Kardiorespiratorische Fitness – richtig erfasst, interpretiert und verwendet?
Die kardiorespiratorische Fitness ist einer der wichtigsten Gesundheitsmarker. Sie wird bestimmt vom Zusammenspiel von Lunge, Herz, Gefässen und Muskulatur, wie es von Wasserman (16) in Form des Zahnradmodells dargestellt wurde. Dieses Modell macht deutlich, dass zahlreiche Organe am O2- und CO2-Transport beteiligt sind und somit die Funktion aller Elemente des Modells die Höhe der kardiorespiratorischen Fitness bestimmen. Nicht zu Unrecht gebührt der kardiorespiratorischen Fitness eine zentrale Rolle in der Beurteilung der Gesundheit, die oftmals noch unterschätzt wird.
Mit Blick auf die Bedeutung einer ergometrischen Belastungsuntersuchung in der inneren Medizin, insbesondere der Kardiologie, fällt einem in einer Guideline der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) zu «Diagnose und Management des chronischen Koronarsyndroms» der schlechte negative bzw. positive prädiktive Wert des Belastungs-EKGs für das Erkennen einer obstruktiven koronar-arteriellen Erkrankung buchstäblich ins Auge (7). Bei nur mässiger Sensitivität von 58% und Spezifität von 62% ist die Ischämiediagnostik und die Erkennung komplexer Rhythmusstörungen dennoch das Haupteinsatzgebiet der Ergometrie in der klinischen Praxis (7). Das könnte einerseits daran liegen, dass selbst bei einer empfohlenen Vortestwahrscheinlichkeit für eine Obstruktion der Koronarien von mindestens 15% bei der Durchführung des Belastungs-EKGs die Zahl Patienten, die dieses Kriterium erfüllen, immer noch sehr hoch ist.
Andererseits wurde vielleicht auch die Erfassung der kardiorespiratorischen Fitness in ihrer gesundheitlichen Bedeutung erkannt. In der Sport- und Bewegungsmedizin sollte dieses ohne Frage der Fall sein. Spätestens als die American Heart Association vor einigen Jahren die kardiorespiratorische Fitness als das fünfte Vitalzeichen (vital sign) bezeichnete (12), sollte jedem klargeworden sein, dass der Erfassung der maximalen ergometrischen Leistungsfähigkeit ein besonderer Stellenwert in der Beurteilung des Gesundheitszustandes und des Mortalitätsrisikos zukommt. Israel et al. (5) konnten in einer Beobachtungsstudie mit 22878 Teilnehmern (Alter zu Baseline 47,4 Jahre, Follow-up 9,2 Jahre) die Prädiktion von Todesfällen (N=505) deutlich verbessern. So betrug das relative Risiko für das Versterben bei Personen mit einem hohen Euro Risiko-Score und niedriger kardiorespiratorischer Fitness (<11 MET (metabolic equivalent of task) das 35,6-fache im Vergleich zu fitten und nicht mit Risikofaktoren behafteten Personen.
War die kardiorespiratorische Fitness bei gleich ungünstigem Euro Risiko-Score dagegen gut (>11 MET), konnte das Risiko auf das 8,5-fache gesenkt, also nahezu geviertelt werden. Die Netto-Reklassifikation zeigte über alle Risikogruppen von niedrigen bis hohem Risiko für das Versterben eine Verbesserung von 56,8% bei Hinzunahme der kardiorespiratorischen Fitness zum Euro Risiko-Score. Eine Metaanalyse von Kodama et al (8) zeigt, dass die Abnahme der Gesamtmortalität und der kardiovaskulären Mortalität von 15% bzw. 13% mit einem Anstieg der kardiorespiratorischen Fitness von 1 MET verbunden ist.
Vergleicht man das relative Risiko der Gesamtmortalität bei manifesten Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 (HR 1.40), einer koronaren Herzerkrankung (HR 1.29) oder auch Risikofaktoren wie dem Rauchen (HR 1.41) oder einer bestehenden arteriellen Hypertonie (HR 1.21) mit der einer unterdurchschnittlichen maximalen Ausdauerleistungsfähigkeit (HR 1,95), so ist dieses als vergleichbar im Sinne der Prädiktion zu interpretieren (10). Zu betonen ist dabei, dass die Reduktion des Risikos nicht nur bei sowieso schon athletischen Menschen eintritt, sondern die Verbesserung bereits substantiell ist, wenn man die am wenigsten fitten mit den nächst unfitten Personen vergleicht (10).
Diese Beobachtungen wurden aber nicht nur bei initial gesunden Personen, sondern auch bei Patienten mit unterschiedlichen chronischen Erkrankungen gemacht. So profitieren sowohl Patienten mit Herzinsuffizienz, mentalen und neurologischen Erkrankungen, metabolischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 oder auch Patienten mit Tumorerkrankungen von einer Verbesserung der kardiorespiratorischen Fitness. Offensichtlich wirkt die mit der Verbesserung der Fitness verbundene Ausdaueraktivität auf unterschiedliche Mechanismen wie die chronische Inflammation, die Autophagie oder den mitochondrialen Stoffwechsel. Die in Interventionsstudien gemessenen und in der klinischen Routine zu beobachtenden Effekte einer verbesserten Fitness auf die Blutdruckregulation, den Glukosestoffwechsel und die Cholesterinfraktionen sowie direkt auf die Gefäßstruktur und -funktion im mikro- und makrovaskulären Bereich dürfen dabei nicht unerwähnt bleiben (12).