Menstruationszyklus und Training – die Kraft der Hormone nutzen

Die zyklusbedingte hormonelle Fluktuation bei Frauen legt nahe, dass dadurch auch die sportliche Leistungsfähigkeit und die Trainierbarkeit beeinflusst wird. Welche Trainingsformen sind betroffen und wie können Sportlerinnen sich darauf optimal einstellen? Außerdem: Interview mit der Profi-Triathletin Laura Zimmermann, die seit Jahren zyklusgerechtes Training und entsprechende Wettkampfplanung betreibt.

Menstruationszyklus und Training – die Kraft der Hormone nutzen
© torwaiphoto / Adobe Stock

Frauen halten ab der Menarche, also der ersten Regelblutung, den einen Menstruationszyklus aufrecht. Er lässt durch ein orchestriertes Zusammenspiel mehrerer Sexualhormone bis ins Klimakterium hinein jeden Monat eine Eizelle heranreifen. Bislang fanden der Monatszyklus und sein potenzieller Einfluss auf verschiedene bedeutsame Parameter im Sport kaum Beachtung. Doch das zyklische Auf und Ab der Hormone – allen voran Östrogen und Progesteron – verursacht bei den meisten Frauen wiederkehrende Phasen bezüglich Stimmung, Schmerzen und Beschwerden, und beeinflusst überdies die (sportliche) Leistungsbereitschaft und Motivation.

Vorweggeschickt sei, dass die individuelle Variabilität im weiblichen Zyklus groß ist. Sowohl die Hormonkonzentrationen als auch die Anzahl und Ausprägung zyklusassoziierter Symptome unterscheiden sich. Manche haben kaum Beschwerden, andere sind dadurch in verschiedenen Lebensbereichen in bestimmten Phasen stark eingeschränkt.

Unterschiedliche Leistungsfähigkeit während des Menstruationszyklus

Die hormonelle Fluktuation bei Frauen, die nicht hormonell verhüten (Abb. 1), legt nahe, dass auch die sportliche Leistungsfähigkeit und die Trainierbarkeit im Menstruationszyklus schwanken könnten. Noch ist die Datenlage dünn, doch manches scheint sich zu erhärten. So zeigten inzwischen mehrere Untersuchungen, dass die Leistungsfähigkeit kurz vor der Menstruation und in den ersten Blutungstagen geringer ist (2). Daneben scheint es manifest zu sein, dass in der zweiten Zyklushälfte – der Lutealphase – bei langen Belastungen (Wärmeregulationsstress) unter hohen Außentemperaturen (Hitzestress) die Ausdauerleistungsfähigkeit reduziert ist (1). Der Grund: Aufgrund des Progesteronanstiegs ist die Körperkerntemperatur um etwa 0,5° C erhöht.

Prof. Dr. Petra Platen, Leiterin des Lehr- und Forschungsbereichs Sportmedizin und Sporternährung an der Ruhr-Universität Bochum, hat selbst Studien durchgeführt, in denen der Einfluss des Menstruationszyklus auf Kraft- und Ausdauertrainierbarkeit untersucht wurde (z. B. 3). Dazu trainierten Frauen ein Bein zyklusphasenbasiert mit Schwerpunkt in der Follikelphase (prä- und periovulatorisch), das andere Bein mit einer üblichen, zyklusphasenunabhängigen Periodisierung. „Wahrscheinlich ist für die Krafttrainierbarkeit ein zyklusphasenbasiertes Training besser“, erklärt die Wissenschaftlerin. Für die Ausdauerfähigkeit scheint es hingegen nicht so bedeutsam zu sein, die Zyklusphasen zu berücksichtigen.

Hormonkonzentration, Zyklusphasen, Menstruationszyklus basiertes Training
Abb. 1: Verlauf der Hormonkonzentrationen während des Menstruationszyklus © DZSM 2022, adapt. nach (2)

Zyklusbasiertes Training – wie geht das?

