Freispruch für Plattfüße

Plattfüße benötigen eine adäquate Therapie, um muskuloskelettale Folgeschäden zu vermeiden bzw. zu korrigieren – so lautet der weitgehende medizinische Konsens. Aber sind Plattfüße grundsätzlich pathologisch und u. a. hinsichtlich sportlicher Aktivitäten korrekturbedürftig? Das hat nun eine Gruppe kanadisch-britischer Bewegungsforscher und Sportmediziner untersucht (1).

Vollends manifestiert hat sich das Konzept „idealer“ Füße nach einer Arbeit von Root et al. aus dem Jahr 1977. In ihr wird die Ansicht vertreten, dass Abweichungen von den kolportierten Idealmerkmalen abweichende Fußformen selbst bei Schmerzfreiheit behandlungsbedürftig sind, weil sie das Risiko für Fehlhaltungen sowie muskuloskelettale Verletzungen erhöhen. Seitdem wurde viel geforscht und unendlich viele Spezialeinlagen fanden ihren Weg in Alltags- und Sportschuhe; immerhin weist bis zu ein Drittel der Menschen das für Plattfüße charakteristische niedrige mediale Fußgewölbe auf.

Das Team um Dr. Gabriel Moisan von der Université du Québec à Trois-Rivières hat für seinen aktuellen Aufsatz die entsprechende Literatur gesichtet, um eigene Beobachtungen aus der Praxis ergänzt – und ruft zu mehr Entspannung auf. Die Evidenz für Zusammenhänge zwischen Laufverletzungen und biomechanischen Faktoren wie der Fußform sei schwach und es fände bezüglich Fußdeformitäten eine massive Überdiagnostik statt. Dies bestätigt u.a. eine Metaanalyse aus dem Jahr 2022, die über 100 biomechanische Faktoren unter die Lupe nahm und keine kausale Verbindung mit Laufverletzungen bei Freizeitläufern feststellen feststellte (2).

Moisan und Kollegen plädieren deshalb dafür, Plattfüße auch bei Athleten als normale anatomische Variante anzusehen, solange sie keine Beschwerden verursachen. Bestünden tatsächlich muskuloskelettale Schmerzen, so sollte die Aufmerksamkeit weniger der isolierten Fußmorphologie gelten als vielmehr der kompletten involvierten kinetischen Kette – mit einer Ausnahme: Durch Tibialis-posterior-Dysfunktion erworbene Plattfüße sollten adäquat behandelt und beobachtet werden, um Schmerzen zu lindern und ein Fortschreiten der Erkrankung möglichst zu vermeiden.

■ Kura L