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Sarkopenie: Bewegung und proteinreiche Ernährung helfen

Sarkopenie: Bewegung und proteinreiche Ernährung helfen
© pict rider / Adobe Stock

Der Alterungsprozess des menschlichen Körpers zeigt sich nicht nur an grauen Haaren und faltiger Haut, sondern auch inwendig. Ab einem Alter von 50 Jahren verliert der Skelettmuskel jährlich ohne Gegenmaßnahmen etwa ein bis zwei Prozent seiner Masse. Die maximale Muskelkraft lässt nach ihrem Höhepunkt etwa im 30. Lebensjahr ebenfalls allmählich nach. Soweit sind diese natürlichen Vorgänge zwar bedauerlich, aber noch nicht bedrohlich. Das werden sie erst, wenn neben der verringerten Muskelmasse auch die Muskelkraft und die Funktionalität übermäßig abnehmen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko dafür. Je nach Untersuchung sind zwischen 30 und 50 Prozent der über 80-Jährigen von der Sarkopenie genannten Erkrankung betroffen.

„Doch auch bei jüngeren Patienten können schwere Erkrankungen wie Krebs, COPD, chronische Herz- oder Nierenerkrankungen sekundär einen Verlust von Muskelmasse und -kraft verursachen“, legt Prof. Dr. Meinrad Beer dar, Facharzt für Radiologie und Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Ulm. Systematische Untersuchungen von Erkrankten beispielsweise auf Intensivstationen, mit gastrointestinalen Tumoren oder von Lebertransplantierten haben zudem gezeigt, dass die Mortalität bei denjenigen signifikant erhöht ist, die unter einer bedeutsamen Abnahme von Muskelmasse und -kraft leiden (4, 7). Die funktionellen Beeinträchtigungen mindern die Lebensqualität, die Freude an Bewegung und die Fähigkeiten dazu, führen zu erhöhtem Sturzrisiko und sogar körperlicher Behinderung. Einmal in Gang gesetzt, führt die Situation unbehandelt in einer Spirale nach unten, im schlimmsten Fall bis in die Pflegebedürftigkeit.

Prof. Dr. Meinrad Beer, Facharzt für Radiologie und Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Ulm
Prof. Dr. Meinrad Beer, Facharzt für Radiologie und Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Ulm © Beer

Sarkopenie-Risikofaktoren: Alter, Inaktivität, verminderte Nahrungsaufnahme

Das Problem ist also weit verbreitet und nicht nur von kosmetischer Relevanz. Doch bisher findet es unter Medizinern noch wenig Beachtung und auch Patienten oder deren Angehörige wissen darüber zu wenig. Das mag unter anderem dadurch begründet sein, dass die Sarkopenie erst 1989 benannt und erst seit dem Jahr 2016 in den internationalen Katalog der Krankheiten ICD-10 aufgenommen wurde.

Hohes Alter ist der größte Risikofaktor für die Entwicklung einer Sarkopenie. Doch das Alter ist nicht das alleinige Problem. Es ist vielmehr die Kombination aus mehreren Faktoren:

  1. Altersbedingte Ab- und Umbaumechanismen im neuromuskulären System
  2. Verminderte Nahrungsaufnahme (insbesondere zu geringe Proteinaufnahme)
  3. Körperliche Inaktivität

Im Laufe der Lebensjahre altern alle Strukturen im Körper, so auch die Nervenzellen im Gehirn, im Rückenmark und selbst in den motor-units (MU) im Skelettmuskel, welche die Nervensignale in Muskelkontraktion umsetzen. Das führt, verstärkt durch den bei körperlicher Inaktivität fehlenden mechanischen Stimulus des Muskels, zur qualitativen Veränderung der Muskelstruktur: Schnell agierende Typ-II-Muskelfasern gehen verloren und die alterstypische Infiltration des Muskels durch Fettgewebe löst Prozesse wie die Lipotoxizität aus, welche wiederum die Zellfunktion der Muskelzellen massiv stört und im schlimmsten Fall zum Tod von Muskelzellen und sekundär zu geringerer Kontraktilität führt. Negativ verstärkt wird das Geschehen durch die verschlechterte Aufnahme von Aminosäuren aus der Nahrung und verlangsamte und geringere Proteinsynthese einerseits, und durch chronische Entzündungsprozesse, wie sie beispielsweise aufgrund von Adipositas oder zahlreichen anderen chronischen Erkrankungen im Körper wirken, andererseits.

Bei der Sarkopenie handelt es sich also um ein mehrschichtiges Problem. „Körperlich aktive Senioren haben ein sehr viel geringeres Risiko an Sarkopenie zu erkranken, auch wenn die Funktionalität ab spätestens einem Alter von 70 Jahren nicht mehr in dem Umfang erhalten werden kann, wie beim jüngeren Menschen. Doch durch Training kann auch die Leistungsfähigkeit im alten Muskel deutlich nach oben geschraubt werden“, betont Prof. Dr. Sebastian Gehlert, Sportwissenschaftler im Forschungsbereich Biowissenschaften des Sports an der Universität Hildesheim.

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