Erhöhtes Demenzrisiko bei Fußballspielern

Erhöhtes Demenzrisiko bei Fußballspielern
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Seit einigen Jahren wird verstärkt untersucht und diskutiert, ob Fußballspieler ein erhöhtes Risiko für neurodegenerative Erkrankungen haben, hier vor allem ein erhöhtes Demenzrisiko. Schwere Kopfverletzungen und schwere Gehirnerschütterungen sind zwar selten, aber es wird vermutet, dass auch wiederholte subklinische Traumata des Kopfes, wie sie durch Kopfbälle auftreten könnten, die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen begünstigen könnten. Eine aktuelle schwedische Studie (3) bewertete das Risiko bei 6007 Fußballspielern, die zwischen 1924 und 2019 in der höchsten schwedischen Fußball-Liga gespielt hatten, im Vergleich zu einer nach Alter und Wohngegend gematchten Vergleichsgruppe von 56 168 Männern (zehn Kontrollen pro einem Fußballspieler) aus der Allgemeinbevölkerung. Ausgewertet wurden landesweite Registerdaten.

Demenzrisiko und 67 Prozent erhöht

In der Kontrollgruppe hatten 6,2 Prozent bis zum Ende des Follow-up-Zeitraums 2020 eine Diagnose für eine neurodegenerative Erkrankung erhalten. Unter den Fußballspielern waren es 8,9 Prozent. Das Erkrankungsrisiko lag damit über alle Fußballspieler hinweg um annähernd 50 Prozent höher (Hazard Ratio/HR 1,46). Wurden die unterschiedlichen Spielerpositionen berücksichtigt, lag das Demenzrisiko unter Feldspielern mit einer HR von 1,50 signifikant höher als das von Torhütern, bei denen keine signifikante Erhöhung festgestellt wurde. Unter den neurodegenerativen Erkrankungen stach bei den Fußballern besonders das Demenzrisiko heraus. Hier lag das Risiko der Feldspieler 67 Prozent über dem der Allgemeinbevölkerung, während Parkinson-Erkrankungen bei (ehemaligen) Fußballspielern deutlich seltener (HR 0,68) diagnostiziert wurden. Die Gesamtmortalität von Fußballspielern war etwas geringer als in der Allgemeinbevölkerung, genau wie das Risiko, an Lungenerkrankungen (COPD, Bronchialkarzinom) zu versterben (HR 0,82); die Mortalitätsrate an Demenz lag deutlich höher (HR 1,69).

Kopfbälle als Ursache?

Diese Studie ergänzt andere Publikationen aus den vergangenen Jahren, die ein erhöhtes Demenzrisiko bei Fußballspielern beschreiben (z. B. 2). Natürlich stellt sich die Frage für die Ursachen für diesen Zusammenhang. Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger, Facharzt für Neurologie und Leiter der Sportmedizin der Universität Paderborn, gibt zu bedenken: »Bisher gibt es nur die Annahme, dass Schädel-Hirn-Traumata und/oder repetitive, auch subklinische Kopfverletzungen, beispielsweise durch Kopfbälle, verantwortlich sein könnten. Dabei gibt es jedoch noch viele Unklarheiten. Beispielsweise, ob das Spiel, wie es früher gespielt wurde, und die Spieler mit der heutigen Situation vergleichbar sind. Oder wie Kopfbälle durchgeführt und Gehirnerschütterungen behandelt und auskuriert wurden und werden. Um tatsächlich eine Kausalität herstellen zu können, müssten neben einer Betrachtung im Längsschnitt die weiteren so genannten modifizierenden Faktoren, die die Entstehung einer Demenz begünstigen können, ebenfalls mit einbezogen werden.

Auch wenn Stand heute keine sichere Evidenz vorliegt, bedeutet das jedoch nicht, dass noch keine Maßnahmen zur Prophylaxe erarbeitet und angewandt werden können.« Etwa 40 Prozent der weltweiten Demenzerkrankungen können auf folgende 12 Faktoren zurückgeführt werden (1): Geringerer Bildungsstand, Bluthochdruck, Hörminderung, Rauchen, Adipositas, Depression, körperliche Inaktivität, Diabetes, wenige Sozialkontakte, übermäßiger Alkoholkonsum, traumatische Hirnverletzung und Luftverschmutzung. Unklar ist auch, ob und wie die Regenerationsfähigkeit des Gehirns, beispielsweise nach Kopfbällen, durch solche Risikofaktoren beeinflusst wird. »Athleten, die an relevanten Vorerkrankungen wie z. B. einer Depression erkrankt sind und eine Kopfverletzung erleiden, benötigen klinisch oft länger für die Regeneration als Sportler ohne Vorerkrankungen,« erklärt Prof. Reinsberger.

Praktische Umsetzung im Kinder-und Jugendfußball

Trotz noch bestehender Unsicherheiten wird international und in Deutschland reagiert. Während in den USA und Großbritannien für Kinder und Jugendliche unter 12 Jahren Kopfbälle inzwischen verboten sind, geht der DFB in enger Abstimmung mit Experten wie Prof. Reinsberger einen anderen Weg. Die Verkleinerung von Spielfeldern und Toren und den daran angepassten neuen Wettbewerbsformen im Kinder- und Jugendfußball tragen beispielsweise dazu bei, Kopfkontakte mit dem Ball zu reduzieren. Anders als in anderen Ländern beinhaltet der deutsche Weg weiterhin Kopfballtraining – allerdings mit Fokus auf der richtigen Kopfballtechnik, mit nur geringem Übungsumfang und leichteren Bällen sowie einer erhöhten Sensibilität von Trainern. Prof. Reinsberger erklärt: »Wir halten diesen Weg für sinnvoll, denn wenn später Kopfbälle erlaubt sind und die Jugendlichen die korrekte Technik nicht beherrschen, kann das noch gefährlicher sein. Die Empfehlungen für den Fußball werden zukünftig entsprechend weiterer Daten bei Bedarf kontinuierlich angepasst werden.«

Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger 2018
Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger, Facharzt für Neurologie und Leiter der Sportmedizin der Universität Paderborn © Reinsberger

■ Hutterer C

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Quellen:

  1. Livingston G, Huntley J, Sommerlad A, Ames D, Ballard C, Banerjee S, Brayne C, Burns A, Cohen-Mansfield J, Cooper C, Costafreda SG, Dias A, Fox N, Gitlin LN, Howard R, Kales HC, Kivimäki M, Larson EB, Ogunniyi A, Orgeta V, Ritchie K, Rockwood K, Sampson EL, Samus Q, Schneider LS, Selbæk G, Teri L, Mukadam N. Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission. Lancet. 2020; 396: 413-446. doi:10.1016/S0140-6736(20)30367-6

  2. Mackay DF, Russell ER, Stewart K, MacLean JA, Pell JP, Stewart W. Neurodegenerative Disease Mortality among Former Professional Soccer Players. N Engl J Med. 2019; 381: 1801-1808. doi:10.1056/NEJMoa1908483

  3. Ueda P, Pasternak B, Lim CE, Neovius M, Kader M, Forssblad M, Ludvigsson JF, Svanström H. Neurodegenerative disease among male elite football (soccer) players in Sweden: a cohort study. Lancet Public Health. 2023; 8: e256-e265. doi:10.1016/S2468-2667(23)00027-0