Placeboanalgesie – Wirkmechanismen schmerzstillender Scheinbehandlungen

Placeboanalgesie – Wirkmechanismen schmerzstillender Scheinbehandlungen
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Wer von einer medizinischen Behandlung viel erwartet, darf sich dank Placeboeffekt zumeist tatsächlich über bessere Ergebnisse freuen als kritisch eingestellte Patienten. Dies gilt in besonderem Maße für Schmerztherapien; sie profitieren von der sogenannten Placeboanalgesie. Die Existenz des Phänomens ist unbestritten, seine genaue Wirkweise jedoch komplex und nicht umfassend bekannt. Welche neurobiologischen und neurophysiologischen Mechanismen hinter „weggewünschten Schmerzen“ stecken, hat nun ein deutsches Forschungsteam in einem Review zusammengefasst (1). Dessen Credo: Die neurobiologischen Grundlagen und beteiligten Transmittersysteme hinter der Placeboanalgesie zu verstehen, ist überaus wünschenswert. Denn wie verschiedene Studien zeigen, entspricht unter bestimmten Umständen der Effekt eines Placebos demjenigen starker Opioide – jedoch ohne deren Nebenwirkungspotenzial im Gepäck.

Ein unverzichtbarer Bestandteil der Schmerz- und Placeboforschung ist die funktionelle Magnetresonanztomgraphie (fMRT). Sie misst Veränderungen der Hirnaktivität unter Analgetika- und Placebogaben und macht sichtbar, welche Hirnareale Anteil an der Schmerzmodulation haben. Es fiel auf, dass Schmerzreize z. B. die Aktivität genau jener Regionen des Gehirns hochfahren, die primär für die Verarbeitung eingehender nozizeptiver Signale verantwortlich sind. Unter Placebogabe reduzierte sich diese Aktivität signifikant:

■ Der dorsolaterale präfrontale Kortex (dlPFC), zuständig für die kognitive Kontrolle und Regulierung von Emotionen sowie positive Erwartungshaltungen, erfährt die größte Aktivität (und unter Placebo die größte Aktivitätsminderung) in der Antizipationsphase von Schmerz.

■ Der rostrale anteriore cinguläre Kortex (rACC), zuständig für die kognitive Kontrolle von Schmerzen z.B. durch Hemmung der Weiterleitung eintreffender Schmerzsignale auf Rückenmarksebene (deszendierendes schmerzhemmendes System), springt in der akuten Schmerzphase an.

■ Der Thalamus ist eine wichtige Relaisstation für sensorische Informationen einschließlich Schmerzsignalen. Unter Placebo verringerte sich seine Aktivität, was die Schmerzwahrnehmung herabsetzt.

Ebenso reaktionsfreudig ist das endogene Opioidsystem, das eingehende Schmerzreize entlang der neuralen Bahnen moduliert und dessen Aktivität in der Positronenemissionstomographie mit Kontrastmittelgabe (PET-Scan) sichtbar wird. So löste etwa die schon beschriebene Aktivierung von dIPFC und rACC – genau wie tatsächliche Opioide – eine Ausschüttung körpereigener Opioide im periaquäduktalen Grau (PAG) aus. Das PAG ist ein wichtiger Knotenpunkt im absteigenden schmerzhemmenden System (Top-down-System).

Normalerweise ohne primär schmerzmodulierende Aufgaben, jedoch ebenfalls positiv „anfällig“ für Placebogaben, sind folgende Hirnareale und Systeme:

■ Der dorsale anteriore cinguläre Cortex (dACC) und die anteriore Insula sind beide an der Verarbeitung von Schmerzempfindungen und der Emotionsregulation beteiligt. Ihre Aktivität wird durch Placebogaben signifikant gehemmt.

■ Der Nucleus accumbens (NAc) im ventralen Striatum spielt als Teil des mesolimbischen Systems und wichtiger Knotenpunkt im Belohnungssystem eine Rolle bei der Freisetzung von Endorphinen und scheint in Erwartung einer Schmerzlinderung mit höherer Dopamintransmission zu reagieren.

■ Endogene Cannabinoide haben offenbar die Fähigkeit, unter Placebo „Vorerfahrungen“ mit tatsächlichen Schmerzmitteln erneut abzurufen.

■ Der Neurotransmitter Oxytocin stärkt Vertrauen und Bindung zur behandelnden Person und führt dazu, dass sich Patienten besser aufgehoben fühlen.

Fazit: Neben einer positiven Erwartungshaltung spielen v. a. das körpereigene Opioid- und Dopaminsystem eine Rolle bei der Verarbeitung von „Pseudoreizen“ in analgetische Effekte. Weitere Forschung sollte darauf ausgerichtet sein, aktuelle Erkenntnisse in der Placeboanalgesie in praktisch nutzbare Handlungsempfehlungen umzusetzen. So könnte etwa der Verbrauch potenziell nebenwirkungsträchtiger Analgetika verringert und das Wohlbefinden Betroffener erheblich gesteigert werden.

■ Kura L

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Quellen:

  1. Asan L, Bingel U, Kunkel A. Neurobiological and neurochemical mechanisms of placebo analgesia. Schmerz. 2022; 36: 205-212. doi:10.1007/s00482-022-00630-4