Schädel-Hirn-Traumen im Sport

Schädel-Hirn-Traumen im Sport
Riskantes Verhalten: Christoph Kramer spielte im WM-Finale von Rio trotz Gehirnerschütterung noch einige Zeit in benommenem Zustand weiter, bevor er ausgewechselt wurde. © imago/Miguelez Sports Foto

Die Studie »Schädel-Hirn-Verletzung – Epidemiologie und Versorgung« zeigte auf, dass die Zahl leichter Schädel-Hirn-Traumen (SHT) im Sport auf jährlich 44.000 Fälle beziffert wird. Die Zahl der tatsächlichen Fälle dürfte aber weitaus höher liegen, da viele leichtere Verletzungen nicht erkannt und behandelt werden. Bedenklich ist das vor allem deswegen, weil – wie die Studie ebenfalls zeigt – etwa 50 Prozent der Betroffenen, denen ein leichtes SHT attestiert wurde, nach einem Jahr noch über SHT-bedingte Probleme in der Familie, bei der Berufsausübung oder in der Schule klagen. Offenbar ist also die Aussage darüber, ob eine leichte Gehirnerschütterung folgenlos oder problematisch verläuft, nicht zuverlässig möglich.

Kanadische Wissenschaftler haben nun in einem aktuellen Review das Risiko für Gehirnerschütterungen im Jugendsport­bereich bei verschiedenen Sportarten verglichen. Wenig überraschend zeigte sich, dass die Inzidenz von Schädel-Hirn-Traumen in Kontaktsportarten (Rugby, American Football, Hockey u. a.) deutlich höher ist als bei Sportarten mit weniger Körperkontakt (z. B. Basketball, Volleyball und Cheerleading). Interessant ist jedoch, dass im Fußball und Baseball Frauen/Mädchen häufiger als Männer/Jungen betroffen sind. Die Autoren geben zudem zu bedenken, dass Kinder und Jugendliche häufiger Sport treiben als Erwachsene und daher auch die meisten mit Sport assoziierten Gehirnerschütterungen erleiden.

Keine Kopfbälle im Kindesalter aus Angst vor Gehirnerschütterung?

Der US-Fußballverband hat daraus Konsequenzen gezogen und Kindern, die jünger als 11 Jahre alt sind, das Kopfballspiel komplett untersagt. Kinder zwischen 11 und 13 Jahren dürfen nur im Training köpfen, im Spiel nicht. Auch in Deutschland diskutieren Verbände, wie Sportler besser geschützt werden können. Ein Kopfballverbot scheint aber nicht in Sicht, zumal – so eine Argumentation – Gefahr für den Kopf nicht nur durch Bälle drohe, sondern auch beim Zweikampf. Die Reduktion von Kopfballtraining – vor allem im Kinder- und Jugendbereich – ist sicherlich sinnvoll, um die Gefahr für Verletzungen zu verringern. Gleichzeitig erscheint es aber auch notwendig, Trainer, Betreuer und Eltern für das Thema Gehirnerschütterungen im Sport und die Symptome von SHT zu sensibilisieren.

Dazu gibt es inzwischen einige Initiativen. Die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung hat die Initiative »Schütz deinen Kopf« ins Leben gerufen, um Eltern, Trainer und Athleten auf die Problematik aufmerksam zu machen. Die Gesellschaft für Sport-Neuropsychologie (GSNP) befasst sich ebenfalls intensiv mit leichten traumatischen Gehirnverletzungen im Sport. Sinnvoll ist eine Verringerung der SHT-Häufigkeit auch, weil nach einer Gehirnerschütterung bei Erwachsenen das Langzeitrisiko für einen Suizid dreimal höher ist als das der Allgemeinbevölkerung. Jede weitere Gehirnerschütterung erhöht das Risiko um ca. 30 Prozent.

SCAT-Testung

Unmittelbar nach einer Kopfverletzung, aber auch zur Verlaufsbeurteilung, kann eine Testung mittels des so genannten »Sport Concussion Assessment Tool« (SCAT/CHILD-SCAT 3) erfolgen. Sie ermöglicht eine Einschätzung der Schwere der vorliegenden Symptome, des Bewusstseins, der allgemeinen Orientierung, eine Gleichgewichts-, Koordinations- und Konzentrationstestung sowie die Testung des primären und sekundären Erinnerungsvermögens. Im Optimalfall gibt es von jedem Sportler eine Basisuntersuchung im gesunden Zustand, um bei Verdacht auf SHT vergleichen zu können. Als Kurzvariante kann ein Teil dieses Tests unmittelbar am Spielfeldrand durchgeführt werden. Dazu werden spezielle Fragen zur zeitlichen und örtlichen Orientierung gestellt, eine Gleichgewichtstestung durchgeführt sowie typische Symptome einer Gehirnerschütterung abgefragt.

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Pfister T, Pfister K, Hagel B, Ghali WA, Ronksley PE. The incidence of concussion in youth sports: a systematic review and meta-analysis. Br J Sports Med. 2016; 50: 292–297. doi:10.1136/bjsports-2015-094978

  2. Fralick M, Thiruchelvam D, Tien HC, Redelmeier DA. Risk of suicide after a concussion. CMAJ. 2016; 188: 497–504. doi:10.1503/cmaj.150790