Vitamin-D-Substitution im Sport – wann sie sinnvoll ist

Vitamin-D-Substitution im Sport – wann sie sinnvoll ist

Das Wissen rund um Vitamin D – an welchen Vorgängen es beteiligt ist, welche Funktionen es erfüllt und welche Serumspiegel für eine optimale Versorgung oder einen Mangel sprechen – steigt seit einigen Jahren kontinuierlich. Es gibt jedoch auch viele widersprüchliche Aussagen und Informationen. Vertreten sind alle Extreme: von allzu sorglosem Umgang mit der Substitution bis zur Einordnung als »unnötig«. Der folgende Artikel befasst sich insbesondere mit den Aspekten, die Athletinnen und Athleten betreffen.

Vitamin D (VitD) erfüllt im Körper zahlreiche Funktionen. Dass es die Aufnahme von Kalzium aus dem Magen-Darm-Trakt sowie die Knochenhärtung fördert, ist schon lange bekannt. Neuer sind Erkenntnisse bezüglich seiner Rolle für Muskelkraft, Leistungsfähigkeit und Immunfunktion – allesamt Prozesse, die im Profisport essenziell sind. Zudem finden sich Rezeptoren für VitD in vielen weiteren Gewebetypen, wobei seine Funktionen noch nicht überall geklärt sind.

Gezeigt werden konnte bereits, dass bei Serumwerten <12 ng/ml häufiger Infektionen der oberen Atemwege mit schwereren Symptomen auftreten als bei optimalen VitD-Spiegeln >48 ng/ml (3). Auch auf die Muskelstruktur, den Querschnitt und die Anzahl von Typ-II-Muskelfasern, den Schutz vor Myopathien und die Regeneration scheint VitD günstige Effekte zu haben (6). So ist es kein Wunder, dass Sportlerinnen und Sportler weltweit von dem nicht auf der Dopingliste stehenden Wundermittel profitieren möchten und VitD-Präparate teilweise in extrem hohen Dosierungen einnehmen. Zu empfehlen ist das ohne ärztliche Begleitung auf keinen Fall, denn nicht immer ist mehr besser als viel. Doch in vernünftigem Maß kann eine VitD-Substitution bei großer sportlicher Belastung durchaus sinnvoll sein.

Vitamin D – kein Vitamin, sondern ein Hormon

Vitamin D ist genau genommen kein Vitamin, denn der Körper kann es, anders als »richtige« Vitamine, selbst herstellen. Dazu braucht er Sonnenlicht (genauer gesagt UV-B-Strahlung der Wellenlänge 290 bis 315 nm), das auf die Hautoberfläche trifft. Auf diese Weise entsteht Provitamin D. Über Zwischenstufen in Leber und Niere wird das biologisch aktive Vitamin D (Calcitriol) gebildet. Calcitriol hat eine sehr kurze Halbwertszeit, weswegen es sich nicht zur Erhebung des VitD-Status eignet. Aus diesem Grund wird bei der Bestimmung des Pegels eine Vorstufe, 25- Hydroxy-Vitamin-D3/2 (auch als 25(OH)D bezeichnet), im Serum gemessen.

Die Grenzwerte, die einen Mangel, eine Unter- bzw. Optimalversorgung oder auch zu hohe Spiegel anzeigen, unterscheiden sich zwischen Ländern und Regionen. Grund dafür ist unter anderem, dass individuelle Faktoren wie Lebensalter, Hautfarbe, Körpergewicht, Lebenswandel (Aufenthalt im Freien), Anteil der von Kleidung bedeckten Körperfläche und geografische Breite die VitD-Produktion beeinflussen. »Für die Definition von Normalwerten müssen 95 ± 2,5 Prozent der Messwerte innerhalb eines Bereiches liegen. Die Wahl der Bevölkerungsgruppe, in der gemessen wird, kann diese Werte beeinflussen«, erklärt Prof. Johannes Scherr, Chefarzt und Leiter des Universitären Zentrums für Prävention und Sportmedizin am Universitätsklinikum Balgrist in Zürich. In Deutschland finden die Werte der Endokrinologischen Gesellschaft den größten Konsens (Tab. 1).

