Atemtraining: bessere Leistung durch sparsameres Atmen?

Atemtraining: bessere Leistung durch sparsameres Atmen?
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Atmung ist ein zentraler Vorgang, dem wir gemeinhin wenig Aufmerksamkeit schenken – und speziellem Atemtraining meist noch weniger. Warum auch, wird sie doch in jeder Lebenslage vom autonomen Nervensystem gesteuert. Allerdings ist das zu kurz gedacht, wie zahlreiche Untersuchungen und Experimente der letzten Jahrzehnte zeigen. Beginnen wir mit den Fakten. Physiologisch betrachtet, dient die Atmung an erster Stelle dazu, alle Körperzellen ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen. Das bewerkstelligen in fünf Litern Blut rund 25 Milliarden Erythrozyten mit jeweils etwa 260 Millionen Hämoglobinmolekülen im Zellinneren. Bei jeder Passage entlang der insgesamt 100 m2 großen Lungenoberfläche kann ein Erythrozyt eine Milliarde Sauerstoffmoleküle aufnehmen. Das Lungenvolumen eines durchschnittlichen Erwachsenen beträgt sechs bis sieben Liter, Leistungssportler erreichen bis zu acht, Apnoetaucher bis zu zehn Liter. Das Volumen, das tatsächlich am Gasaustausch teilnimmt (Vitalkapazität), beträgt davon etwa 80 Prozent. Eine wichtige Funktion hat der Rest, der trotz vollständiger Ausatmung in der Lunge verbleibt. Dieses so genannte Residualvolumen trägt entscheidend zur Regulation des Säure-Basen-Haushalts bei. Die Lungengröße gilt als Indikator für die Lebenserwartung – je kleiner, desto größer ist das Mortalitätsrisiko (6, 11, 17). Zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr verliert die Lunge ungefähr 12 Prozent ihrer Kapazität. Das Lungenvolumen kann durch Sport zwar  nur mäßig gesteigert werden, doch Bewegung hält die Lunge flexibel und trainiert die Atemmuskulatur.

In der Gesamtschau ist nicht nur das Atemvolumen von Bedeutung, sondern auch die Atemfrequenz und damit die Atemleistung pro Minute. Etwa acht bis zehn Prozent der gesunden Erwachsenen und etwa 30 Prozent der Asthmapatienten atmen »zu viel« (dysfunktionelle Atmung oder Hyperventilationssyndrom) (10, 19). Das klingt zunächst paradox, denn man könnte denken, die Versorgung der Zellen mit Sauerstoff wäre besser, wenn man mehr atmet. Doch pro Atemzug wird in der Lunge nur etwa ein Viertel des Sauerstoffs aus der Luft absorbiert und sorgt für eine Sauerstoffsättigung von 97–98 Prozent. Eine weitere Steigerung ist folglich nicht nötig. Vielmehr nimmt die Effizienz, mit der Zellen mit Sauerstoff versorgt werden, sowohl bei zu schneller als auch bei übermäßiger Atmung ab. Nicht der Sauerstoffgehalt steigt dann, sondern die Kohlendioxid-Konzentration im Blut sinkt. Und auch das ist nicht unbedingt besser.

Macht zu viel Atmen krank?

Inzwischen wird vermutet, dass chronische Hyperventilation nicht nur die Symptomatik chronischer Krankheiten wie Asthma, Bluthochdruck und anderen verschlechtern, sondern sogar an deren Entstehung beteiligt sein könnte (5). Hinweise darauf lieferten Beobachtungen von Asthma- und Bluthochdruckpatienten, von denen viele (insbesondere im Anfangsstadium der Krankheit) (13) überdurchschnittlich häufig hyperventilierten oder dysfunktional atmeten und damit dauerhaft geringe CO2-Konzentrationen aufwiesen (respiratorische Alkalose) (16). Ob die schnellere Atmung Ursache oder Folge einer Erkrankung ist, war damit noch nicht bewiesen. Doch reduzierte CO2-Konzentrationen können die Lungenfunktion maßgeblich verringern (16). Absolvieren Asthma- Patienten ein Atemtraining, bei der sie lernen, entsprechend ihrer Stoffwechselbedürfnisse (funktionell) und damit langsamer und weniger zu atmen, so verlangsamt sich die Herzfrequenz, der Blutdruck sinkt und die Symptome nehmen ab.