Wie können nun Sportlerinnen, Betreuerinnen und Betreuer die Kraft des weiblichen Zyklus nutzen, um das Training darauf auszurichten? Zunächst ist es notwendig, die Phasen zu charakterisieren. Dazu ist so genanntes Zyklustracking unerlässlich, das allerdings nur bei nicht hormoneller Kontrazeption verwertbare Hinweise liefern kann. Jeden Monat wird im Kalender markiert, wann die Regelblutung beginnt – so können Zykluslänge und Regelmäßigkeit gut kontrolliert werden. Eine morgendliche Messung der Basaltemperatur ist begleitend sinnvoll. Außerdem sollte im Kalender notiert werden, wie die jeweilige Stimmung ist, ob und welche Beschwerden vorliegen und wie das Gefühl beim Training war. Ein einfacher Papierkalender reicht dazu aus, doch es gibt auch Menstruationskalender als App. Von kommerziellen Anbietern existieren auch speziell für Sportlerinnen gedachte Apps.

Über einen Zeitraum von mehreren Monaten bekommen Frauen auf diese Weise ein Gefühl dafür, wie sie in unterschiedlichen Phasen ihres Menstruationszyklus auf Trainingsreize reagieren. In Absprache mit der Trainerin oder dem Trainer kann dann überlegt werden, das Training entsprechend anzupassen. Kraftübungen könnten beispielsweise schwerpunktmäßig in die späte Follikel- und eventuell die mittlere Lutealphase gelegt werden. In diesen Tagen ist die Östrogenkonzentration hoch, was sich positiv auf die Krafttrainierbarkeit auswirkt. „Bei zyklusbasiertem Training geht es aber um mehr als Trainingsadaptation. Es geht für Sportlerinnen darum, nicht zu verzweifeln, wenn sie sich an manchen Tagen nicht gut fühlen. Wer die Zusammenhänge kennt, kann gelassener damit umgehen“, betont Prof. Platen.

Prof. Dr. Petra Platen, Leiterin des Lehr- und Forschungsbereichs Sportmedizin und Sporternährung an der Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. Petra Platen, Leiterin des Lehr- und Forschungsbereichs Sportmedizin und Sporternährung an der Ruhr-Universität Bochum © Platen

Zyklustracking – diese Daten sind sinnvoll

Zyklustracking beinhaltet mehr, als nur zu wissen, wann die nächste Periode ansteht. Sportlerinnen, die ihren Körper und die Variabilität in ihrem Training besser verstehen möchten, sind darauf angewiesen. Apps können dabei helfen, aber natürlich kann auch ein Papier­kalender genutzt oder eine eigene Datei angelegt werden.

Folgende Parameter sollten regelmäßig notiert werden:
• Menstruationsblutung: Beginn, Dauer, Stärke, Beschwerden
• Magen-Darm-Beschwerden
• Schlafqualität
• Stimmung: Stressempfinden, Reizbarkeit, Müdigkeit etc.
• Trainingsintensität und Gefühl während des Trainings: Motivation, Energieniveau, Atemnot etc.
• Schmerzen, Krankheit (Fieber), Verletzungen
• Basaltemperatur (für leistungsorientierte Sportlerinnen)
• Weitere regelmäßig auftretende angenehme wie unangenehme Symptome, z. B. Brustspannen, Konzentration, Muskelschmerzen

Viele Apps bieten umfangreichere Funktionen nur gegen Aufpreis. Die kostenlose App FitrWoman zeigt nach Eingabe der Menstruationsdaten die aktuelle Zyklusphase sowie Empfehlungen an, worauf beim Training und bei der Ernährung geachtet werden kann. Die Tipps basieren auf wissenschaftlichen Untersuchungen, wobei die Evidenz für viele davon noch gering ist. Über eine Schnittstelle können die Daten mit den Trainern geteilt werden.

In Kürze:
Name: FitrWoman
Sprache: Englisch
Preis: kostenlos
Betriebssystem: Android, iOs
Herausgeber: Orreco Limited

Kurzinterview mit Profi-Triathletin Laura Zimmermann: „Der Menstruationszyklus als Erfolgsfaktor“.

Laura Zimmermann ist studierte Zahnärztin und Sportwissenschaftlerin. Seit 2019 läuft, radelt und schwimmt sie außerdem mit sehr guten Erfolgen die Ironman-Distanzen. 2022 tritt sie erstmals als Fulltime-Profisportlerin an.

Laura Zimmermann: Sportwissenschaftlerin, Profi-Triathletin, Zahnärztin
Laura Zimmermann: Profi-Triathletin, Sportwissenschaftlerin und Zahnärztin. © Zimmermann

Seit wann berücksichtigen Sie Ihren Menstruationszyklus im Sport?