Serumkonzentration 25(OD)D und ihre Bedeutung, Vitamin D
© DZSM 2021
Prof. Johannes Scherr, Chefarzt und Leiter des Universitären Zentrums für Prävention und Sportmedizin am Universitätsklinikum Balgrist in Zürich.
Prof. Johannes Scherr, Chefarzt und Leiter des Universitären Zentrums für Prävention und Sportmedizin am Universitätsklinikum Balgrist in Zürich. ©Scherr
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Outdoor- und Indoor-Sportler haben zu geringe Vitamin-D-Werte

Eine Meta-Analyse über die Jahre 2008 bis 2014 ergab, dass 56 Prozent der untersuchten 2313 Athleten nicht über ausreichende VitD-Spiegel verfügten. Während der Wintermonate waren sie nochmals signifikant niedriger (2). Das Risiko von Indoor-Sportlern für eine Unterversorgung oder einen Mangel war nochmals größer. Doch auch unter professionellen Fußballspielern waren 32,9 Prozent nicht ausreichend und neun Prozent mangelversorgt (7). Eine Untersuchung polnischer Sportler fand suboptimale Werte bei 80 Prozent der draußen und 84 Prozent der drinnen trainierenden Athleten (5).

Ganzjährig ist die Möglichkeit, durch Sonnenexposition genügend VitD zu erzeugen, nur südlich des 35. Breitengrades gegeben, also ca. auf Höhe von Casablanca in Nordafrika. In Deutschland (47–55° nördliche Breite) ist die körpereigene Bildung überhaupt nur etwa zwischen März bis Oktober im Freien möglich. »Bei einem 30-minütigen Sonnenbad in Bikini oder Badehose können bis zu 200 000 Einheiten Vitamin D gebildet werden. Voraussetzung ist aber, dass kaum Feinstaub in der Luft ist – denn der filtert die UVB-Strahlung heraus – und dass kein Sonnenschutz verwendet wird. Bereits ab Lichtschutzfaktor 10 wird nämlich kein Vitamin D mehr gebildet «, betont Prof. Dr. Roland Gärtner, Endokrinologe am Klinikum der LMU München.

So besteht grundsätzlich die Möglichkeit, in den Sommermonaten die VitD-Speicher zu füllen. Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) gibt an, dass eine 25(OH)D-Konzentration von 20 ng/ ml (50 nmol/l) durch täglich 5–25 Minuten Sonne erreicht werden kann, wenn Gesicht, Hände und Teile von Armen und Beinen unbedeckt sind (1). In die Praxis umsetzbar und praktikabel scheint diese Angabe für die meisten jedoch kaum. Nicht nur, dass 20 ng/ml gerade einmal die untere Grenze zum Mangel darstellen, sondern auch, weil wetter- und temperaturbedingt ein Aufenthalt in T-Shirt und kurzen Hosen zwischen März und Oktober nicht immer möglich ist. Über die Nahrung, die zweite Quelle für Vitamin D, kann man den Bedarf keinesfalls ausreichend decken; darüber sind sich alle Experten einig.

Regelmäßige Substitution häufig sinnvoll

Die Substitution, also die Zuführung von VitD durch entsprechende Präparate, scheint unumgänglich. Während das BfR zwar konstatiert, dass fast 60 Prozent der Bundesbürger eine Blutkonzentration von 20 ng/ml 25(OH)D nicht erreichen, ist es bei der Empfehlung von Vitamin-D-Präparaten zurückhaltend und sieht eine Notwendigkeit nur für Risikogruppen – also Personen, die nicht ausreichend und regelmäßig in die Sonne gehen können, insbesondere alte und mobilitätseingeschränkte Menschen sowie Osteoporose-Patientinnen und -Patienten. Prof. Gärtner vertritt eine andere Position: »Bei den meisten Menschen, egal welchen Alters, sind die Werte nicht im optimalen Bereich. Sportler verbrauchen durch ihre intensive körperliche Aktivität zusätzlich Vitamin D, das sie nicht über die Nahrung und nur bedingt über die Sonne ausgleichen können. Eine tägliche Substitution von 25– 50 μg Vitamin D – das entspricht 1000–2000 Internationalen Einheiten (IE) – ist zur Erhaltung des gesunden Vitamin-D-Spiegels notwendig.«

