DZSM-MITTEILUNG

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Fortsetzung Zur Verrechtlichung des Dopingbegriffs

Das Sportverbandsrecht ist so zu einem juristischen Text für die Sportrechtswissenschaftler und Fachanwälte für Sportrecht geworden, wird in Lehrbüchern und Kommentaren aufbereitet, ohne dass inhaltliche Bestimmungen (etwa einer Sportethik) relevant wären; so wie auch die staatlich-rechtlichen Gesetze den früher notwendig mitgedachten Bezug zur Gerechtigkeit verloren haben: die Regeln/Normen gelten, weil sie von der zuständigen Instanz gesetzt/erlassen/in Geltung gebracht und veröffentlicht sind (und auch in der Praxis durchgesetzt werden können [andernfalls sie ihren relevanten Charakter verlieren müssen]). Die Diskussion verlagert sich auf die Ebene der Regelsetzung (Gesetzgebung) und damit auf den Streit der zuständigen Fachleute (Mediziner, Chemiker, Pharmazeuten, Fachleute für den „Sportsgeist“) über den Inhalt der Verbotsliste des WADC. Welche Substanzen, welche Methoden haben die allgemeine Eignung zur möglichen Leistungssteigerung und zugleich die Qualität, durch empirische Untersuchung verlässlich (und damit „revisionssicher“) nachgewiesen zu werden? oder bedeutet eine Anwendung einen Verstoß gegen den Sportsgeist? oder möglicherweise eine Gesundheitsschädigung? Es genügen – wie gezeigt – zwei dieser Kriterien aus, um auf die Verbotsliste zu gelangen.

Die Konsequenz dieser Verrechtlichung bedeutet: Was nicht auf dieser Liste landet, ist begrifflich nicht „Doping“, sondern erlaubtes, ja vielleicht sogar im Sinne des olympischen Prinzips des „Citius, Altius, Fortius“ gebotenes Handeln im Rahmen der Wettkampfsportes und des Trainings. Wenn ein gesunder Sportler/eine gesunde Sportlerin ein Herzmedikament einnehmen will, das für Herzkranke entwickelt wurde, fragt er/sie nicht nach der Fairness dieses Handelns, stellt keine sportethischen Fragen, sondern blickt nur auf die Verbotsliste. Steht das Mittel noch nicht oder nicht mehr auf ihr, kann er/sie es ohne Probleme nehmen, betreibt er/sie kein Doping. Und zwar nicht nur in seiner/ihrer Überlegung, sondern auch in den Augen der Konkurrenten, die meine Überlegungen dazu in einem Vortrag schlechthin nicht (mehr) verstanden, weil doch selbstverständlich in einem solchen Fall kein Doping anzunehmen sei. Aber selbst wenn der/die Betreffende ein auf der Verbotsliste stehendes Mittel oder eine verbotene Methode angewendet hat: dann hat er eben Pech gehabt; oder war nicht einfallsreich genug; oder hat einfach versäumt, von einem dafür zuständigen Sportmediziner eine „medizinische Ausnahmegenehmigung“ („TUE“) zu erhalten, die nach Art. 4.4 WADC (wie auch nach Art. 2 Nr. 24 des UNESCO-Übereinkommens) die Konsequenz hat, dass dann kein Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen und somit (nach Art. 1 WADC) kein „Doping“ vorliegt.