Die Beobachtungen und Hypothesen zur potenziellen Schädlichkeit dauerhaft niedriger CO2-Konzentrationen gehen zurück auf den ukrainischen Arzt Dr. Konstantin Pawlowitsch Buteyko, der die chronische Hyperventilation für zahlreiche Zivilisationskrankheiten verantwortlich machte (3). Atemtraining, das willentlich zu einer Verlangsamung der Atmung und Reduktion der Atemmenge führt, wird auch heute in der Therapie von Asthma und anderen Lungenerkrankungen mit dem Ziel eingesetzt, die Sauerstoffversorgung zu verbessern und die CO2-Konzentration dauerhaft auf physiologisch normale Werte (ca. 40 mm Hg) zu erhöhen. Wissenschaftliche Studien zeigen bei Asthmapatienten, die solche Methoden über mehrere Wochen oder Monate durchführen, häufig eine Verbesserung der Symptome und Lebensqualität sowie eine Verringerung der Medikation (z. B. 4, 15, 16).

Zwerchfelltraining für bessere Leistung

Ausdauerathleten sind zu einem überdurchschnittlich hohen Prozentsatz von Atemwegserkrankungen betroffen – inklusive (Belastungs-)Asthma. Untersuchungen lassen die Vermutung zu, dass Bronchospasmen und interstitielle Ödeme nicht per se pathologisch sind, sondern vielmehr auch bei gesunden Personen auftreten können, wenn sie durch intensive Aktivität körperlich erschöpft sind. Dabei gibt es unterschiedliche Ursachen, die die Leistungsfähigkeit der Lunge begrenzen. Da wäre das Phänomen der Bronchokonstriktion bei sehr hohem Ventilationsbedarf, die Verengung der extrathorakalen oberen Atemwege oder die Ermüdung der Atemmuskulatur, besonders des Zwerchfells (2). Obwohl die Atemmuskulatur durch Sport trainiert und ihre Leistungsfähigkeit verbessert wird, steigt mit zunehmender Fitness die Wahrscheinlichkeit, dass die respiratorischen Grenzen erreicht werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die extreme sportliche Belastung unter für das Atmungssystem ungünstigen Bedingungen stattfindet (bei Kälte und bereits ab moderater Höhe). Am stärksten betroffen sind daher Langläufer und Biathleten, Eiskunst- und Eisschnellläufer, Eishockeyspieler, Radfahrer und Schwimmer (2).

Bei körperlicher Belastung steigen Sauerstoffbedarf, Atemtiefe und Atemfrequenz. Hypoxietraining, z. B. in Form von Höhentraining, ist eine beliebte Methode, um die Produktion von Erythrozyten anzuregen und dadurch die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Ob diese Ziele auch bei normobarischem Training durch spezifisches Atemtraining erreicht werden können, ist Gegenstand von Untersuchungen. Bei intensiver Belastung sind lange Ein- und Ausatmung nicht mehr möglich. Ein Anstieg des Kohlendioxid-Partialdrucks (pCO2) und eine daraus folgende Azidose wird durch intensive Atmung verhindert. Der Anstieg des Laktats bei intensiven Belastungen, muss ebenfalls teilweise durch Absenkung des pCO2 abgepuffert werden. Eine Form des intensiven Ausdauer-Atemtrainings haben Spengler und Boutellier erforscht. Ihre Erkenntnisse führten zur Entwicklung von »Spirotiger«/IDIAD P100«, ein Gerät für Atemtraining, das von einigen Spitzensportlern genutzt wird (9). Untersuchungen von Atemtrainingsmethoden gegen Atemwiderstand und mit gleichbleibender CO2-Konzentration bei einer Ventilation von 100 l/min. zeigten bei Ausdauersportlern und Nichtsportlern, dass sich die Leistungsfähigkeit verbessert, jedoch ohne Anstieg der VO2max. Wie auch bei Trainingsformen mit angehaltenem Atem, ist das Ergebnis ein schwächeres Gefühl der Atemnot unter Belastung und damit eine höhere respektive längere Belastbarkeit.

In einer Studie an jugendlichen Basketballspielern, bei denen die Interventionsgruppe zusätzlich zu einem für beide Gruppen gleichen Intervall-Zirkeltraining Atemübungen adaptiert an die Buteyko-Technik durchführte, erhöhten sich die VO2max-Werte der Interventionsgruppe durchschnittlich um 13,1 Prozent (5,6–31,5 Prozent), in der Kontrollgruppe nur um 7,2 Prozent (1,6–13,1 Prozent) (7). Auch bei Schwimmern wirkte sich Apnoe-Training steigernd auf die VO2max, die Einsekundenkapazität (FEV1), das Lungenvolumen und das Belastungsempfinden (rating of perceived exertion, Borg-Skala) aus (14, 18). Offenbar ist es also möglich, den Körper an höhere CO2-Konzentrationen zu gewöhnen, so dass das Gefühl des Atemmangels verzögert einsetzt.