Auch Prof. Scherr sieht es ähnlich: »Studien zeigen, dass 1000 IE zu wenig sind, um aus einem Defizit herauszukommen. Für sinnvoll erachte ich bei Sportlern mit zu niedrigen Serumwerten 4000–5000 IE pro Tag, bis die optimale Serumkonzentration von 40–60 ng/ml 25(OH)D erreicht ist, und anschließend dauerhaft täglich 1000–2000 IE zur Erhaltung. Durch Messung der Serumwerte jeweils zu Sommer- und Winterbeginn können bei Bedarf Anpassungen vorgenommen werden.«

Mit Hilfe einer Formel kann ausgehend von der aktuellen 25(OH)DSerumkonzentration, der angestrebten Erhöhung des Wertes, Alter, BMI und Albuminkonzentration die zu substituierende Dosierung und der Einnahmezeitraum berechnet werden (9). Nicht zu empfehlen ist die eigenmächtige Einnahme von Vitamin- D-Präparaten ohne vorherige Messung. Werte von über 75 ng/ml sind, auch wenn noch keine gesundheitlichen Schädigungen drohen, nicht erstrebenswert. Denn mit sehr hohen Serumspiegeln steigt die Gefahr für die Kalzifizierung der Gefäße, Nierensteine und Störungen der Nierenfunktion, während positive Effekte über die optimale Dosis hinaus nicht linear zunehmen. Ob, wie häufig betont, die Kombination von VitD mit Vitamin K2 weitere Vorteile für den Knochenstoffwechsel bringt, ist noch nicht ausreichend mit Evidenz belegt.

Prof. Dr. Roland Gärtner, Endokrinologe am Klinikum der LMU München.
Prof. Dr. Roland Gärtner, Endokrinologe am Klinikum der LMU München. ©Gärtner
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Zusammenhang zwischen Eisen und Vitamin-D-Status bei Eliteathletinnen

VitD-Spiegel im optimalen Bereich sind also für jede Person und jeden Sportler erstrebenswert. Besonders bei Sportlerinnen scheint eine optimale Versorgung weitere Vorteile zu bringen. Denn neuere Untersuchungen deuten stark darauf hin, dass Eisen und VitD sich gegenseitig beeinflussen. Athletinnen haben in jedem Alter wegen des regelmäßigen Blutverlusts durch die Menstruation und nicht selten durch ein Energiedefizit ein erhöhtes Risiko für Eisenmangel (Relative Energy Deficit Syndrome, REDS). Eine Untersuchung an Eliteathletinnen brachte zutage, dass die Wahrscheinlichkeit (OR) für einen VitD-Mangel mit zunehmender Stärke des Eisenmangels von 1,75 auf 4,6 anstieg (8). Zugleich war der Anteil an Frauen mit Eisenmangel in der Gruppe mit VitD-Mangel höher als in der Gruppe ausreichend versorgter Probandinnen (32 vs. 11 Prozent).

Wie genau der Einfluss beider Faktoren aufeinander ist, ist noch unklar. Möglicherweise stört ein Mangel an Eisen die Synthese von VitD3, da diese Prozesse von Häm-enthaltenden Cytochromen abhängen (u. a. 10). Ein Mangel an VitD hingegen verschlechtert den Eisenstatus und erhöht das Risiko für eine Anämie. Vermutet wird, dass VitD via Zytokine die Wirkung von Hepcidin stört. Hepcidin reguliert die Aufnahme von Eisen aus dem Darm

