Sportpsychiatrische Untersuchung im Leistungssport
Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags (Review) aus der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM) mit Link zum englischsprachigen Originalartikel und Downloadmöglichkeit als PDF.
Sportmedizinische Untersuchung
Die Sportmedizinische Untersuchung (SMU) wird in vielen Ländern vor bzw. während der Ausübung von Leistungssport empfohlen. Die dezidierte Exploration psychischer Beschwerden und Erkrankungen im Sinne eines psychiatrisches Basis-Assessment (PBA) innerhalb der SMU ist noch nicht die Regel. Der aktuelle Stand internationaler Empfehlungen für die Diagnostik psychischer Beschwerden in der SMU wird erläutert.
Modelle sportpsychiatrischer Untersuchung
Verschiedene Screening-Konzepte und Assessments für psychische Beschwerden im Leistungssport wie das Sport Mental Health Assessment Tool 1 (SMHAT-1) werden kritisch diskutiert. Die Implementierung eines PBA in die jährliche SMU wird vorgeschlagen und inhaltlich dargestellt. Neben allgemeinen Fragen zu psychischen Beschwerden und psychiatrischen Vordiagnosen, der Erhebung des Allgemeinen Wohlbefindens mit dem WHO-5, der Allgemeinen Lebenszufriedenheit mit dem L-1 sowie einer Substanzanamnese, sollten im PBA beschwerdespezifische Inhalte wie depressive Beschwerden, Schlafstörungen oder Gewalterfahrungen ebenso erfragt werden wie leistungsbezogene Inhalte wie Leistungsfähigkeit, Erholung und Schmerzen. Auffällige Befunde in dem PBA, Krisen, Notfälle sowie auffällige Änderungen des Verhaltens sollten zur weiteren sportpsychiatrischen Evaluation (SPE) durch dafür qualifizierte Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiater und -psychotherapeuten führen.
Mehrstufige Diagnostik
Ein dreistufiges diagnostisches Vorgehen mit Erhebung des Ausmasses von Beeinträchtigungen, des Funktionsniveaus, der allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung und der Resilienz im ersten Schritt, einem strukturierten Interview psychiatrischer Beschwerden mit dem Mini-DIPS im zweiten Schritt sowie einer Symptom- oder krankheitsspezifischen Diagnostik im dritten Schritt, wird vorgeschlagen und dargestellt. Ziel ist es, anhand diagnostischer und prozeduraler Standards, Risiken für die psychische Gesundheit, Belastungen und bereits manifeste Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen und einer qualifizierten, fachärztlichen bzw. fachpsychologischen Behandlung zuzuführen.
Zielsetzungen
Durch das mehrstufige Vorgehen soll die Akzeptanz für ein psychiatrisches Screening innerhalb der SMU erhöht werden, zudem soll die erforderliche Diagnostik zeitökonomisch gut organisierbar sein. Die Zahl falsch positiver Ergebnisse soll gering gehalten werden, zudem sollen Überdiagnostik und Psychiatrisierung nicht behandlungsbedürftiger Beschwerden vermieden werden. Die diagnostischen Standards sollen die Forschung begünstigen und der Nutzen durch Studien überprüft werden.
■ Gonzalez Hofmann C, Wyssen A, Schorb A, Allroggen M, Dallmann P, Schmidt RE, Graffius S-T, Niebauer J, Herfert J, Fröhlich S, Scherr J, Claussen MC