Atemtraining für verschiedene Zwecke

Im Sport werden normalerweise automatisch an die Belastung angepasste Änderungen der Atmung vorgenommen. Während bei Ausdauerbelastungen gleichmäßig tief geatmet wird, nutzen Kraftsportler die Pressatmung, um den Brustkorb bei hohen Gewichten zu stabilisieren. Bestimmte Sportarten wie Rudern, Schwimmen oder Biathlon erfordern jedoch vorgegebene Atemrhythmen.

Neben den bereits genannten Methoden können Atemtechniken auch in der Regeneration, zur Verbesserung der Entspannung und des Schlafs, zur Regulation von Aufregung und zur Förderung der Konzentration eingesetzt werden. Dazu eignen sich alle Techniken, die den Parasympathikus über den Vagusnerv aktivieren. Dieser reicht vom Stammhirn ausgehend entlang der Halsschlagadern hinter das Brustbein und über die unteren Lungenlappen bis in den Bauchraum. Durch langsame tiefe Atmung kann er aktiviert werden und zu Entspannung führen. Achtsamkeitsmeditationen, die sich auf den Atem fokussieren, greifen darauf zu. Entspannungsfördernd ist etwa eine längere Aus- als Einatmung bei tiefer Bauchatmung (z. B. 4-7-8-Atmung). Neben seelischer Beruhigung wirken diese Techniken auch auf den Körper: Blutdruck und Herzfrequenz sinken, die Herzratenvariabilität steigt. Um trotz Entspannung die Konzentration hoch zu halten, beispielsweise in Wettkampfsituationen, nutzen viele Athleten das Box Breathing, auch Kastenatmung genannt (8). Dabei wird auf vier Zählschritte eingeatmet, vier Zählschritte lang die Luft angehalten, vier Zählschritte ausgeatmet und vier Zählschritte die Luft angehalten. Dann beginnt der Zyklus von vorne. Im Yoga, Qi Gong oder Tai Chi existieren zahlreiche weitere Atemtechniken, denen verschiedene Wirkungen zugeschrieben werden.

Doch nicht nur der Parasympathikus kann durch Atmung gezielt angesteuert werden. Das funktioniert auch mit dem Sympathikus, der evolutionär gesehen für Kampf- und Fluchtreaktionen zuständig ist. Auf den ersten Blick erscheint es nicht sinnvoll, das Stresssystem des Körpers willentlich zu aktivieren. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich hingegen, dass damit durchaus wünschenswerte Effekte erzeugt werden können. Die Tummo-Atmung etwa, die zu Recht den Namen »Meditation des inneren Feuers« trägt und von tibetischen Mönchen seit rund 1000 Jahren praktiziert wird, um in kalten Gegenden Auskühlung zu verhindern, aktiviert gezielt den Sympathikus (1). Etwas modifiziert hat sie der Niederländer Wim Hof bekannt gemacht, der ein ganzes Geschäftsmodell darauf aufgebaut hat. Im Kern wird bei der Tummo- oder Wim-Hof-Atmung über 30 Atemzüge intensiv ein- und passiv ausgeatmet (Hyperventilation), gefolgt von einer möglichst langen Phase des Luftanhaltens. Diese Serie wird mindestens dreimal wiederholt. Der Wechsel aus schneller Atmung und Luftanhalten ist ein Stressreiz, der das sympathische Nervensystem aktiviert: Adrenalin, Kortisol und Noradrenalin werden ausgeschüttet. Spannenderweise aktiviert dieser freiwillig gewählte Stress auch stark das Immunsystem (12).

Die Atmung ist viel mehr als ein biochemischer oder rein physiologischer Vorgang, um die Körperzellen mit Sauerstoff zu versorgen. Die westliche Medizin und auch der Sport schenken den Effekten, die durch willentliche Atmungssteuerung und gezieltes Atemtraining zu erzielen sind, noch wenig Aufmerksamkeit. In manchen Bereichen ist die Evidenzbasis noch mäßig. Doch einige Studien konnten bereits zeigen, was mit Atmung alles möglich ist. Es lohnt sich, zu experimentieren.

