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Leitliniengerechtes Training bei Herzinsuffizienz in der Phase III Rehabilitation – Diskrepanz zwischen Evidenz und Praxis

Editorial der Ausgabe #10/2016 der Deutschen Zeitschift für Sportmedizin. PD Dr. Roman Laszlo und Gabriele Wehr blicken in ihrem Beitrag auf Diskrepanzen, die sich aus den 2016 aktualisierten Leitlinien für Training in Herzinsuffizienzgruppen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie ergeben.

Leitliniengerechtes Training bei Herzinsuffizienz in der Phase III Rehabilitation – Diskrepanz zwischen Evidenz und Praxis
© Robert Kneschke / Adobe Stock

Im Frühsommer diesen Jahres sind die Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz der europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) aktualisiert worden (6). Wie bereits in den vorhergehenden Leitlinien aus dem Jahr 2012 wird bei Patienten mit chronisch-stabiler Herzinsuffizienz jeden Schweregrades regelmäßige körperliche Aktivität zur Verbesserung der Belastbarkeit, Symptomatik und Lebensqualität beziehungsweise Reduktion der allgemeinen und auch speziell Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisation und schließlich möglicherweise auch der Mortalität mit einer Klasse Ia-Empfehlung belegt. Bezüglich konkreter Trainingsinhalte wird auf ein Konsensus-Dokument der Heart Failure Association der ESC verwiesen (5). Ein körperliches Training zur Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit wird bei herzinsuffizienten Patienten auch schon länger in den entsprechenden deutschen Leitlinien empfohlen (3).

Auch in der Phase III Rehabilitation können mit einem entsprechenden Ausdauertrainingsprogramm beeindruckende Erfolge hinsichtlich Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit, Lebensqualität, Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse inklusive Hospitalisation und Mortalität erzielt werden, wie Belardinelli und Kollegen in einer Studie mit einem Beobachtungszeitraum von 10 Jahren aufzeigen konnten (2). Die Autoren dieser Studie schlussfolgerten auch, dass ein durchgehend supervidiertes Training in Herzgruppen im Vergleich zum selbstständigen Training zu Hause eine höhere Trainingsadhärenz aufweist, da die Trainingsabbruchrate im Follow-up deutlich niedriger war, als zum Beispiel die der vergleichbaren HF-Action Studie (4), in der die Patienten nach initial 36 geführten Trainingseinheiten nur noch alleine zu Hause weiter trainierten.

In der Vergangenheit wurde oft alleinig die systolisch oder diastolisch gestörte Funktion des Herzens und in der Konsequenz dessen die schlechte Ausdauerleistungsfähigkeit für die reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit bei Herzinsuffizienz verantwortlich gemacht. In jüngerer Zeit wird zunehmend erkannt, dass auch die Muskelkraft der oftmals sarkopenen herzinsuffizienten Patienten eine wichtige Rolle in der nicht selten kraftorientierten Alltagsbewältigung spielt (7). In der Konsequenz dessen wird auch im eingangs erwähnten Konsensus-Dokument der Heart Failure Association der ESC nicht nur ein reines Ausdauer- sondern vielmehr ein kombiniertes Kraftausdauertraining empfohlen (5). Das Krafttraining sollte hierbei ein gerätebasiertes Training sein, da andere Trainingsmöglichkeiten (Thera-Bänder, Training mit dem eigenen Körpergewicht etc.) eine zu geringe Trainingsintensität aufweisen.

Ein Ausdauertraining im Sinne eines Ergometer-Trainings könnte prinzipiell in der Phase III Rehabilitation in einer ambulanten Herzgruppe im Sinne der derzeitig gültigen Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining durchgeführt werden (1). Dahingegen darf ein gerätebasiertes Krafttrainings innerhalb einer Phase III Herzgruppe trotz der eindeutig evidenzbasierten, positiven Effekte in Deutschland aktuell nicht umgesetzt werden, da gemäß der BAR-Richtlinien laut §4.7 „Übungen an technischen Geräten, die zum Muskelaufbau oder zur Ausdauersteigerung dienen (z. B. Sequenztrainingsgeräte, Geräte mit Seilzugtechnik, Hantelbank, Arm-/Beinpresse, Laufband, Rudergerät, Crosstrainer)“ in der ambulanten Herzgruppe ausgeschlossen werden (1).

Bild Roman Laszlo
Privatdozent Dr. med. Roman Laszlo 2. Vizepräsident des LVPR – Landesverband für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen Baden-Württemberg e.V. © Laszlo
Bild Gabriele Wehr
Dr. med. Gabriele Wehr Präsidentin des LVPR Baden-Württemberg e.V. © Wehr

Bei herzinsuffizienten Patienten handelt es sich oftmals im Vergleich zum typischen Teilnehmer einer „klassischen“ ambulanten Herzgruppe um schwerer erkrankte Patienten. Deswegen sind sowohl das Ausdauer- als auch das Krafttraining aufgrund der relativ großen Bandbreite der körperlichen Belastbarkeit und klinischen Symptomatik innerhalb der Patientengruppe mit Herzinsuffizienz auf Basis von adäquater Leistungsdiagnostik, die zur Trainingsanpassung auch regelmäßig aktualisiert werden muss, deutlich individualisierter zu gestalten als in der ambulanten Phase III Herzgruppe.

Für eine individuelle Trainingssteuerung ist eine kompetent durchgeführte, und auch regelmäßig aktualisierte Leistungsdiagnostik notwendig, die oftmals nicht flächendeckend in Deutschland verfügbar ist und auch unzureichend von den Kostenträgern vergütet wird. Gleiches betrifft die für die Steuerung des Ausdauertrainings empfohlene regelmäßig durchzuführende, leider technisch und personell aufwendige Spiroergometrie (5), die für den sportkardiologisch betreuenden Arzt ebenfalls nur unzureichend abrechenbar ist.

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