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Fortsetzung Funktionelles Training – alles nur Marketing?

Funktionelles Training im Vergleich zu klassischen Trainingsformen

Um den Nutzen von Functional Training zu belegen, müsste es in Studien anderen Trainingsregimes überlegen sein – doch leider gibt die Studienlage das nicht überzeugend her. Es beginnt schon, wie zu Beginn erwähnt, mit der uneinheitlichen Definition. Ide et al. haben die Bandbreite an unterschiedlichen Definitionen aus Studien zusammengetragen (4) und kommen zu dem Schluss, dass ein Vergleich nicht aussagekräftig ist, solange jede Untersuchung einen anderen Fokus legt. Auch gibt es kein Übungsrepertoire, das eindeutig oder ausschließlich dem funktionellen Training zugeordnet wird, während andere Trainingsformen darauf verzichten. So zeigt sich in Studien, in denen ein bestimmtes funktionelles Training mit anderen Athletiktrainingsformen verglichen wird, häufig kein Unterschied zwischen den Effekten (z. B. 3, 5).

Verletzungsprävention durch Functional Training?

Beim funktionellen Training werden Muskeln nicht einzeln trainiert, sondern ganze Bewegungsabläufe und Muskelketten betrachtet. Die Logik verlangt, dass diese Trainingsform Verletzungen besser vorbeugen sollte als das isolierte Training einzelner Muskelgruppen. Doch stimmt das auch? Größere Studien untersuchten die Wirksamkeit verschiedener Programme zur Verletzungsprävention: FIFA 11+ (Prävention von Verletzungen beim Fußball generell, aber auch von Knieverletzungen), FIFA 11+S (Prävention von Schulterverletzungen bei Torwarten), FIFA 11+ Referees Program (Prävention von Verletzungen bei Schiedsrichtern) und STOP-X (Prävention von Knie- und v. a. Kreuzbandverletzungen). Diese Programme kann man aufgrund ihrer Übungsregimes durchaus als funktionelle Trainingsprogramme verstehen. Der Vergleich zeigt, dass bei Fußballerinnen und Fußballern das Verletzungsrisiko signifikant senkt (6, 7). Auch das für die obere Extremität modifizierte FIFA 11+S sowie das Programm für Schiedsrichter verringerte die Verletzungsrate signifikant (2, 1). Offenbar tragen die Übungen dazu bei, relevante Muskelketten zu kräftigen und damit Verletzungen sinnvoll vor­zubeugen.

Wo endet funktionelles Training?

Wenn man darüber nachdenkt, wo funktionelles Training beginnt und wo es endet, stellt man fest, dass aufgrund der hohen Individualität keine Aussage darüber getroffen werden kann, welcher Komplexitätsgrad für das Label »funktionell« ausreicht. »Manchmal wird versucht, die Komplexität durch Ergänzung vieler Parameter zu ergänzen, etwa mit wackeligem Untergrund, elastischen Bändern, Loops und weiteren. Das kann richtiggehend zirkusartige Ausmaße annehmen! Der Nutzen solcher Übungen für eine bestimmte Funktion scheint mir fraglich. Denn je komplexer eine Übung ist, desto schwieriger kann man nachvollziehen, auf welches konkret formulierte Trainingsziel die Übung einwirkt. Auch der Effekt auf einzelne motorische Grundeigenschaften wie z. B. Kraft nimmt ab. Er beschränkt sich dann vor allem auf motorisches Lernen und darauf, dem Übenden seine Grenzen aufzuzeigen. Und das ist kein funktionelles Ziel«, meint Jörg Mayer.

Für Dr. Henze gerät funktionelles Training auch dort an eine Grenze, wo die Komplexität für das Individuum zu hoch ist: »Funktionelle Übungen wie Kniebeugen oder Schulterdrücken sind schon ohne weitere Erschwernisse sehr komplex, das meistern auch viele Sportlerinnen und Sportler nicht ohne Weiteres. Wird hier ungenau geübt, steigt das Verletzungsrisiko eventuell sogar an.«
Funktionelles Training, das darauf abzielt, Potenziale auszuschöpfen, ist immer nur als Ergänzung zu den klassischen Trainingsinhalten zu sehen. So sind beispielsweise die FIFA-11+-Programme zum Aufwärmen konzipiert. Denn bei der Beanspruchung von Muskelketten limitiert immer das schwächste Glied die Trainingsintensität. Werden bei einer Bewegung schwache Arm-, kräftige Rumpf- und sehr starke Oberschenkelmuskeln benötigt, profitieren vom Kraftzuwachs nur Arme und ggf. Schultern, nicht aber andere Strukturen. Um die Fähigkeiten anderer Muskelgruppen auf Dauer nicht sogar zu gefährden, ist hier auf eine ausgewogene Mischung zu achten.