2018 beschäftigte sich mein Trainer Utz Brenner mit der Auswirkung von Hormonen auf die Performance. Rückblickend konnten wir ein unerklärlich schlechtes Ergebnis im Jahr 2017 auf meine PMS*-Phase am Wettkampftag zurückführen. Damals gab es kaum Forschung dazu, also sammelten wir unsere eigenen Erfahrungen und probierten viele Tools aus, z. B. HRV*- und Basaltemperaturmessung, Erfassung von Veränderungen der Blutglukosewerte und Symptomtracking. Mittlerweile tauschen wir uns regelmäßig mit Expertinnen und Experten aus und Utz referiert zum Thema. Ich nehme aktuell an einer Studie zur Thematik RED-S* und mentale Gesundheit an der TU München teil; weitere Projekte mit dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaft Leipzig lassen ebenfalls auf interessante Erkenntnisse hoffen.

Was hat sich für Sie dadurch verändert?

Die Schmerzen zu Beginn der Periode sind weniger geworden. Vor allem aber weiß ich jetzt, dass z. B. die erste Zyklusphase eine leistungsstarke Zeit ist und ich mich schneller erhole. In der PMS-Phase kurz vor der Periode hingegen muss ich mental und körperlich mehr Mühe für ähnliche Resultate aufbringen und bleibe oft hinter meinen Möglichkeiten zurück. Durch dieses Bewusstsein fällt es mir leichter, »schlechtere« Tage zu akzeptieren. An solchen Tagen trainiere ich seitdem weniger intensiv und bei der Wettkampfplanung versuchen wir den Zyklus zu berücksichtigen – der aber natürlich auch mal länger oder kürzer sein kann als sonst. Das macht langfristige Planung komplizierter. Dieses Jahr sind z. B. schon vier von fünf Rennen in die für mich ungünstigste Phase gefallen, das war Pech. Trotzdem würde ich jeder Leistungssportlerin zu zyklusgerechtem Training raten, weil es das Körperbewusstsein sensibilisiert, die Performance verbessern kann und die Verletzungsgefahr senkt. Natürlich könnte man überlegen, bei wichtigen Meisterschaften hormonell zu »verschieben«. So etwas muss allerdings im Vorfeld unter ärztlicher Aufsicht erprobt werden. Wir haben uns bisher dagegen entschieden.

Welche wichtigen Themen rund um Zyklus und Sport sollten Ihrer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit erfahren?

Noch immer wird es oft verharmlost, wenn bei Sportlerinnen die Menstruation ausbleibt. Dabei ist das eine körperliche Stressreaktion, bei der alle Alarmglocken läuten sollten – Stichwort RED-S-Syndrom. Wenig bekannt ist außerdem, dass hormonelle Kontrazeptiva unausgeglichene Hormone verschleiern. So fällt nicht nur die Nutzung der einzelnen Zyklusphasen mit ihren Stärken und Schwächen weg, sondern es können auch Erkrankungen unerkannt bleiben. Athletinnen, die hormonell verhüten, sollten deshalb regelmäßig ihren Hormonstatus checken lassen. Ich wünsche mir, dass der weibliche Zyklus in der Öffentlichkeit als normaler, ja sogar potenziell förderlicher Aspekt behandelt und im Training entsprechend behandelt wird. Er hat neben ein paar negativen auch viele positive Seiten, wenn man mit ihm und nicht gegen ihn arbeitet!

■ Hutterer C, Kura L (Interview)
* Anmerkung der Redaktion: PMS = Prämenstruelles Syndrom, HRV = Herzfrequenzvariabilität, RED-S = Relatives Energiedefizit-Syndrom

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Quellen:

  1. Janse de Jonge XA. Effects of the menstrual cycle on exercise performance. Sports Med. 2003; 33: 833-51. doi:10.2165/00007256-200333110-00004

  2. McNulty KL, Elliott-Sale KJ, Dolan E, Swinton PA, Ansdell P, Goodall S, Thomas K, Hicks KM. The Effects of Menstrual Cycle Phase on Exercise Performance in Eumenorrheic Women: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Med. 2020; 50: 1813-1827. doi:10.1007/s40279-020-01319-3

  3. Sung E, Han A, Hinrichs T, Vorgerd M, Manchado C, Platen P. Effects of follicular versus luteal phase-based strength training in young women. Springerplus. 2014; 3: 668. doi:10.1186/2193-1801-3-668