Skisport: Knieverletzungen bei Frauen oft durch falsch eingestellte Skibindung verursacht
Skifahrerinnen erleiden doppelt so häufig Knieverletzungen wie männliche »Bretterhelden«. Sportwissenschaftler der Universität Innsbruck untersuchten in 1720 einer epidemiologischen Studie (1) knierelevante Skiverletzungen von 1 300 Hobbyfahrerinnen und –fahrern und fanden heraus, dass in 60 bis 80 Prozent der Fälle die Bindung nicht aufgegangen war. Dadurch wirken schlagartig heftige Kräfte auf das Knie ein. Das Team um Dr. Gerhard Ruedl und Prof. Martin Burtscher interessierte sich nun besonders für die geschlechterspezifische Verteilung dieses Phänomens und identifizierte fehlgeschlagene Bindungs-Auslösungen bei immerhin 32 Prozent der männlichen Verletzten – und bei 51 Prozent der weiblichen! Interessant daran: Alle Bindungen waren laut ISO-Norm 11088 durchaus »korrekt« eingestellt. Trotzdem versagte der Mechanismus auch im Rahmen von Provokationstests bei dreimal mehr Frauen als bei Männern.
ISO-Norm passt hier nicht zur weiblichen Physiologie
Die ISO-Norm gibt bei Skibindungen vor, anhand welcher Kriterien eingestellt werden muss: Größe, Alter und Gewicht des Fahrers, Skistiefel-Sohlenlänge und »Skifahrtyp« (bevorzugte Geschwindigkeit, welches Gelände etc.). Rein rechnerisch kann dabei für eine eher kleinere und leichtere Frau derselbe so genannte Z-Wert herauskommen wie für einen größeren, schwereren Mann.
Davon abgesehen, dass Männer ihr Können oft überschätzen, während Frauen in Sachen Risikoeinschätzung realistischer liegen, berücksichtigt der Z-Wert auch keinerlei physiologische Unterschiede der Geschlechter. So nimmt etwa das für die Bindungsauslösung entscheidende Oberschenkel-Drehmoment mit größerer Muskelkraft (zumeist bei Männern) zu. Auch der Körperfettanteil (zumeist bei Frauen höher) sowie Unterschenkelkraft, Kniegelenks-Steifigkeit sowie die Zugfestigkeit des vorderen Kreuzbands spielen eine Rolle, ebenso wie zyklusbedingte Einflüsse. In all diesen Belangen sind Frauen im Nachteil.
Die Forscher fordern aufgrund dieser Ergebnisse die Einführung eines entsprechenden geschlechtsspezifischen Korrekturfaktors in der ISO-Norm. Sie sind sicher, dass sich die Knieverletzungsquote bei Skifahrerinnen dadurch erheblich verringern ließe. Auch technisch könnte man dem Problem begegnen, etwa mit elektronisch gesteuerter Anpassung des Auslösemechanismus an die Fahrerin oder den Fahrer je nach Fahrstil.
■ Kura L
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Quellen:
Ruedl G, Burtscher M. Why not consider a sex factor within the ISO 11088 ski binding setting standard? Br J Sports Med. Published online first 08.11.2017. doi:10.1136/bjsports-2017-098572