Übertraining aus sportpsychiatrischer Sicht

Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags (Review) aus der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM) mit Link zum englischsprachigen Originalartikel und Downloadmöglichkeit als PDF.

Übertraining aus sportpsychiatrischer Sicht
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Übertraining und psychische Symptome

Übertraining wird im Allgemeinen zu wenig Aufmerksamkeit beigemessen. Auch der Prävention wird nicht genug Aufmerksamkeit eingeräumt. In Folge dessen werden oft auch erste Warnsignale und Symptome zu spät wahrgenommen oder zu spät richtig gedeutet. Im Rahmen dessen kann es überdies zur Häufung von Verletzungen kommen. Auffällige psychische Parameter können auf eine Überbelastung hindeuten. Zu nennen sind beispielsweise Unruhe, Reizbarkeit, emotionale Instabilität, wiederkehrende Angstzustände, Schlafstörungen oder depressive Symptome und Störungen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die psychische Verfassung der Athleten immer auch durch die Struktur der Persönlichkeit und möglicher vorbestehender Störungen bedingt ist. Eine bedeutende Rolle kommt der Grundpersönlichkeit zu, wenn es um Selbstwahrnehmung und Selbstschutz geht, insbesondere auch dann, wenn es darum geht, eigene Grenzen zu erkennen und zu wahren.

Behandlung

Durch die zunehmende Professionalisierung und Wettkampfdichte im Leistungssport besteht heutzutage eine höhere Wahrscheinlichkeit, einen Übertrainingszustand zu entwickeln, auch weil es im Rahmen dessen immer schwieriger wird, ausreichend zu regenerieren, insbesondere im hochprofessionellen Sport mit engen Terminplänen. Eine spezifische Therapie des Übertrainings, etwa mit Medikamenten oder Nahrungsergänzungspräparaten, existiert nicht. Zur Ergänzung einer Behandlung werden von einigen Autoren Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer empfohlen, da neuroendokrinologische Effekte von Übertraining und Depression Gemeinsamkeiten zeigen. Insbesondere beim Vorliegen einer Depression sollte entsprechend der Leitlinien antidepressiv behandelt werden. Ein multidisziplinäres Management unter Einbeziehung von Experten für psychische Gesundheit wird empfohlen. Bei ausgeprägter Schlafstörung kann zudem mit Trazodon behandelt werden.

Synergetisches Navigationssystem (SNS)

Für eine systematische Erfassung psychischer Parameter steht das Synergetische Navigationssystem (SNS) zur Verfügung. Das SNS ist ein internetbasiertes System zur Erfassung, Visualisierung und Analyse von Veränderungsprozessen und deren nichtlinearen Verläufen. Die Darstellung und Auswertung erlaubt ein Prozessfeedback sowie ein datenbasiertes Management von Veränderungs- und Trainingsprozessen. Fragebögen, die für hochfrequente Selbsteinschätzungen (z.B. Tag für Tag) verwendet werden, liefern Daten- und Zeitreihen, die zur Reflexion des visualisierten Prozesses genutzt werden können. Die im SNS verfügbaren Analysewerkzeuge (z.B. Synchronisationsmuster, Berechnung der dynamischen Komplexität, Komplexitäts-Resonanz-Diagramme, Recurrence-Plots, Inter-Item-Korrelationsmatrizen) geben Hinweise auf nichtlineare Muster und Musterübergänge wie plötzliche Änderungen (Phasenübergänge), kritische Instabilitäten oder dynamische Inter-Item-Synchronisation. Insbesondere Indikatoren für Musterübergänge bei pathologischen Entwicklungen oder während Trainingsprozessen können rechtzeitig identifiziert und adressiert werden.

Multidisziplinäres Management

Das Prozessmanagement kann durch Personen erfolgen, die mit den Athleten arbeiten (z.B. Trainer, Sportpsychologen, Ärzte oder Psychotherapeuten) oder durch die Sportler selbst. Selbsteinschätzungen psychologischer Parameter (z.B. Kognitionen, Emotionen, Motivations- oder Stimmungsdynamik) können angesprochen und in Beziehung mit physiologischen oder Leistungsparametern gesetzt werden.

■ Schorb A, Niebauer J, Aichhorn W, Schiepek G, Scherr J, Claussen MC

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