DZSM-MITTEILUNG

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Fortsetzung Zur Verrechtlichung des Dopingbegriffs

Es reicht also die allgemeine Eignung des Stoffes oder der Methode zur Leistungssteigerung aus. Das bedeutet aber: Wird z. B. ein in dieser Liste aufgenommener Stoff durch eine „Dopingprobe“ festgestellt, ist damit nur bewiesen, dass der betreffende Sportler/ die betreffende Sportlerin einen Stoff im Körper hat, der an sich (allgemein) zur Leistungssteigerung geeignet ist, nicht aber, dass die sportliche Leistung des/der Betroffenen tatsächlich künstlich gesteigert wurde, also nicht, dass der/die Betroffene somit eine gedopte, künstlich gesteigerte sportliche Leistung erbracht, er/sie also die Konkurrenten tatsächlich betrogen hat.

Aber selbst dieses Ergebnis trifft eigentlich nicht; die Verrechtlichung des Dopingbegriffs führt zu einer dritten Einschränkung. Denn die allgemeine Eignung zur Leistungssteigerung ist nach dem WADC nur ein Kriterium für die Aufnahme in die Verbotsliste, neben zwei weiteren, die Art. 4.3 WADC umschreibt als „tatsächliches oder mögliches Gesundheitsrisiko“ und als Beurteilung der Anwendung als eines Verstoßes „gegen den in der Einleitung des Code beschriebenen Sportsgeist“. Entscheidend ist nun, dass nach Art. 4.3.1 WADC letztlich nur zwei dieser insgesamt drei Kriterien erfüllt sein müssen. Dies bedeutet im Ergebnis für das oben gebrachte Beispiel, dass aus der positiven Dopingprobe eines Athleten/ einer Athletin nicht notwendig folgt, dass er/sie einen Stoff oder eine Methode angewendet hat, die auch nur geeignet zur künstlichen Leistungssteigerung sind. Gefolgert kann nur werden, dass er/sie eine(n) in der Verbotsliste aufgenommene(n) Stoff oder Methode angewendet hat, aber eigentlich noch formaler: dass er einen solchen Stoff im Körper hat, selbst wenn er nicht weiß, wie dieser Zustand herbeigeführt wurde. „Es ist die persönliche Pflicht eines jeden Athleten dafür zu sorgen, dass keine verbotenen Stoffe in seinen Körper gelangen“ (Art. 2.1.1 WADC, der von „verschuldensunabhängiger Haftung“ [strict liability] spricht, was bedeutet, dass „die Athleten die Verantwortung“ für den Zustand ihres Körpers „tragen“).

Die Verrechtlichung des Dopingbegriffs führt somit zu einer seltsamen Pflicht, die eine Verantwortung nicht mehr für ein Handeln, sondern für einen körperlichen Zustand begründet! Sie kann daher auch keine auf ein Handeln bezogene, also moralische Pflicht (in der Form „Du sollst“ [nämlich: nicht dopen)!“ sein. Möglich wäre nur ein strenges disziplinäres Gebot (wodurch die sportrechtliche Dopingbestimmung zu einem Disziplinarrecht für SportlerInnen würde) dahingehend: „Du sollst darauf achten, keinen Stoff/keine Methode der Verbotsliste im Körper zu haben“. Ein solches Gebot wäre aber nicht sinnvoll, weil letztlich nicht erfüllbar. Das sportverbandsrechtliche Dopingverbot gründet daher nicht einmal mehr in einer Disziplinarvorschrift.

Die Konsequenz für den sportverbandsrechtlichen Dopingbegriff hat Art. 1 WADC gezogen: „Doping wird definiert als das Vorliegen eines oder mehrerer der nachfolgend in Artikel 2.1 bis Artikel 2.10 festgelegten Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen“; das UNESCO-Übereinkommen 2007 hat in seinem Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) in Nr. 9 („bedeutet `Doping im Sport´ das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regeln“, die dann in Nr. 3 entsprechend Art. 2 WADC ausgeführt werden) diese Begrifflichkeit übernommen. „Doping [im Sport]“ wird also nur mehr negativ definiert, wodurch dieser Dopingbegriff jede inhaltliche Bestimmung (im Sinne eines „positiven“ Begriffs [z. B. künstliche Leistungssteigerung, Leistungssteigerung durch körperfremde Substanzen]) verloren hat; aber auch eine Rückbindung/Begründung in einer sportethischen Auslegung (z. B. des Fairness- oder Gleichheitsbegriffs) scheidet aus. Maßgebend ist der formelle Regelverstoß.

Da ein solcher aber nur durch ein bestimmtes sportrechtliches Verfahren festgestellt werden kann, muss auch dieses Verfahren der Dopingkontrollen selbst geschützt werden, wofür diese Entleerung des Dopingbegriffs hilfreich ist. Man betrachte nur die Vorschrift des Art. 2 WADC (oder des Art. 2 Nr. 3 des UNESCO-Übereinkommens), der nun angibt, was alles als „Doping“ definiert wird und werden soll: Umgehung der Probeentnahme, Weigerung oder Versäumnis, eine Probe abzugeben (Art. 2.3), Meldepflichtverstöße (Art. 2.4), unzulässige (versuchte) Einflussnahme auf einen Teil des Kontrollverfahrens (Art. 2.5), verbotener Umgang mit einer gesperrten Person (Art. 2.10). Diese Verhaltensweisen sind damit begrifflich „Doping“ in derselben Weise wie die (versuchte) Anwendung eines verbotenen Stoffes oder einer verbotenen Methode (Art. 2.2). Es verwundert daher nicht, dass auch – wie erwähnt – das bloße Vorhandensein eines verbotenen Stoffs in der Probe eines Athleten (Art. 2.1) oder der Besitz eines verbotenen Stoffs oder einer verbotenen Methode (Art. 2.6) oder das (versuchte) Inverkehrbringen von verbotenen Stoffen/Methoden (Art. 2.7) in dieser Weise Doping sind. Und auch alle, die dazu Hilfe leisten, ermutigen, anleiten, anstiften, dies verschleiern oder verabreichen (Art. 2.7), begehen dadurch Doping. (Weiter im Text auf der nächsten Seite)