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Fortsetzung Topathleten: Welchen Anteil an der Leistung hat der Körperbau?

Gen-Poker: Myostatin & Co.

Der ethnische Hintergrund spielt ebenfalls eine Rolle. In den Laufdisziplinen der Männer dominieren dunkelhäutige Athleten, im Sprint vor allem Westafrikaner oder deren Nachfahren, in den Ausdauerdisziplinen vor allem Ostafrikaner. »Es gibt Hinweise auf genetische Faktoren, die hier eine Rolle spielen. Dabei handelt es sich eher um eine genetische Konstellation. Ein besonderes Gen, wie eine Mutation im Myostatin-Gen, macht aus einem Durchschnittsmenschen noch keinen Topathleten«, erläutert Prof. Diel. Myostatin, bzw. eine Mutation in dem Gen, die die natürliche Bremse des Muskelwachstums außer Kraft setzt, macht die betroffenen Individuen extrem muskulös.

Viele Muskeln zu haben, klingt nach einem großen Vorteil im Sport. »So einfach ist es aber nicht. Welchen Anteil die Mutation im Myostatin-Gen an der Leistungsfähigkeit hat, ist schwer zu beantworten. Viel hilft bekanntlich nicht immer viel. Bisher gibt es auch keine Reihenuntersuchung, mit der die Häufigkeit der Mutation in der Bevölkerung oder unter Sportlern bestimmt worden wäre«, legt Prof. Diel die Lage dar.

Prof. Patrick Diel, Abteilung für molekulare und zelluläre Sportmedizin, Deutsche Sporthochschule Köln
Prof. Patrick Diel, Abteilung für molekulare und zelluläre Sportmedizin, Deutsche Sporthochschule Köln © Diehl

Anders könnte es sich bei Mutationen im oder Manipulationen am Erythropoietin-Gen verhalten. Der leistungssteigernde Effekt liegt laut Prof. Diel in einer Größenordnung von bis zu
20 Prozent. Der in den 60er- und 70er-Jahren erfolgreiche finnische Skilangläufer Eerto Mäntyranta etwa trägt eine solche Mutation im Erythro­poetin-Gen. 2018 wurde eine weitere Frameshift-Mutation publiziert, die zu einer deutlichen Steigerung der Erythrozyten-Produktion führt (7). Auch das »Sherpa-Gen«, eine Variante des ACE-Gens, das die Ausdauerfähigkeit erhöht, findet sich offenbar unter Ausdauerathleten häufiger.

Kommen zu den »guten Genen« auch noch eine stabile Psyche, die sich im Sport auch als mentale Stärke niederschlägt, ein förderndes Umfeld sowie gute Regenerationsfähigkeit, stehen die Chancen auf eine sportliche Karriere nicht schlecht. Aktuell vielleicht besser denn je, denn die Menschen sind im letzten Jahrhundert deutlich größer, kräftiger und leistungsfähiger geworden, die Sportgeräte wurden an diese Entwicklung aber nicht angepasst.

Beispiel Torwart-Vorteil: Fielen während der Fußball-WM 1934 im Schnitt 4,1 Tore, waren es 2018 nur 2,8. Die Forderung nach einer Vergrößerung der Tore taucht daher in regelmäßigen Abständen – und aus gutem Grund – auf. Auch über die Höhe der Basketballkörbe könnte man diskutieren. Als das Spiel erfunden wurde, war der in 3,05 m Höhe hängende Korb für die deutlich kleineren Spieler wahrscheinlich außer Reichweite. »Ob der Slam Dunk im Sinne des Erfinders war, wage ich zu bezweifeln«, gibt Prof. Raschka zu bedenken.

■ Hutterer C

Quellen:

  1. Bernhard W, Jung K. Sportanthropologie. Gustav Fischer, Stuttgart, Jena, Lübeck, Ulm. 1998

  2. Black MI, Allen SJ, Forrester SE, Folland JP. The Anthropometry of Economical Running. Med Sci Sports Exerc. 2019. doi:10.1249/MSS.0000000000002158

  3. Jokl E. Physical Structure of Olympic Athletes, Part I: The Montreal Olympic Games Antrhopological Project. Karger, Basel. 1982

  4. Jokl E, Hebbelinck M. Physical Structures of Olympic Athletes, Part II: Kinanthropometry of Olympic Athletes. Karger, Basel. 1984

  5. Kandel M, Baeyens JP, Clarys P. Somatotype, training and performance in Ironman athletes. Eur J Sport Sci. 2014; 14: 301-308. doi:10.1080/17461391.2013.813971

  6. Tittel K, Wutscherk H. Sportanthropometrie. Sportmedizinische Schriftenreihe, Band 6. Johann Ambrosius Barth, Leipzig. 1972

  7. Zmajkovic J, Lundberg P, Nienhold R, Torgersen ML, Sundan A, Waage A, Skoda RC. A Gain-of-Function Mutation in EPO in Familial Erythrocytosis. N Engl J Med. 2018; 378: 924-930. doi:10.1056/NEJMoa1709064