Topathleten: Welchen Anteil an der Leistung hat der Körperbau?
In vielen Sportarten ist es offensichtlich: In der Weltspitze ähnelt sich die körperliche Konstitution der Athletinnen und Athleten sehr – seltene Ausnahmen, wie normalgroße Spieler beim Basketball, bestätigen die Regel. Zweifellos gibt es einen Zusammenhang zwischen Körperbau und Leistung. Besonders auffällig ist das in der Leichtathletik. Athletinnen und Athleten der Wurfdisziplinen unterscheiden sich deutlich von Läufern, darunter wieder Sprinter von Langstreckenläufern und diese wiederum von Hoch- und Weitspringern. Die Beobachtungen sind nicht neu. Schon die alten Inder unterschieden zwischen »Gazellen«, »Hirschkühen« und »Elefantenkühen«, was mitunter nicht schmeichelhafte, wissenschaftlich aber recht treffende Bezeichnungen sind. Ab dem 18. Jahrhundert versuchten zahlreiche Autoren eine konstitutionsbasierte Einteilung.
Einige dieser Bestrebungen orientierten sich an rassentheoretischen oder selektionsgetriebenen Gedanken. Die gesuchten Assoziationen stellten sich als unhaltbar heraus. Im letzten Jahrhundert haben sich von den zahlreichen Kategorisierungsansätzen zwei als recht praktikabel erwiesen und werden bis heute verwendet. Die eine ist die Somatotypisierung nach Heath und Carter, die auf Vorarbeiten von Sheldon basiert. Die andere ist die Systematik von Conrad, der die Einteilung seines Lehrers Kretschmer weiterentwickelt hat (zusammengefasst in (1)).
Systematische Analyse des Körperbaus
Heath und Carter gehen von drei Grundtypen aus: endo-, meso- und ektomorph. Endomorphie ist gekennzeichnet durch einen erhöhten Gehalt an Körperfett. Mesomorphie ist durch die starke Entwicklung der Muskulatur und des Skeletts geprägt, und Ektomorphie beschreibt Menschen mit geringem Breiten-, aber ausgeprägtem Höhenwachstum. Die drei Endpunkte werden drei Ecken eines Somatogramms zugeordnet (Abb. 1). Anhand der detaillierten Vermessung des Körpers wird für jeden Typus eine Zahl ermittelt, so dass der Körperbau einer Person durch eine Dreizahl charakterisiert wird.
Conrad hingegen löst sich in seinem Modell (Abb. 3) von der Dreizahl und versteht die Körperbauvarianten als Schnittpunkte zweier Variationsreihen. Einander gegenüber stehen sich auf der X-Achse die hypoplastische (asthenische) und hyperplastische (athletische) Ausprägung, auf der Y-Achse das leptomorphe (hoch-schlankwüchsig) und das pyknomorphe (niedrig-breitwüchsig) Erscheinungsbild (Conrad-Koordinatensystem). Auf Basis dieser Systematiken wurden bis etwa zu den Olympischen Spielen im Jahr 1976 in Montreal Athletinnen und Athleten vermessen und analysiert, welcher Körperbau für welche Sportart typisch, vielleicht sogar entscheidend ist.
Ein Beispiel für die Darstellung in den beiden unterschiedlichen Systematiken für 5000-, 10 000- und 3000-Meter-Hindernisläufer zeigt die Abbildung 4. Betrachtet man die Mittelwerte der Sportler aus unterschiedlichen Disziplinen, so erkennt man deutliche Unterschiede. Wer ins Detail geht, findet weitere Assoziationen, z. B. bei den biomechanischen Zusammenhängen, wie eine positive Korrelation von Armlänge und Geschwindigkeit bei Schwimmern oder geringer Körpergröße und geringem Gewicht in Kombination mit großer Armspannweite bei Boulderern.