■ Hutterer C, Böning D, Schmidt W

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Quellen:

  1. Amihai I, Kozhevnikov M. The Influence of Buddhist Meditation Traditions on the Autonomic System and Attention. Biomed Res Int. 2015; 731579. doi:10.1155/2015/731579

  2. Bussotti M, Di Marco S, Marchese G. Respiratory disorders in endurance athletes - how much do they really have to endure? Open Access J Sports Med. 2014; 5: 47-63. doi:10.2147/OAJSM.S57828

  3. Buteyko K. Zusammenstellung von Buteykos Schriften. [aufgerufen: 27.06.2022]

  4. Cooper S, Oborne J, Newton S, Harrison V, Thompson Coon J, Lewis S, Tattersfield A. Effect of two breathing exercises (Buteyko and pranayama) in asthma: a randomised controlled trial. Thorax. 2003; 58: 674-679. doi:10.1136/thorax.58.8.674

  5. Curley G, Laffey JG, Kavanagh BP. Bench-to-bedside review: carbon dioxide. Crit Care. 2010; 14: 220. doi:10.1186/cc8926

  6. Eberlein M, Reed RM, Bolukbas S, Parekh KR, Arnaoutakis GJ, Orens JB, Brower RG, Shah AS, Hunsicker L, Merlo CA. Lung size mismatch and survival after single and bilateral lung transplantation. Ann Thorac Surg. 2013; 96: 457-463. doi:10.1016/j.athoracsur.2013.04.064

  7. Fahrizal D, Budi TS. The Effect of Buteyko Breathing Technique in Improving Cardiorespiratory Endurance. The 3rd International Conference on Science, Technology, and Humanity. 2017. ISSN: 2477-3328

  8. Hunt MG, Rushton J, Shenberger E, Murayama S. Positive Effects of Diaphragmatic Breathing on Physiological Stress Reactivity in Varsity Athletes. J. Clin. Sport Psych. 2018; 12: 1-12. doi:10.1123/jcsp.2016-0041

  9. Idiag AG. [aufgerufen: 14.05.2022]

  10. Jones M, Harvey A, Marston L, O'Connell NE. Breathing exercises for dysfunctional breathing/hyperventilation syndrome in adults. Cochrane Database Syst Rev. 2013: CD009041. doi:10.1002/14651858.CD009041

  11. Kannel WB, Hubert H, Lew EA. Vital capacity as a predictor of cardiovascular disease: the Framingham study. Am Heart J. 1983; 105: 311-315. doi:10.1016/0002-8703(83)90532-x

  12. Kox M, van Eijk LT, Zwaag J, van den Wildenberg J, Sweep FC, van der Hoeven JG, Pickkers P. Voluntary activation of the sympathetic nervous system and attenuation of the innate immune response in humans. Proc Natl Acad Sci U S A. 2014; 111: 7379-7384. doi:10.1073/pnas.1322174111

  13. Langewitz WA, Schaefert R. Hyperventialtion und dysfunktionelle Atmung. Swiss Med Forum. 2019; 19: 749-752. doi:10.4414/smf.2019.08393

  14. Lemaître F, Seifert L, Polin D, Juge J, Tourny-Chollet C, Chollet D. Apnea training effects on swimming coordination. J Strength Cond Res. 2009; 23: 1909-1914. doi:10.1519/JSC.0b013e3181b073a8

  15. Prem V, Sahoo RC, Adhikari P. Comparison of the effects of Buteyko and pranayama breathing techniques on quality of life in patients with asthma - a randomized controlled trial. Clin Rehabil. 2013; 27: 133-141. doi:10.1177/0269215512450521

  16. Ritz T, Meuret AE, Wilhelm FH, Roth WT. Changes in pCO2, symptoms, and lung function of asthma patients during capnometry-assisted breathing training. Appl Psychophysiol Biofeedback. 2009; 34: 1-6. doi:10.1007/s10484-008-9070-1

  17. Schünemann HJ, Dorn J, Grant BJ, Winkelstein W Jr, Trevisan M. Pulmonary function is a long-term predictor of mortality in the general population: 29-year follow-up of the Buffalo Health Study. Chest. 2000; 118: 656-664. doi:10.1378/chest.118.3.656

  18. Son H, Jeon Y, Kim H. Effects of Static Apnea Training on Pulmonary Function, Blood Lactate Response and Exercise Performance of Elite Swimmers. Exerc.Sci. 2020; 29: 272-280. doi:10.15857/ksep.2020.29.3.272

  19. Thomas M, McKinley RK, Freeman E, Foy C, Price D. The prevalence of dysfunctional breathing in adults in the community with and without asthma. Prim Care Respir J. 2005; 14: 78-82. doi:10.1016/j.pcrj.2004.10.007