DZSM-MITTEILUNG

Seite 4 / 6

Fortsetzung 70 Jahre Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin – Auf den Schultern von Giganten nach den Sternen greifen?

Leistungsdiagnostik – Das Mögliche und das Unmögliche

Die Trainingsteuerung mit Laktat, die Laktatschwellenkonzepte und entsprechende Testformen sind Innovationen, die eine Vielzahl von Studien und Publikationen auslösten und den Sport veränderten (11, 25, 26). Letztlich kann überall und von fast jedem Laktat gemessen und die Stoffwechselsituation beurteilt werden, was dazu geführt hat, dass die Leistungsdiagnostik die Labore verlassen hat und in die Praxen zu Dienstleistern gewandert ist, ein Prozess, der immer noch nicht abgeschlossen ist.

Training kann aber nicht unbegrenzt gesteigert werden. Es gibt Grenzen von Belastung, die dann zu Überlastung und zu Ermüdung sowie Leistungsverfall führen. In den 50er-Jahren führte das hochintensive Intervalltraining, das durch Emil Zatopek und den Deutschlandachter unter Karl Adam geprägt wurde, zu einem sympathikotonen Übertraining, während mit der Einführung großer Trainingsumfänge es zu einem eher vagotonen Erschöpfungssyndrom kam. Die Sportendokrinologie und -biochemie, die von Georg Haralambie, Manfred Lehmann, und Helmut Weicker begründet worden war, zeigte die Grenzen von Belastung und die große Problematik von Übertraining auf (16). Nun war die Frage, wie solche unerwünschten Nebenwirkungen von Training verhindert werden konnten. Man konnte das Absinken von Schilddrüsen- und Sexualhormonen als Schutzphänomen des Körpers auf Erschöpfung betrachten, dem durch klügeres Training, Regeneration und Ernährung begegnet werden konnte (11, 16, 24). Moderne immunologische Konzepte geben hier bessere Einsicht in molekulare Trainingswirkungen und die erheblichen Auswirkungen von Mikro- und Makrotraumen (4, 13, 20, 28).

Die technokratische Seite der „Möglichmacher“ sah eine Störung der Körperhomöostase und ein endokrines Defizit, das durch spezielle Supplemente, spezielle Maßnahmen oder Substitution defizitärer Hormone behoben werden könne. Aber dadurch ist die Balance zwischen ethisch Erlaubtem, medizinisch Möglichem und Notwendigem verlorengegangen. Sicher hat sich der Begriff des Dopings in den letzten 70 Jahren gewandelt. Spätestens ab Ende der 70er-Jahre war aber klar, dass Doping essentiell die Legitimation des Sports sowie „wissenschaftliches Doping“ mit angeblicher Kontrolle der Nebenwirkungen trotzdem die Gesundheit der Sportler gefährdet. Von den Protagonisten, die 1983 noch „Substitution“ für erlaubt hielten bis zur „experimentellen Endokrinologie“ des Oregon-Projekts im Jahr 2019, das als Doping angesehen werden muss, zieht sich eine unschöne Linie.

Für die Sportmedizin hat es lange gedauert, bis eine eindeutige Haltung gefunden wurde. Insofern ist die Erklärung der deutschen Hochschullehrer für Sportmedizin von 2011 unserer Zeitschrift sicher auch ein wichtiger Schritt gewesen (27): „Es ist bekannt, dass Dopingmethoden … teilweise gefördert und auch finanziell unterstützt wurden. Dieser Umstand kann das genannte Verhalten aus unserer Sicht allerdings keinesfalls rechtfertigen. … Wir vertreten die selbstverständliche Position, dass ein nachgewiesener Verstoß gegen die Anti-Dopingbestimmungen (WADA-Code) von Ärzten, medizinischem Hilfspersonal, Trainern und Funktionären nicht mit einer weiteren Tätigkeit im Leistungs- und Spitzensport und, wenn es sich um Ärzte handelt, auch nicht mit einer Mitgliedschaft in der DGSP vereinbar ist.“ (Weiter im Text auf der nächsten Seite)