Die Auswirkungen von Gelenkhypermobilität bei Jugendlichen mit Fibromyalgie
Ein übermäßiger Bewegungsumfang der Gelenke ist bei Kindern und Jugendlichen keine Seltenheit. Besonders betroffen aber sind Jugendliche mit idiopathischen chronischen muskuloskelettalen Schmerzen. Daher stellt sich die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen Gelenkhypermobilität und Krankheiten gibt, die von chronischen muskuloskelettalen Schmerzen begleitet sind, wie z. B. die Fibromyalgie oder das Ehlers-Danlos-Syndrom und welche therapeutischen Konsequenzen dies hätte.
Bis zu 40 Prozent der an Fibromyalgie erkrankten Jugendlichen weisen eine Gelenkhypermobilität auf. US-Wissenschaftler haben daher Jugendliche mit Fibromyalgie und zusätzlicher Gelenkhypermobilität mit gleichaltrigen an Fibromyalgie Erkrankten ohne Gelenkhypermobilität verglichen (1). Indem sie in beiden Gruppen die Alltagsfunktion, die Biomechanik (Kinetik und Kinematik) und Schmerzintensität untersuchten, wollten sie herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen der Hypermobilität, Biomechanik und Schmerzen bei Fibromyalgie-Erkrankten gibt.
Die Teilnehmer wurden aus einer bereits existierenden randomisierten Pilotstudie zur Fibromyalgie bei Jugendlichen rekrutiert, die eine Kombination aus Verhaltenstherapie und neuromuskulärem Training untersuchte. Obwohl die Studie für beide Geschlechter angelegt war, waren bereits 90 Prozent der Stichprobe weiblich und nur von den Frauen lagen schließlich verwertbare Daten vor, sodass die ausgewählten 36 Personen ausschließlich weiblich waren. Ihr Alter betrug 12 bis 18 Jahre mit einem Durchschnitt von 15,6 Jahren. Alle hatten die klinisch verifizierte Diagnose der juvenilen Fibromyalgie erhalten und litten unter mindestens mäßigen Funktionsstörungen und Schmerzen. Unter den 36 Probandinnen waren 13 (36,1 Prozent) mit Gelenkhypermobilität und 23 ohne Hypermobilität.
Die Diagnose der Gelenkhypermobilität wurde anhand des Beighton-Scores mit 5 gestellt. Bei diesem Score werden neun unterschiedliche Gelenkwerte erfasst, derjenige der unteren Gliedmaßen jedoch als Gesamtwert. Letzteres befanden die Autoren selbst als mögliche Schwäche der Studie, da es in diesem Fall von Relevanz sein könnte, detailliertere Einzelwerte von der Hüfte oder der Innen- und Außenrotation der Knie zu haben.
Die Schmerzintensität beurteilten die Teilnehmerinnen anhand einer visuellen Analogskala und die funktionelle Beeinträchtigung ihrer Alltagsaufgaben durch ihren Gesundheitszustand auf der 5-stufigen Likert-Skala. Eine 3D-Bewegungserfassung zeichnete Knie- und Hüftkinetik und -kinematik auf.
Die Gruppe mit Gelenkhypermobilität schätzte zu Beginn ihre funktionelle Beeinträchtigung als geringer ein als die andere Gruppe. Die Bewertung der Schmerzintensität war nahezu gleich. Als Bewegungstest wurde ein vertikaler Fallsprung (DVJ, Drop Vertical Jump) ausgewählt.
Im Ergebnis zeigte die Gruppe mit Gelenkhypermobilität und Fibromyalgie zeigte eine stärkere Hüftflexion über den gesamten DVJ, ein größeres Hüft- und Knietransversalmoment in der späten Start- bzw. Antriebsphase sowie geringere Hüftbeugung und Hüftmoment in der Frontalebene und mögliche tiefere Kniebeugung während der Landephase als die Gruppe ohne Gelenkhypermobilität. Ansonsten gab es jedoch keine auffälligen Abweichungen in der Biomechanik zwischen beiden Gruppen und auch nicht in der Schmerzintensität.
Die Besonderheiten der Gruppe mit Gelenkhypermobilität könnten allerdings auf ein erhöhtes Verletzungsrisiko hindeuten: Zum einen durch die bei Sprunglandung geringere Gelenkfestigkeit und Instabilität an sich. Zum anderen durch den kompensatorischen Kraftaufwand der Knie. Bei jugendlichen Athleten wurden häufigere Verletzungen durch Kniekompensation bereits nachgewiesen (2) und auch die Beobachtung bereits bestehender Studien zur Biomechanik der Knie bei Personen mit Gelenkhypermobilität bekräftigen diesen Zusammenhang (3, 4).
Sollten umfangreichere Studien zur Gelenkhypermobilität auch bei anderen Krankheitsbildern diese Ergebnisse bestätigen, sollten wohl spezielle stabilisierende physiotherapeutische Maßnahmen für Jugendliche mit Gelenkhypermobilität ergriffen werden, um Verletzungen bereits im Vorfeld zu vermeiden.
■ Herling S
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Quellen:
Black WR, DiCesare CA, Wright LA et al. The effects of joint hypermobility on pain and functional biomechanics in adolescents with juvenile fibromyalgia: secondary baseline analysis from a pilot randomized controlled trial. BMC Pediatr 2023; 23: 557. doi:10.1186/s12887-023-04353-y
Ford KR, Myer GD, Hewett TE. Longitudinal effects of maturation on lower extremity joint stiffness in adolescent athletes. Am J Sports Med. 2010; 38(9):1829-37. doi:10.1177/0363546510367425
Engelbert RH, Uiterwaal CS, Gerver WJ, van der Net JJ, Pruijs HE, Helders PJ. Osteogenesis imperfecta in childhood: impairment and disability. A prospective study with 4-year follow-up. Arch Phys Med Rehabil. 2004; 85(5):772–8. doi:10.1016/j.apmr.2003.08.085
Fatoye FA, Palmer S, van der Linden ML, Rowe PJ, Macmillan F. Gait kinematics and passive knee joint range of motion in children with hypermobility syndrome. Gait Posture. 2011; 33: 447–451. doi:10.1016/j.gaitpost.2010.12.022