Fazit: Funktionelles Training hat viele Freiheitsgrade. Das fängt bei der genauen Bedeutung an, reicht aber bis in die praktische Anwendung hinein: Es kann überall durchgeführt werden, an Geräten in der Physiotherapiepraxis oder im Fitnessstudio ebenso wie zuhause. Auch die Entscheidung für oder gegen Hilfsmittel wie elastische (Mini-)Bänder, Hanteln, Kettlebells, (Medizin-)Bälle oder Wackelkissen kann man individuell treffen. Grundlage sollte jedoch immer die Überlegung bilden, welches Ziel erreicht werden soll und welche Methoden dafür
am sinnvollsten sind. Welchen Begriff man im Endeffekt dafür verwendet, ist dann nachrangig.

Jörg Mayer, Sport- und Bewegungstherapeut, Osteopath und Sportphysiotherapeut des DOSB, München
Jörg Mayer, DOSB-Sportphysio­therapeut, Osteopath sowie Sport- und Bewegungstherapeut © Mayer

■ Hutterer C

Quellen:

  1. Al Attar WSA, Bizzini M, Alkabkabi F, Alshamrani N, Alarifi S, Alzahrani H, Ghulam H, Aljedaani E, Sanders RH. Effectiveness of the FIFA 11+ Referees Injury Prevention Program in reducing injury rates in male amateur soccer referees. Scand J Med Sci Sports. 2021; 31: 1774-1781. doi:10.1111/sms.13983

  2. Al Attar WSA, Faude O, Bizzini M, Alarifi S, Alzahrani H, Almalki RS, Banjar RG, Sanders RH. The FIFA 11+ Shoulder Injury Prevention Program Was Effective in Reducing Upper Extremity Injuries Among Soccer Goalkeepers: A Randomized Controlled Trial. Am J Sports Med. 2021; 49: 2293-2300. doi:10.1177/03635465211021828

  3. Clark SC, Rowe ND, Adnan M, Brown SM, Mulcahey MK. Effective Interventions for Improving Functional Movement Screen Scores Among »High-Risk« Athletes: A Systematic Review. Int J Sports Phys Ther. 2022; 17: 131-138. doi:10.26603/001c.31001

  4. Ide BN, Silvatti AP, Marocolo M, Santos CPC, Silva BVC, Oranchuk DJ, Mota GR. Is There Any Non-functional Training? A Conceptual Review. Front Sports Act Living. 2022; 3: 803366. doi:10.3389/fspor.2021.803366

  5. Kong PW, Kan TYW, Mohamed Jamil RAGB, Teo WP, Pan JW, Hafiz Abd Halim MN, Abu Bakar Maricar HK, Hostler D. Functional versus conventional strength and conditioning programs for back injury prevention in emergency responders. Front Bioeng Biotechnol. 2022; 10: 918315. doi:10.3389/fbioe.2022.918315

  6. Magoshi H, Hoshiba T, Tohyama M, Hirose N, Fukubayashi T. Effect of the FIFA 11+ injury prevention program in collegiate female football players over three consecutive seasons. Scand J Med Sci Sports. 2023; 33: 1494-1508. doi:10.1111/sms.14379

  7. Silvers-Granelli HJ, Bizzini M, Arundale A, Mandelbaum BR, Snyder-Mackler L. Does the FIFA 11+ Injury Prevention Program Reduce the Incidence of ACL Injury in Male Soccer Players? Clin Orthop Relat Res. 2017; 475: 2447-2455. doi:10.1007/s11999-017-5342-5

  8. Sportphysio fragt nach – Experten antworten. Was bedeutet funktionelles Training für Sie? Sportphysio; 2015; 3: 7–14. doi:10.1055/s-0035-1546280