Psychische Probleme im Profisport – auch nach Ende der Karriere noch ein Thema

Psychische Probleme im Profisport – auch nach Ende der Karriere noch ein Thema
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Dass viele Leistungssportler durch den enormen Druck psychische Erkrankungen entwickeln, ist bekannt. Kein Wunder – immerhin sind Spitzenathleten, wie eine Studie aus dem Jahr 2010 zeigte, über die Dauer ihrer Laufbahn hinweg bis zu 640 verschiedenen Stressoren ausgesetzt. Doch selbst wenn organisierter Trainings- und Wettkampfstress nach Beendigung der Profikarriere wegfallen, bedeutet das nicht unbedingt weniger seelische Belastung. Eine niederländische Metaanalyse zeigt nun auf, dass vor allem Athleten, die ihre Karriere unfreiwillig (z. B.  verletzungsbedingt) auf Eis legen mussten, weiterhin vulnerabel für psychische Krankheitssymptome sind (1). Dasselbe gilt, wenn die Dauerbelastung persistierende Schmerzen hinterlassen hat oder dem Sportler eine tragfähige „Exit-Strategie“ fehlt.

Prävalenz psychischer Probleme unter aktiven und früheren Leistungsathleten

In ihrer Metaanalyse untersuchten die Autoren insgesamt 34 hochwertige englischsprachige Originalstudien auf Hinweise bezüglich psychischer Probleme im Leistungssport. 18 davon befassten sich mit aktiven, 11 mit früheren Athleten und 4 mit beiden Gruppen. Alter und Geschlecht der untersuchten Teilnehmenden variierten, die Heterogenität zwischen den Studien war gut. Auffallend war die Zahl der Arbeiten nach 2010 (32 von 42!) – offensichtlich steigt das Interesse an psychischer Gesundheit im Profisport kontinuierlich an. Inkludiert wurden nur Studien mit direktem Bezug auf psychische Symptomatiken wie allgemeine seelische Belastung, Schlafstörungen, Angststörungen und Depression (hier wurde nicht unterschieden) sowie Alkoholmissbrauch.

Das Ergebnis (siehe Tabelle 1): Insgesamt nehmen manche der psychischen Belastungssymptome nach Beendigung der Sportlerkarriere zwar leicht ab, liegen aber höchstwahrscheinlich weiterhin über der durchschnittlichen Prävalenz in der Normalbevölkerung (leider fehlt eine direkte Vergleichsmöglichkeit innerhalb der berücksichtigten Studien). Die Studienautoren führen dies auf die besondere Lebensgestaltung von Leistungsathleten zurück, in der sportspezifische Stressoren wie Leistungsdruck, Verletzungsgefahr und -häufigkeit, wiederholte Operationen, Leistungsabfall oder ungesunde Perfektionsansprüche an sich selbst omnipräsent sind. Zumindest diese Faktoren fallen weg, wenn ein Sportler – freiwillig oder unfreiwillig – die Karriere hinter sich lässt. Andere kommen jedoch hinzu, zum Beispiel der Wegfall der sportlichen (Berufs-)Identität, gewohnter Abläufe und Erfolgserlebnisse sowie körperlicher Fitness. Wer chronische Schmerzen zurückbehält, hat ein nochmals erhöhtes psychisches Risiko.

Tab. 1: Prävalenz psychischer Probleme
SymptomPrävalenz unter aktiven AthletenPrävalenz unter früheren Athleten
Allgemeine seelische Belastung20 %16 %
Schlafstörungen26 %21 %
Depression/Angststörung34 %26 %
Alkoholmissbrauch19 %21 %

Alkoholmissbrauch und Schlafstörungen

Überraschend sind die Zahlen bezüglich Alkoholmissbrauch: Immerhin 19 Prozent der aktiven Sportler – verglichen mit 21 Prozent unter ehemaligen Athleten – berichten über regelmäßigen substanziellen Alkoholkonsum. Angesichts der negativen Einflüsse auf Leistung und Erholungszeiten wäre hier mehr Vernunft zu erwarten gewesen. Die Studienautoren vermuten, dass bei aktiven Athleten z. B. „binge drinking“ außerhalb der Spielsaison die Gesamtquote in die Höhe treibt, während ehemalige Leistungssportler aus Phasen depressiver Verstimmung heraus trinken. Schlafstörungen bei aktiven Athleten (26 Prozent gegenüber 21 Prozent nach Karriereende) führen die Autoren beispielsweise auf Wettbewerbsstress, nächtliche Sportevents, frühmorgendliches Training und Reisen zurück.

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse plädieren die Autoren für mehr interdisziplinäre psychosoziale Betreuungskonzepte nicht nur während der aktiven sportlichen Karriere. Auch das Ausscheiden aus dem Leistungssport sollte frühzeitig thematisiert und engmaschig begleitet werden. Dies könne etwa im Rahmen von sogenannten Exit-Untersuchungen geschehen.

■ Kura L

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Quellen:

  1. Gouttebarge V, Castaldelli-Maia JM, Gorczynski P, Hainline B, HJitchcock ME, Kerkhoffs GM, Rice SM, Reardon CL. Occurrence of mental health symptoms and disorders in current and former elite athletes: a systematic review and meta-analysis. Br J Sports Med 2019; 53: 700–707. doi:10.1136/bjsports-2019-100671