Vitamin-D-Versorgung von Kindern und Jugendlichen

In Deutschland wird für Säuglinge im ersten Lebensjahr eine tägliche Gabe von 500 IE pro Tag empfohlen. »Doch auch danach bräuchten kleine Kinder zusätzliches Vitamin D, bis sie draußen ausgiebig toben. Haben sie zu wenig davon, ist die Knochenhärtung vermindert. Allerdings sollte es auch nicht zu viel sein, denn sonst härten die Knochen zu schnell. Daher ist auch bei Kindern eine Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels sinnvoll«, erklärt Prof. Gärtner. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA empfiehlt für Kinder bis 10 Jahre eine tägliche Zufuhr von 50 μg Vitamin D. Dieser Wert umfasst nicht nur VitD-Präparate, sondern auch Lebensmittel, die VitD enthalten. Ab 11 Jahren ist eine Gesamtzufuhr von 100 μg pro Tag denkbar.

Fazit: Vitamin D ist für zahlreiche Vorgänge im Körper wichtig. Doch wie so oft in biologischen Systemen ist ein verantwortungsvoller Umgang essenziell, wenn durch externe Zufuhr in das System eingegriffen wird. Dennoch ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass in unseren Breiten die meisten Menschen nicht allein durch Sonnenexposition die physiologisch sinnvolle Konzentration von 40–60 ng/ml 25(OH)D im Blutserum erreichen können. Um die Potenziale, die eine optimale Vitamin-D-Versorgung bietet, voll ausschöpfen zu können, sind sie auf eine Zufuhr über Präparate angewiesen.

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Ausgewählte Fragen und Antworten zu Vitamin D [aufgerufen: 21.01.2021]

  2. Farrokhyar F, Tabasinejad R, Dao D, Peterson D, Ayeni OR, Hadioonzadeh R, Bhandari M. Prevalence of vitamin D inadequacy in athletes: a systematic-review and meta-analysis. Sports Med. 2015; 45: 365-378. doi:10.1007/s40279-014-0267-6

  3. He CS, Handzlik M, Fraser WD, Muhamad A, Preston H, Richardson A, Gleeson M. Influence of vitamin D status on respiratory infection incidence and immune function during 4 months of winter training in endurance sport athletes. Exerc Immunol Rev. 2013; 19:86-101

  4. Holick MF, Binkley NC, Bischoff-Ferrari HA, Gordon CM, Hanley DA, Heaney RP, Murad MH, Weaver CM; Endocrine Society. Evaluation, treatment, and prevention of vitamin D deficiency: an Endocrine Society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab. 2011; 96: 1911-1930. doi:10.1210/jc.2011-0385

  5. Krzywanski J, Mikulski T, Krysztofiak H, Mlynczak M, Gaczynska E, Ziemba A. Seasonal Vitamin D Status in Polish Elite Athletes in Relation to Sun Exposure and Oral Supplementation. PLoS One. 2016; 11: e0164395. doi:10.1371/journal.pone.0164395

  6. Książek A, Zagrodna A, Słowińska-Lisowska M. Vitamin D, Skeletal Muscle Function and Athletic Performance in Athletes-A Narrative Review. Nutrients. 2019; 11: 1800. doi:10.3390/nu11081800

  7. Lombardi G, Vitale JA, Logoluso S, Logoluso G, Cocco N, Cocco G, Cocco A, Banfi G. Circannual rhythm of plasmatic vitamin D levels and the association with markers of psychophysical stress in a cohort of Italian professional soccer players. Chronobiol Int. 2017; 34: 471-479. doi:10.1080/07420528.2017.1297820

  8. Malczewska-Lenczowska J, Sitkowski D, Surała O, Orysiak J, Szczepańska B, Witek K. The Association between Iron and Vitamin D Status in Female Elite Athletes. Nutrients. 2018; 10: 167. doi:10.3390/nu10020167

  9. Singh G, Bonham AJ. A predictive equation to guide vitamin D replacement dose in patients. J Am Board Fam Med. 2014; 27: 495- 509. doi:10.3122/jabfm.2014.04.130306

  10. Toxqui L, Vaquero MP. Chronic iron deficiency as an emerging risk factor for osteoporosis: a hypothesis. Nutrients. 2015; 7: