DZSM-MITTEILUNG

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Fortsetzung 70 Jahre Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin – Auf den Schultern von Giganten nach den Sternen greifen?

Prävention – die ersten epidemiologischen Kohortenstudien

Die Translation sportmedizinischer Befunde in die Prävention dauerte lang. Die Kliniker haben mit dem Risikofaktorenkonzept zur differenzierten Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen beigetragen. Körperliche Aktivität kam in den Studien überwiegend nicht vor, obwohl es bereits wichtige Daten gab, wie zum Beispiel die London-Busmen-Study von Morris 1966 und die Harvard-Alumni-Study von Paffenbarger 1978 (17, 20).

In den 70er-Jahren hat sich die Fragestellung in der Präventionsmedizin langsam durchgesetzt. Die Studienqualität aber war lange Zeit noch nicht ausreichend, die Evidenz wurde jedoch immer größer. In einer Meta-Analyse der Publikationen der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin vom Cochrane-Institut wird angeführt, dass in den ersten 54 Jahren 490 prospektive Studien in unserer Zeitschrift entstanden sind, 182 RCTs (randomizied controlled trials); 308 CCTs (controlled clinical trials), die ganz wesentlich das Verständnis über körperliche Aktivität geprägt haben (9).

Die erste Herzgruppe wurde 1965 durch den Internisten Hartmann in Schorndorf gegründet, eine Bewegung, die mittlerweile ganz Deutschland erfasst hat. Man tat sich jedoch immer wieder mit den Wirknachweisen schwer, da prospektive Studien fehlten (28).

Leuchtturm-Studien zur Prävention

Die erste Leuchtturm-Study zu Lebensstil und koronare Herzerkrankung hat Ornish 1990 publiziert, in einem kleinen Kollektiv konnte mit extrem vegetarischer, fettarmer Kost, Bewegung, einem Rauchstopp sowie moderater Aktivität erstmals die Progression der koronaren Herzerkrankung verhindert werden (19). Ein Befund, der damals den Klinikern noch vollkommen unglaubwürdig erschien.

Dann publizierte Belardinelli 1998 eine Studie, in der er Patienten mit chronischer koronaren Herzerkrankung acht Wochen trainierte und zeigte, dass es zu einer Abnahme der Progression der koronaren Herzerkrankung kam, besserer Kollateralisierung, besserer Durchblutung des Myokards und einer Verbesserung der Herzfunktion (3). Meyer und Ros-
kamm aus Bad Krozingen trainierten erfolgreich herzinsuffiziente Patienten mit Intervalltraining (1997) (14). Die durch Kliniker befürchtete Dilatation des Herzens durch eine Belastung des geschwächten Herzens trat in beiden Studien nicht auf.

Schuler und Hambrecht haben dann 2004 die wegweisende Studie bei koronarer Herzerkrankung veröffentlicht, in der Patienten mit Eingefäßerkrankung prospektiv randomisiert entweder trainiert oder interveniert wurden (5). Training hatte gegenüber der Angioplastie klare Vorteile: Komplikationen, Leistung, Progression, Durchblutung, Kosten. Myers zeigte in einer wegweisenden prospektiven Studie von 6213 Männer, dass die beste Prädiktion der koronaren Mortalität über nach im Mittel 6,4 Jahren die Leistungsfähigkeit und nicht die KHK war (18).

Die Onkologie berichtet über einen klare Überlebensvorteil (16 vs. 38 % Mortalität) durch Training bei Colon-Carcinom (15). Training wirkt auf Gehirn und peripheres Nervensystem, Neuroplastizität ist ein Begriff, der erst in den letzten Jahren geprägt wurde.

Die letzten zehn Jahre sind von großen Fortschritten zur Bedeutung von körperlicher Bewegungstherapie geprägt. Die Studienqualität nahm immer mehr zu, da nun mehr körperliche Aktivität in die Studienfragestellung aufgenommen und nicht nur zufällig erfasst worden war. Mittlerweile können wir zeigen, dass körperliche Aktivität bei zahlreichen Erkrankungen, in der Prävention, in der Sekundär-Prävention sowie in der Therapie wirksam ist. (Weiter im Text auf der nächsten Seite)