Die Diskussion um das sportverbandsrechtliche Dopingverbot wird auf diese Weise widersprüchlich. Das Regelwerk distanziert jede inhaltliche, jede sportethische Argumentation zugunsten der rechtlichen Regelungsdimension, klar umschrieben, verlässlich beweisbar, verfahrensrechtlich einwandfrei. Andererseits wird weiter von den sportethisch verwerflichen Betrügern gesprochen, immer strengere Sanktionierung verlangt (bis hin zum zwangsweise herbeigeführten Ende der sportlichen Tätigkeit), ein „Sumpf“ behauptet, den man durch Kampf austrocknen müsse. Selbst die genannte UNESCO-Konvention gegen Doping im Sport formuliert kriegerisch, dass es – so die deutsche Übersetzung – um die „Ausmerzung“ des Dopings gehe; und die diese Konvention abschließenden Staaten, auch Deutschland, verpflichteten sich zu Teilnehmern dieses Kampfes, der auch nach Art. 19 zu Erziehungs- und Schulungsgrundsätzen führen soll, die den „Schaden, den das Doping den ethischen Werten des Sports zufügt“ erfassen sollen. Auch nach Art. 18 WADC sollen Programme entwickelt werden, die den „Schaden von Doping für den Sportsgeist“ ins Bewusstsein vor allem der jungen SportlerInnen bringen sollen.

2015 hat nun Deutschland (s)ein eigenes staatliches Anti-Doping-Gesetz (AntiDopG) bekommen. Eigentlich dürfte es so ein Gesetz verfassungsrechtlich nicht geben, gesteht doch Art. 2 Abs.2 Grundgesetz jeder Person das Recht zu, seine alltägliche Leistungsfähigkeit künstlich durch alle in Betracht kommenden Mittel und Methoden zu steigern, selbst wenn dies wegen der auch lebensbedrohenden Gefahren unvernünftig erscheinen mag. Der Staat darf zum Schutz der eigenen Gesundheit des/der Betreffenden kein rechtliches Verbot aufstellen. Der Hinweis in §1 des neuen AntiDopingG – „um die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler zu schützen“ – ist (bezogen auf die erwachsenen Personen, die sich in Kenntnis der Gesundheitsrisiken bewusst und freiwillig selbst dopen) von daher verfassungswidrig. Manche Interpreten des Gesetzes meinen, dass damit in der Tradition der staatlichen Maßnahmen gegen Doping im Sport eigentlich der Schutz der „Volksgesundheit“ gemeint sei, nämlich in Bezug auf den Markt der Arzneimittel, die zweckentfremdet nun als gefährliche Dopingmittel in Verkehr gebracht, gehandelt, anderen verabreicht werden. So hatte das staatliche Arzneimittelgesetz (AMG) ab 1998 in einem neuen §95 Abs.1 Nr. 2a, später auch Nr. 2b, der das allgemeine Verbot des §6a („Verbot von Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport“) mit Strafdrohung versah, versucht, gegen ein „Doping im Sport“ vorzugehen, wobei der zugrunde zu legende Dopingbegriff nicht definiert und unter „Sport“ jede körperliche Betätigung verstanden wurde, weil der Fitness- und Freizeitbereich und (vor allem) das Bodybuilding getroffen werden sollten.

Durch diesen Zusammenhang mit den Arzneimitteln rückten die Sportmediziner, aber auch die praktischen Ärzte, die den Freizeitsportler betreuten und ihm zu besseren Leistungen bringen sollten (was diesen wegen Art. 2 Abs.2 Grundgesetz rechtlich erlaubt war), in den Mittelpunkt der Dopingdiskussion; es stellte sich die Abgrenzung zum sog. „therapeutischen Doping“ (auch im Zusammenhang mit den körperlichen Überanstrengungen im Training). Schon durch die Praxis des Blutdopings geriet diese Gleichsetzung von Arznei- und Dopingmitteln in Schwierigkeiten, die freilich durch eine Erweiterung des Arzneimittelbegriffs auch auf Blut(produkte) aufgefangen werden konnten. Nun aber verzichtet §1 AntiDopG auf diesen Hinweis auf den Schutz der Volksgesundheit (spricht nur von der „Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler“). Deshalb hängen die Bestimmungen des §2 AntiDopG „Unerlaubter Umgang mit Dopingmittel, unerlaubte Anwendung von Dopingmethoden“, die inhaltlich den früheren Regelungen des AMG entsprechen (nun aber statt auf „Arzneimittel“ auf „Stoffe und Methoden“ der Verbotsliste des WADC bezogen), verfassungsrechtlich in der Luft. (Weiter im Text auf der nächsten Seite)