DZSM-MITTEILUNG

Seite 3 / 6

Fortsetzung 70 Jahre Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin – Auf den Schultern von Giganten nach den Sternen greifen?

Die Sportmedizin nach dem zweiten Weltkrieg, das „goldene“ Zeitalter der Spiroergometrie

In Freiburg wurde im Jahr 1954 unter dem Kardiologen und Radiologen Herbert Reindell ein Extraordinariat für Arbeitsphysiologie und Sportmedizin eingerichtet. Der besondere Schwerpunkt lag auf den schon in den 40er-Jahren begonnen Forschungen zum Sportherz, zur Prävention und Rehabilitation und einer engen sportmedizinischen Betreuung des Leistungssports (22). Diese klinische Ausrichtung verband Freiburg und den nachmaligen Leiter Josef Keul und sein Team für lange Zeit mit vielen Nationalmannschaften und erfolgreichen Olympiamannschaften.
1958 wurde in Köln das Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin mit dem Kardiologen und Sportmediziner Wildor Hollmann gegründet mit einem Schwerpunkt auf leistungsphysiologische und sportmedizinische Untersuchungen.

Wildor Hollmann wurde 1950 Hauptschriftleiter dieser Zeitschrift und blieb es 49 Jahre lang. Als Präsident des Weltsport-Ärztebundes prägte er die Außendarstellung der deutschen Sportmedizin. Begründet auf der Entwicklung der Spiroergometrie durch Hugo Wilhelm Knipping und Ludolph Brauer in den 30er- und 40er-Jahren konnte dann ab 1949 technologisch mit dem geschlossenen Spiroergometriesystem von Dargatz die Sauerstoffaufnahme kontinuierlich gemessen werden, ab etwa 1960 auch die von Hochleistungssportlern. Die Entwicklung des Pneumotachographen durch Fleisch und Lilly erlaubte die Entwicklung einfacherer, halboffener und später offener Spiroergometriesysteme, die die Spiroergometrie allgemein verfügbar machten (2). Plötzlich konnte die körperliche Leistungsfähigkeit analysiert und differenziert werden und mit Einführung von Laktat in die Leistungsdiagnostik konnte man immer besser Stoffwechselsituationen, Training und Leistungsfähigkeit verfolgen.

Durch die Olympischen Spiele in Mexiko 1968 mit den ungewohnten Höhenbedingungen und dann in München 1972 gab es einen weiteren Schub, der in den nächsten Jahren zur Einrichtung zahlreicher sportmedizinischer Einrichtungen an den vielen deutschen Universitäten führte. So wurden neben den drei Instituten in Köln, Freiburg und Berlin (Harald Mellerowicz) weitere Institute gegründet, u. a. 1978 Saarbrücken (Wilfried Kindermann), Heidelberg (Helmut Weicker), Bochum (Horst de Marées), Hannover (Dieter Böning), Tübingen (Hans-Hermann Dickhuth), München (Dieter Jeschke), Ulm (Reinhard Wodick und Martin Stauch), Hamburg (Klaus-Michael Braumann). Ab 1968 hat Jürgen Stegemann in Köln das Institut für Physiologie zur Weltraumphysiologie ausgebaut.

Damit wurde aus einer bi- bis tripolaren Welt die Sportmedizin zu einem breit angelegten Fach, was sich auch in der Zeitschrift widerspiegelte. 1982 wurde aus der deutschen Sportmedizin heraus beim Thieme-Verlag das International Journal of Sports Medicine gegründet mit Weicker und Jon Karlsson aus Stockholm als Editoren.

Sportmedizin in der ehemaligen DDR

In der DDR entwickelte sich eine „Arbeitsgruppe Sportmedizin“, die 1953 in Leipzig gegründet wurde und aus der die Gesellschaft für Sportmedizin der DDR hervorging. International renommiert waren hier der funktionelle Anatom Kurt Tittel und die Sportmediziner Stanley Ernest Strauzenberg und Siegfried Israel. So wurde mit dem Sportmedizinischen Dienst staatlich geleitetes, flächendeckendes System der sportärztlichen Betreuung eingerichtet und ab März 1969 das Fachorgan „Medizin und Sport“ herausgegeben. Beachtenswert ist auch die strukturierte Weiterbildung zum Facharzt für Sportmedizin, die über 300 Kollegen absolvierten (1).

In Leipzig entstand 1950 die Deutsche Hochschule für Körperkultur aus dem 1925 gegründeten Institut für Leibesübungen. Die Leistungsportforschung wurde 1969 im Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport (FKS) zusammengefasst. Am Anfang wurden in der Sportmedizin und Sportwissenschaft der DDR neue Innovationen und Paradigmen des Trainings – wie Ablösung des Intensiven Intervalltrainings durch das extensive Ausdauertraining – entworfen und eine international beachtete große Qualität der Trainingsbetreuung erreicht (23, 24). Die allgegenwärtige Stasi gängelte auch die Forscher, was zur Flucht von Alois Mader, dem Vater der 4-mmol-Schwelle, führte (11) und zur inneren Immigration von Anderen.

Die DDR-Führung setzte immer mehr auf Doping und Umgehung der international aufkommenden Doping-Kontrollen. Neben dem „hauseigenen“ Steroid Turinabol wurde dann an Hormonanaloga, zentralen hormonalen Mechanismen und microdosing geforscht, was letztlich das Institut delegitimierte (1, 27). Im Jahr 1992 wurden 124 Mitarbeiter inklusive einer kleinen sportmedizinischen Abteilung in das neue Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) übernommen. (Weiter im Text auf der nächsten Seite)