Tibiakantensyndrom: Unterschenkeltraining verbessert Fußhaltung und Lebensqualität

Tibiakantensyndrom: Unterschenkeltraining verbessert Fußhaltung und Lebensqualität
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Das mediale Tibiakantensyndrom, auch kurz MTSS genannt (für mediales tibiales Stressyndrom), ist vielen Freizeitläufern vertraut. Es folgt häufig auf eine Überlastung beim Laufen, Joggen oder Springen und ist für bis zu 35 Prozent aller sportinduzierten Beinschmerzen verantwortlich (3). Die Beschwerden sind entlang der distalen posteromedialen Schienbeinkante zu spüren, können intensiv und lange anhaltend sein. Knapp 11 Prozent der männlichen und rund 17 Prozent der weiblichen Freizeitläufer entwickeln ein mediales Tibiakantensyndrom (2). Zu den Risikofaktoren zählen sowohl die übermäßige Fußpronation als auch ein geringer Unterschenkelumfang, denn beide Faktoren erhöhen beim Laufen die tibiofasziale Zugkraft und die Bodenreaktionskräfte auf das Schienbein. Das legt nahe, dass ein ausgeklügeltes Dehn- und Kräftigungstraining Betroffenen helfen und Rezidiven vorbeugen könnte. Wissenschaftler haben daher in einer neueren Studie untersucht, inwiefern eine Intervention mit Dehnungs- und Kräftigungsübungen der Unterschenkel, sensomotorischen Übungen und myofaszialer Entspannung mit der Faszienrolle zur Genesung beitragen kann.

Für die Studie wurden zwei jeweils 20-köpfige Teilnehmergruppen aus jungen Freizeitläufern gebildet (23,9 Jahre +/- 3,9 Jahre, 24 Männer, 16 Frauen), die entweder die Standardversorgung erhielten (Eismassage, Einlagen falls erforderlich und extrakorporale Stoßwellentherapie) oder zusätzlich eine spezielle Intervention in Form eines zusätzlichen Unterschenkeltrainings. Hierfür mussten die Probanden folgende Übungen absolvieren:

– Dehnübungen für M. gastrocnemius und M. soleus

– Kräftigungsübungen für die Plantarflexoren und die Muskeln, die für die Fußinversion verantwortlich sind

– sensomotorische Übung („kurzer Fuß“) zur Verbesserung der Propriozeption und der intrinsischen Fußmuskulatur

– Einsatz der Schaumstoffrolle zur myofaszialen Entlastung der Wade

Gemessen wurden zu Anfang, nach 6 und nach 12 Wochen jeweils die Schmerzintensität, der Schweregrad des MTSS, der Quality-of-Life-Index, der statische Foot Posture Index (FPI) und der dynamische Fußgewölbeindex (DAI). Der Fußhaltungsindex (FPI)-6 umfasst sechs spezifische Kriterien; hier repräsentiert ein hoher Wert eine starke Pronation (5). Der DAI zeigt das Verhältnis der Mittelfuß-Kontaktfläche in Relation zur gesamten Fußabdruckfläche ohne Zehen (1). Ein hoher Wert steht auch hier für ein hohes Maß an Pronation.

Das Ergebnis: Nach 6 und 12 Wochen fanden sich zwar keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Schmerzintensität oder des Schweregrads des MTSS, jedoch signifikante Verbesserungen bei der Lebensqualität und in Bezug auf ihre Fußhaltung in der Interventionsgruppe (4). Die Pronation – im Übermaß ein Risikofaktor für ein mediales Tibiakantensyndrom – nahm im Untersuchungszeitraum in der Interventionsgruppe ab. Bei der dynamischen Fußhaltung, gemessen mit dem DAI, zeigte sich ein zusätzlicher Effekt von 10,5 Prozent bis 12,8 Prozent. Bei der statischen Fußhaltung, ermittelt mit dem FPI, ein Effekt von 12 Prozent bis 35 Prozent, verglichen mit der Kontrollgruppe. Ob es über den Untersuchungszeitraum hinaus dadurch Vorteile für die Studienteilnehmer gibt, z. B. weniger MTSS-Rezidive, blieb offen. Insgesamt spricht den Autoren zufolge viel dafür, Unterschenkelübungen in die MTSS-Therapie zu integrieren.

■ Plaum P

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Quellen:

  1. Cavanagh PR, Rodgers MM. The arch index: a useful measure from footprints. J Biomech. 1987; 20: 547-551. doi:10.1016/0021-9290(87)90255-7.