Wie sich Obst und Gemüse auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirken
Bei der hohen Leistungsdichte im Spitzensport, aber auch beim Anspruch im (ambitionierten) Freizeit- und Breitensport ist es nicht verwunderlich, dass Athleten neben gezielten Trainingsreizen auch alle anderen möglichen Optionen zur Unterstützung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit nutzen möchten. Eine ausgewogene, auf die Belastungen abgestimmte Ernährung ist dafür eine wesentliche Voraussetzung. Doch bei Nachwuchsathleten wie Spitzensportlern, Fitnessstudiobesuchern wie Freizeittriathleten werden Gemüse und Obst selten als »heißer Tipp« gehandelt.
Nitrat – vom Bösewicht zum Heilsbringer?
Erst seit vor etwa fünf bis zehn Jahren bekannt wurde, dass nitratreiche Präparate und Gemüse die Ausdauerleistungsfähigkeit in so genannten Time-to-exhaustion-Tests erhöhen können (z. B. (8)), steht besonders ein Gemüse, die Rote Bete, hoch im Kurs. Zugeschrieben wird der Effekt der Erhöhung der Stickstoffmonoxid-Konzentration (NO). NO entsteht durch die Reduktion von Nitrit oder mithilfe der Stickstoffmonoxid-Synthase (NOS) aus Arginin. Es ist ein wichtiges Signalmolekül im menschlichen Körper und hat unter anderem eine gefäßerweiternde Funktion, agiert als Neurotransmitter und ist in die Immunfunktion involviert. Im Zusammenhang mit Belastungen soll es die Sauerstoffkosten senken und damit höhere Belastungen oder ein längeres Durchhalten ermöglichen.
Interessanterweise zeigt nur etwa die Hälfte aller Interventionsstudien einen – teilweise hohen – Effekt durch die Einnahme von Nitratsalzen oder nitratreichen Gemüsesorten wie grünen Blattpflanzen oder Roter Bete (häufig in Form von Saft) zweieinhalb Stunden vor einer Belastung, während bei der anderen Hälfte der Studien keine Wirkung nachgewiesen werden konnte. »Der aktuelle Stand ist, dass in ausgewählten Sportarten und unter bestimmten Bedingungen möglicherweise positive Auswirkungen zu erwarten sein können«, erläutert die Ernährungswissenschaftlerin und Juniorprofessorin Dr. Anja Carlsohn von der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd die Situation sehr vorsichtig.
So wurden die Effekte auch lediglich bei Freizeitsportlern, nicht aber bei Spitzensportlern beobachtet. Die potenziell negativen Auswirkungen, die bekanntermaßen durch Nitratsalze hervorgerufen werden können, wie beispielsweise die Entstehung von potenziell kanzerogenen Nitrosaminen, scheinen bei der Aufnahme von Nitrat aus natürlichen Produkten, wie dem bereits genannten und häufig in Studien verwendeten Rote-Bete-Saft oder anderen nitratreichen grünen Blattpflanzen, nach Einschätzungen von Experten kein Risiko für Athleten darzustellen. Man vermutet, dass die zusätzlich enthaltenen Stoffe wie Antioxidantien, Flavonoide und andere sekundäre Pflanzenstoffe hier schützend wirken können. Folglich scheint es möglich zu sein, durch eine gemüsereiche Ernährung die Nitrataufnahme zu erhöhen und davon leistungsmäßig zu profitieren.
Mit Gemüse und Obst schneller wieder fit
Mit diesem Wissen sollte die umfassende Versorgung mit Obst und Gemüse für Sportler eine Selbstverständlichkeit sein. Dr. Claudia Osterkamp-Baerens, Ernährungswissenschaftlerin und -beraterin am Olympiastützpunkt Bayern, stellt im Gespräch mit Athleten aber immer wieder fest: »Wenn ich mit einem Sportler seine Ernährungsprotokolle bespreche, ernte ich für den Hinweis auf mehr Obst und Gemüse fast immer gelangweiltes Augenrollen. Doch die aktuelle Studienlage zeigt, dass durch diese Haltung vielleicht ein Teil des Leistungspotenzials verschenkt wird.« Neben den bekannten und anerkannten Erkenntnissen zur positiven Wirkung eines regelmäßigen Obst- und Gemüseverzehrs auf den Blutdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen konnten in einigen Untersuchungen auch für Sportler interessante Effekte aufgezeigt werden. Beispielsweise verringern sich die Erholungszeit und das Ausmaß an Muskelschmerzen und es beschleunigt sich die Wiederherstellung der Kraft nach intensiver Belastung durch die Aufnahme von Wassermelonensaft (12), Sauerkirschsaft (2, 5, 9), Blaubeeren (10) oder Rote-Bete-Saft (4).
Ein subjektiv empfundener Mehrbedarf
Die Ergebnisse dieser Studien könnten vielleicht dazu beitragen, den Sportlern, aber auch Trainern, Betreuern und Ärzten, das Potenzial von Obst und Gemüse für die sportliche Leistungsfähigkeit näher zu bringen. »Bislang wird die Erinnerung an mehr Gemüse und Obst auf dem Teller der Athleten von den meisten Beteiligten nicht recht ernst genommen«, bedauert Dr. Osterkamp-Baerens. »Dabei muss festgehalten werden, dass der Verzehr von komplettem Obst und Gemüse besser wirkt als die Einnahme von Einzelsubstanzen.« Die positiven Wirkungen scheinen durch die natürliche Kombination aller Inhaltsstoffe gefördert zu werden. Dennoch nehmen 80 bis 90 Prozent der Nachwuchsathleten regelmäßig Vitaminpräparate und andere Nahrungsergänzungsmittel ein (3, 6), auch wenn belastbare Aussagen zu Wirkungen und Nebenwirkungen häufig nicht getroffen werden können.
Eine umfassende Übersicht über natürliche und industrielle Supplemente und Inhaltsstoffe von Lebensmitteln sowie die Evidenz für deren Wirkungen gibt das Buch bzw. die im British Journal of Sports Medicine erschienene Artikelserie »Nutritional Supplements in Sport, Exercise and Health: An A-Z Guide« von Dr. Linda M. Castell. Neben klassischen Motiven wie dem Wunsch nach Verbesserung der Gesundheit, dem Ausgleich unausgewogener Ernährung, Leistungssteigerung und weil der Trainer es empfiehlt oder andere Athleten Präparate einnehmen, beobachtet Carlsohn ein weiteres Motiv: »Viele Sportler haben durch die intensive Belastung und das Schwitzen das Gefühl, einen individuellen Mehrbedarf an Nährstoffen zu haben, auch wenn dieser in Untersuchungen nicht quantifiziert werden kann.« Das bedeutet aber auch, dass ein gefühlter oder eventuell tatsächlich bestehender Mehrbedarf gut über eine gemüse- und obstreiche Ernährung ausgeglichen werden könnte.