodeling, autonomic tone, and lifetime training hours in nonelite athletes. Am J Cardiol. 2011; 108: 580-585. doi:10.1016/j.amjcard.2011.03.086

  5. (Zipes DP, Link MS, Ackerman MJ, Kovacs RJ, Myerburg RJ, Estes NA 3rd; American Heart Association Electrocardiography and Arrhythmias Committee of Council on Clinical Cardiology, Council on Cardiovascular Disease in Young, Council on Cardiovascular and Stroke Nursing, Council on Functional Genomics and Translational Biology, and American College of Cardiology. Eligibility and Disqualification Recommendations for Competitive Athletes With Cardiovascular Abnormalities: Task Force 9: Arrhythmias and Conduction Defects: A Scientific Statement From the American Heart Association and American College of Cardiology. Circulation. 2015; 132: e315-325. doi:10.1161/CIR.0000000000000245