Gehirnerschütterungen im Paralympischen Sport: ein systematischer Review

Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags (Review) aus der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM) mit Link zum englischsprachigen Originalartikel und Downloadmöglichkeit als PDF.

Gehirnerschütterungen im Paralympischen Sport: ein systematischer Review
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Aufbau der Arbeit

Es wurde eine systematische Literaturrecherche hinsichtlich sportbedingten Gehirnerschütterungen (sGE) bei Paralympischen Sportler durchgeführt, in die dreizehn Artikel einbezogen wurden. Die Studie wurde in Übereinstimmung mit den PRISMA-Richtlinien (Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analysis) durchgeführt. Die Literaturrecherche wurden in den elektronischen Datenbanken Web of Science, PubMed und SPORTDiscus im Zeitraum von 1940 bis 2023 durchgeführt.

Ergebnisse und Diskussion

In einer Längsschnittstudie, die sich über einen Zeitraum von 1990 bis 1996 erstreckte und auch die Paralympischen Spiele 1992 und 1996 einschloss, wurde für sGE eine Inzidenzrate von 0,5 pro 1000 Athleten-Expositionsstunden (AEH) ermittelt. Für Para-Schwimmen und Para-Judo wurde eine Inzidenzrate von jeweils 0,5-0,6 sGE pro 1000 AEH gemeldet. Im Rollstuhlbasketball wurde eine sGE-Inzidenzrate von 0,3 pro 1000 AEH festgestellt.

Bei den Paralympischen Wintersportarten verzeichnete Sledge-Hockey eine Inzidenzrate von 4,5 sGE pro 1000 AEH. Im alpinen Skisport wurden bei den Paralympischen Winterspielen 2002 sowie 2018 1-2 sGE registriert. Im Para-Skilanglauf, einschließlich Biathlon, wurden 2 sGE von insgesamt 26 Verletzungen gemeldet.

Betrachtet man die Inzidenzrate im Verhältnis zu den Beeinträchtigungen der Athleten, so wurden 1,2 sGE pro 1000 AEH bei sehbehinderten Athleten, 0,3 sGE pro 1000 AEH bei körperlichen Einschränkungen und 0,7 sGE pro 1000 AEH bei Athleten mit Rückenmarksverletzungen beobachtet.

Bei weiblichen Paralympischen Sportlerinnen wurde eine Inzidenzrate von 0,8 sGE pro 1000 AEH registriert. Männer sind von 0,3 sGE pro 1000 AEH betroffen. Die Häufigkeit von sportbedingten Gehinerschütterungen in den Paralympischen Sportarten sind unterschiedlich verteilt. Sledgehockey weist die höchste Inzidenzrate von sGE auf, die überdies die Inzidenz der nicht-behinderten Eishockeyathlethen übertrifft. Auch Para-Schwimmen übertrifft die Inzidenzen von sGE die der Nicht-Para-Schwimmer. Die Sportarten Basketball, Fußball, Ski Alpin, Ski Nordisch und Biathlon wiesen eine ähnliche Inzidenzrate für beide Gruppen auf. Sehbehinderte und weibliche Para-Sportler sind besonders von sportbedingten Gehirnerschütterungen betroffen.

Eine höhere oder vergleichbare Inzidenz von sGE bei Para-Athleten im Vergleich zu Nicht-Parasportlern, selbst nach Anwendung strenger Schutzprotokolle, kann auf mehrere Faktoren zurückzuführen sein. Eine geringere muskuläre Kontrolle, die Unvorhersehbarkeit des sportlichen Umfelds, sowie motorische Defizite können mögliche Ursachen für die höhen Inzidenzen sein.

Was ist neu und relevant?

Die Studie stellt erstmals die Häufigkeit und Verteilung von sportbedingten Gehirnerschütterungen im Paralympischen Sport dar. Die Erkenntnisse zeigen insbesondere welche Paralympische Athleten von sGE überdurchschnittlich häufig betroffen sind. Dadurch können sGE besser detektiert und zukünftig minimiert werden.

Methodische Einschränkungen

- uneinheitliche Definition von sportbedingten Gehirnerschütterungen (z. B. „Kopfverletzungen“, leichte traumatische Hirnverletzungen, kleinere Verletzungen wie Abschürfungen oder Nackenverletzungen, einschließlich sGE“)

- genaue Dauer der Sportexposition der Athleten oder die genauen Inzidenzraten sind in einigen Berichten nicht verfügbar. Dies erschwert es, die Häufigkeit von sGE in verschiedenen Paralympischen Sportarten zu vergleichen.

- Teilweise basieren die Studien auf Selbstauskünften der Teilnehmer, was Zweifel an der Genauigkeit der gewonnenen Daten aufkommen lässt

Schlussfolgerung für die Praxis

Da die Datenerhebung im Parasport unzureichend ist und die Screening-Instrumente nicht ohne weiteres auf die heterogenen Beeinträchtigungen der Para-Sportler übertragbar sind, könnten die Ergebnisse unterschätzt sein. Daher muss die Untersuchung von sGE im Para-Sport intensiviert werden, um mehr Erkenntnisse über das Auftreten von sGE im Paralympischen Sport und deren möglichen gesundheitlichen Auswirkungen zu gewinnen.

■ ons

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