Sportherz oder beginnende Kardiomyopathie?

Sportherz oder beginnende Kardiomyopathie?
© Akarat Phasura / Adobe Stock

Weist ein ansonsten gesunder Athlet im EKG eine verringerte linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) auf, liegt die Diagnose „Sportherz“ oft nahe. Immerhin ist bekannt, dass Leistungssport zu einer physiologischen Größenanpassung des Herzmuskels führt, was auch die Ejektionsfraktion beeinflussen kann. Aber ist das wirklich so häufig der Fall – oder könnte z. B. auch eine genetisch bedingte und deutlich bedrohlichere dilatative Kardiomyopathie (DCM) dahinterstecken? Dieser Frage geht die noch laufende Langzeitstudie Pro@Heart nach, die australische und belgische Spitzenathleten auf kardiovaskuläre Risikofaktoren untersucht. Nach etwas mehr als vier Jahren liefert ein Zwischenbericht erste Ergebnisse, die Auswirkungen für künftige sportkardiologische Risikoscreenings haben könnten (1).

Von den 281 zu Studienbeginn 22 (±8) Jahre alten, überwiegend männlichen Probanden wiesen 44 (15,7 Prozent) bereits in der Eingangsuntersuchung eine eingeschränkte LVEF auf, während die Herzpumpleistung unter Belastung erwartungsgemäß supernormal war. Bei weiteren 14 Personen (5 Prozent) war die rechtsventrikuläre EF vermindert und 18 (6,4 Prozent) hatten beide Anomalien; im Gesamtbild war also jeder sechste Teilnehmer diesbezüglich auffällig. Bei fast allen Betroffenen (13,6 Prozent) zeichnete außerdem das Langzeit-EKG täglich mehr als 100 ventrikuläre Extrasystolen auf. Zum Vergleich: Nur 3,8 Prozent der Untersuchten mit normaler LVEF hatten vorzeitige Herzschläge (p=0,008).

Genetische Tests hatten zuvor einen auch für dilatative Kardiomyopathien hinweisgebenden polygenen Risikoscore für das linksventrikuläre postsystolische Volumen (LVESVi-PRS) ermittelt, der bei Sportlern mit reduzierter EF höher lag (0,57±0,13 vs. 0,51±0,14; p=0,009). Für Werte im Bereich der obersten zehn Prozent errechneten die Forscher eine elfmal höhere Wahrscheinlichkeit für eine schwache EF als für die im untersten Dezil (95%-KI: 1,2–101,69; p=0,034). Die multivariate Analyse identifizierte hohe LVESVi-PRS und männliches Geschlecht als einzige signifikante Prädiktoren für EF-Anomalien.

Bisher erlag nur ein Athlet mit niedrignormaler rechtsventrikulärer EF, nur minimal erhöhten Extrasystolen und einem LVESVi-PRS von >95 Prozent einem Plötzlichen Herztod. Hinweise auf familiäre Vorbelastung oder Substanzmissbrauch fanden sich nicht, jedoch zeigte die Obduktion zu beginnender DCM passende fibrotische Veränderungen in beiden Ventrikeln.

Laut den Studienautoren rechtfertigen die bisherigen Erkenntnisse für Athleten mit verringerter LVEF zwar nicht ein Verbot von Sport auf Leistungsniveau, umso mehr jedoch eine engmaschige kardiologische Begleitung, um gegebenenfalls zeitnah intervenieren zu können. Auch eine genetische Analyse sei als Teil der Sporttauglichkeitsuntersuchung denkbar und wahrscheinlich sinnvoll.

Mittlerweile konnten die Wissenschaftler insgesamt über 400 Athleten für ihre Pro@Heart-Studie gewinnen, deren Daten über die nächsten Jahre sukzessive in die Analyse einfließen werden. Erst über sehr lange Zeiträume von mehr als 20 Jahren wird es dann möglich sein, exakte und aussagekräftige Erkenntnisse sowie allgemeingültige Empfehlungen zu formulieren.

■ Kura L

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Quellen:

  1. Claessen G et al. Reduced Ejection Fraction in Elite Endurance Athletes: Clinical and Genetic Overlap With Dilated Cardiomyopathy. Circulation. 2023; 149. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.122.063777