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Fortsetzung Sportherz – auch ein starker Motor kann stottern

EKG-Veränderungen beim Sportler: die Seattle-Kriterien

Das Ruhe-EKG eines Athleten kann ebenfalls Anlass zur Unsicherheit bieten: »Etwa 60 Prozent aller Athleten haben kein vollständig normales EKG. Bei ca. 80 Prozent werden Sinusbradykardien zwischen 31 und 50 Schlägen pro Minute beobachtet, bei ca. 55 Prozent Sinusarrythmien und bei bis zu 8 Prozent wechselnde Vorhoferregungen in Ruhe. »Da ist es nicht immer einfach zu beurteilen, was noch gesund ist«, erklärt Prof. Dr. Matthias Antz, leitender Abteilungsarzt der Elektrophysiologie am Klinikum Braunschweig.

Da viele Veränderungen beim Sportler deutlich häufiger auftreten als in der Allgemeinbevölkerung, außerdem von der Ethnizität abhängen (Unterschiede zwischen Sportlern kaukasischer und afrikanischer/karibischer Abstammung) und zugleich nicht zwingend pathologisch sind, wurden im Jahr 2012 die Seattle-Kriterien entwickelt. Sie geben Hinweise darauf, welche Veränderungen im EKG bei Athleten noch normal sind und welche nicht mehr. Dazu zählen neben den genannten beispielsweise auch AV-Block 1. Grades und AV-Block 2. Grades Typ Wenckebach, ein inkompletter Rechtsschenkelblock (bei bis zu 40 Prozent) und weitere (2).

»Eine Ursache der Anpassungen liegt in der starken Erregung des vagalen Nervensystems beim Athleten. Sowohl die Aktivität des Sinus- als auch des AV-Knotens wird dadurch verändert«, erklärt Prof. Antz. Eine weitere Ursache liegt in den muskulären Adaptationen an das intensive Training. »Besonders das rechte Herz wird stark beansprucht, was zum so genannten Remodelling, also einer Vergrößerung des rechten Herzens, und damit zu veränderten Leitungszeiten führen kann«, so der Elektrophysiologe weiter. Dass intensiver Sport nicht nur gesund ist, zeigt sich auch beim Vorhofflimmern. Marathonläufer, Radsportler oder Langläufer haben ein bis zu zehnfach höheres Risiko als ein Freizeitsportler, der täglich »nur« sechs Kilometer joggt. Werden die Trainingsumfänge und die Trainingsintensität reduziert, kann sich die Situation normalisieren.

Damoklesschwert Myokarditis

Noch immer ist nicht vollständig entschlüsselt, unter welchen Umständen es zu einer Herzmuskelentzündung kommt. Eine Kombination aus einem Infekt, wahrscheinlich mit Fieber, und nicht ausreichender körperlicher Schonung scheint dafür häufig verantwortlich zu sein. Doch nicht bei jedem Infekt und bei jedem Sportler tritt eine Myokarditis auf und auch die Bandbreite des klinischen Bildes ist groß: von asymptomatischen bis zu schweren Verläufen, die eine Herztransplantation notwendig machen, ist alles möglich. Auch der eindeutige Nachweis, ob der Herzmuskel entzündet ist oder war, ist nicht in jedem Fall möglich.

»Es gibt Fälle, in denen wir trotz umfangreicher Diagnostik nicht abschließend sagen können, ob eine Myokarditis vorliegt«, erklärt Prof. Burgstahler. Möglicherweise hängt die Ausprägung mit der Art des Erregers statt, der die ursprüngliche Infektion ausgelöst hat. Da eine Myokarditis das Risiko für einen plötzlichen Herztod massiv erhöht, ist es notwendig, diese komplett auszukurieren. »Das Problem ist, dass es keine Evidenz dafür gibt, wie lange Athleten mit dem Sport pausieren sollen. Eine Konsensempfehlung geht von mindestens drei bis sechs Monaten aus«, führt der Kardiologe aus. Um auf bessere Daten zurückgreifen zu können, wurde an der Uniklinik Tübingen ein Register angelegt, das Sportler mit vermeintlicher oder gesicherter Myokarditis beobachtet und betreut (4). Bei den bisher begleiteten Athleten gab es bislang keine fatalen Ereignisse. Wann aus den Daten konkrete Empfehlungen abgeleitet werden können, ist noch offen.

Matthias Antz
Prof. Dr. Matthias Antz, leitender Abteilungsarzt der Elektrophysiologie am Klinikum Braunschweig © Antz
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