Risikobasiertes Herz-Screening auch bei jungen Athleten?
Angeborene oder erbliche Herzanomalien prädisponieren bei hoher körperlicher Belastung nachweislich für ventrikuläre Tachyarrhythmien – unabhängig vom Alter. Plötzlicher Herztod (SCD = sudden cardiac death) ist auch bei jungen Athleten eine der häufigsten medizinischen Todesursachen im Sport. Viele wissenschaftliche und sportliche Organisationen empfehlen deshalb auch für sie regelmäßige Screenings auf kardiovaskuläre Erkrankungen (PPCS = Pre-participation cardiovaskular screening). Das Vorgehen hat sich bewährt: Seit im Leistungsbereich ein Herz-Screening bestehend aus Anamnese, körperlicher Untersuchung und EKG sportkardiologischer Standard ist, sank die Sterblichkeitsrate aufgrund kardiovaskulärer Ursachen um fast 90 Prozent. Das EKG hat sich dabei in einer großen Studie im Vergleich zum 14-Punkte-Set aus Anamnese und körperlicher Untersuchung als hochsensitiv mit sehr guter prädiktiver Aussagekraft herausgestellt, vor allem wenn es regelmäßig spätestens alle zwei Jahre wiederholt wird. Trotzdem haben EKG-Reihentestungen ihre Tücken und werden in USA vor allem aus Kostengründen in Frage gestellt, weshalb die American Medical Society for Sports Medicine nun ein patientenorientiertes neues PPCS-Framework modelliert hat (1).
Ätiologie und Inzidenz
Das Verständnis der Ätiologie lebensbedrohlicher kardialer Ereignisse ist von größter Bedeutung. Autopsien an jungen, sportlichen Herztod-Opfern zeigen in annähernd der Hälfte der Fälle ein strukturell normales Herz bei toxikologischer Unauffälligkeit, was letztlich zu einer SCD-Diagnose führt. Als Ursache führen Spezialisten weitgehend primäre kardiale Ionenkanalstörungen oder angeborene akzessorische Leitungsbahnen an. Solche Diagnosen, eventuell ergänzt durch postmortale Gentests, sind umso wichtiger, wenn man bedenkt, dass derartige Pathologien mit bis zu 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit vererbt werden.
Die Autoren des oben erwähnten Frameworks merken an, dass gerade das Fehlen einheitlicher Inzidenzschätzungen, bei denen Plötzlicher Herzstillstand (SCA = sudden cardiac arrest) und SCD in aussagekräftige Relation gesetzt werden, ein verändertes Screenigverhalten notwendig macht. Momentan liefern viele Studien diesbezüglich noch beunruhigende Fehleinschätzungen, weil sich die SCA-Überlebensrate z. B. durch die Einführung von Notfallplänen und die Vorhaltung externer Defibrillatoren an Sportstätten entscheidend verbessert hat. Hier müssen die Begriffe „Athlet“ und „Ereignis“ (etwa nur während des Trainings, auch während anderer körperlicher Anstrengung etc.) ebenso klar definiert werden wie die jeweils betrachtete Altersspanne.
Schwachstellen von EKG-Befunden
Trotz der eingangs erwähnten Vorteile: EKG-Befunde können auch problematisch werden – vor allem, wenn sie falsch-positive Ergebnisse liefern. Missdeutet das EKG etwa ein strukturell verändertes, aber nicht zwingend pathologisches „Sportherz“ als Kardiomyopathie, zieht der Hinweis meist weitere kostenintensive Untersuchungen nach sich – oder der Athlet wird ungerechtfertigt von der Teilnahme ausgeschlossen. Ebenfalls problematisch sind falsch-negative Befunde, resultierend aus diagnostischen Schwächen des EKGs z. B. bei der Detektierung von hypertrophischer Kardiomyopathie (10 Prozent Nichterkennung), Long-QT-Syndrom (70 Prozent Nichterkennung) oder vorzeitiger KHK (90 Prozent Nichterkennung). Auch kann ein reines Ruhe-EKG z. B. bei koronarer Herzerkrankung oder Aortopathien völlig normal sein. Die korrekte kardiologische Durchführung und Interpretation eines Sportler-EKGs erfordert also eine spezielle Ausbildung. Im Leistungssportbereich schwankt die daraus resultierende Debatte momentan zwischen zwei Haltungen: Entweder sollen alle Athleten obligatorisch per EKG gescreent werden oder keine.
Anamnestisch relevante Risikofaktoren
Bisherige Studien zeichnen trotz aller Strukturschwächen ein recht eindeutiges Bild kardiologischer Risiken für junge Sportler, darunter Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und Sportart. So haben junge Athleten mit kardiovaskulär belastenden Standard-Faktoren wie Adipositas, Hypertonie, Diabetes mellitus, Rauchen und Hyperlipidämie ein erhöhtes SCA-Risiko, wenn auch nicht in gleichem Maße wie bei Älteren.
Extrem deutlich sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Männliche Sportler sind in Sachen SCA/SCD um das (je nach Studie) Drei- bis Zehnfache stärker gefährdet als Frauen – vermutlich durch das komplexe Zusammenspiel von genetischen, hormonellen phänotypischen, vielleicht auch umweltbedingten Einflüssen.
Die ethnische Zugehörigkeit spielt eine weitere entscheidende Rolle: Immerhin liegt die Wahrscheinlichkeit, beim Sport mindestens einen Plötzlichen Herzstillstand zu erleiden und schlimmstenfalls daran zu sterben, für schwarze Athleten um das Drei- bis Fünffache höher.
Und schließlich macht auch die gewählte Sportart einen enormen Unterschied: In den USA treten allein in Basketball und American Football zusammen 50 bis 61 Prozent aller Fälle von SCA und SCD auf, in Großbritannien und Kanada wurden Fußballspieler, in Kanada zusätzlich Ju-Jitsu- und Basketball-Athleten als besonders gefährdet identifiziert (Eishockey und Laufveranstaltungen inkl. Marathon- oder Triathlonläufe wiesen dagegen eine weitaus geringere Inzidenz auf).
Die Berücksichtigung von Ethnie, jugendlichem Alter sowie einiger unspezifischer elektrischer Anomalien hat in den letzten Jahren bereits die Spezifität kardiologischer EKG-Tests verbessert und deren Rate an falsch-positiven Ergebnissen verringert.