Was bringt kontinuierliches Glukosemonitoring im Sport?
Wer auf Social Media unterwegs ist, wird früher oder später mit der Aussage konfrontiert, dass Blutzuckerschwankungen auch bei stoffwechselgesunden Menschen ein Risiko darstellen und vermieden werden sollen. In der Folge nutzen immer mehr Gesunde und Sportler die Möglichkeit der kontinuierlichen Glukosemessung, kurz CGM (Continuous Glucose Monitoring). Die Technik wurde einst für Diabetiker entwickelt, die damit ihren Blutzuckerspiegel leichter kontrollieren, besser steuern und so gefährliche Blutzucker-Ausschläge verhindern können. Doch was bringt kontinuierliches Glukosemonitoring stoffwechselgesunden Personen – vor allem im Sport?
Die Argumente der Befürworter klingen vielversprechend: mehr Einblick in den eigenen Stoffwechsel, bessere Steuerung der Kohlenhydratzufuhr, eine individualisierte Ernährungsstrategie und das alles mit dem Ziel der Leistungssteigerung. Doch was davon ist durch Daten belegbar? Klar ist: Mittels Glukosemonitoring lassen sich Blutzuckerverläufe im Abstand weniger Minuten und damit deutlich komfortabler verfolgen als mit klassischen Messungen in einem Blutstropfen aus dem Finger. Ein runder, im Durchmesser drei bis vier Zentimeter kleiner und nur etwa fünf Millimeter hoher Sensor wird schmerzfrei auf der Rückseite des Oberarmes angebracht und verbleibt dort für bis zu zwei Wochen. Der Messfühler bestimmt über die gesamte Tragedauer hinweg alle paar Minuten den Blutzuckerwert im interstitiellen Raum und übermittelt ihn an eine App.
Bedeutung von Blutzuckerschwankungen bei gesunden Sportlern
Die Regulation des Blutzuckers erfolgt über ein fein abgestimmtes Zusammenspiel verschiedener Hormone und Gewebe. Glukose stellt eine wichtige Energiequelle für Gehirn und Muskulatur dar, weshalb der Organismus Mechanismen entwickelt hat, um entsprechende Schwankungen in engen Grenzen zu halten. Nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit steigt der Blutzuckerspiegel an. Die Bauchspeicheldrüse reagiert darauf mit der Ausschüttung von Insulin, das die Aufnahme von Glukose in die Muskulatur fördert. In Muskeln und Leber wird Glukose als Glykogen gespeichert, im Fettgewebe vor allem in Form von Triglyzeriden. Sinkt der Blutzucker, zum Beispiel während einer Nahrungspause (z. B. nachts), beim Fasten oder während längerer Belastung, sorgen Hormone wie Glukagon, Adrenalin und Cortisol dafür, dass gespeicherte Energie wieder freigesetzt wird. So weit die physiologischen Grundlagen.
Entgegen den eindringlich vorgebrachten Aussagen auf TikTok oder Instagram deutet die wissenschaftliche Datenlage darauf hin, dass eine kurzfristige Variabilität des Blutzuckerspiegels im physiologischen Bereich (ca. 70–140 mg/dl) bei Gesunden keine negativen Effekte hat. »Ich würde sogar sagen, dass für Sportlerinnen und Sportler Blutzuckerschwankungen nicht nur nichts Schlechtes, sondern sogar wichtig sind. Denn wir wissen, dass für die Einlagerung von Kohlenhydraten in Muskelglykogen Insulin eine wichtige Rolle spielt. Werden Blutzuckerschwankungen vermieden, dann nehme ich dieses Signal weg und verringere damit potenziell die Fähigkeit, Muskelglykogen einzulagern. Seit den 1970er-Jahren ist bekannt, dass das einen hochsignifikanten Effekt auf die Ausdauerleistungsfähigkeit und die Belastungstoleranz haben kann«, betont Prof. Dr. Karsten Köhler vom Lehrstuhl für Bewegung, Ernährung und Gesundheit an der TUM School of Medicine and Health, Technische Universität München.
Auch aus klinischer Sicht fehlen Belege für negative Folgen durch kurzfristige Fluktuationen im normoglykämischen Bereich. Eine randomisierte Studie an gesunden Erwachsenen etwa hat gezeigt, dass CGM-Blutglukosekurven zwar unterschiedlich interpretiert werden können, diese Schwankungen jedoch keine pathophysiologische Relevanz besitzen (3). Aus Studien an Patienten mit Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes ist bekannt, dass Blutzuckerspitzen mit entzündlichen Prozessen assoziiert sind (6). Auf gesunde Athleten lassen sich diese Ergebnisse nicht automatisch übertragen.
Blutzuckerregulation unter Belastung
Unter körperlicher Belastung verändern sich die Mechanismen der Glukosekontrolle deutlich. Der Energiebedarf der Muskulatur steigt, wobei Glukose sowohl direkt oxidiert als auch aus intramuskulären Glykogenspeichern mobilisiert wird. Die Verfügbarkeit von Muskelglykogen ist im Ausdauersport limitierend (4). Gleichzeitig führt die vermehrte Ausschüttung von Katecholaminen wie Adrenalin zu einem gesteigerten Glukose-Output der Leber und damit zu einem belastungsinduzierten Anstieg der Blutglukose – unabhängig von der Kohlenhydratzufuhr.
Prof. Köhler erklärt: »Die Schwankungen, die wir nach einer normalen Mahlzeit sehen, sehen wir unter Belastung nicht, weil zugeführte Kohlenhydrate sehr schnell in die Muskulatur aufgenommen und dort oxidiert werden.« Unter intensiver Belastung ist die Dynamik der Glukoseverwertung so hoch, dass postprandiale Blutzuckerspitzen abgeflacht erscheinen (2). Die Kombination aus erhöhter Insulinsensitivität der Muskulatur, Katecholaminwirkung und gesteigerter Substratoxidation führt also zu einem Glukoseprofil, das sich grundlegend vom Stoffwechsel in Ruhe unterscheidet. Daher wird seit einiger Zeit erforscht, welche Erkenntnisse CGM bei Sportlern liefern könnte und ob sich diese zur Verbesserung der Leistung eignen würden.

Zuverlässigkeit und Genauigkeit von kontinuierlichem Glukosemonitoring
Helen Bauhaus, Sport- und Ernährungswissenschaftlerin am Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule in Köln, fand in einer Pilotstudie mit leistungsaktiven Probanden, dass die Glukosekonzentration in Ruhe prä- und postprandial bei interstitieller Messung weitgehend mit der in Kapillarblut übereinstimmt (1). »Unter Belastung zeigten sich jedoch deutlich größere Abweichungen. Insbesondere bei hoher Intensität stieg der mittlere absolute relative Unterschied (MARD) deutlich an, was die Aussagekraft unter Belastung einschränkt«, erklärt Frau Bauhaus. Auch größere Studien bestätigten diesen Befund (9). Hutchins et al. (3) berichteten, dass kontinuierliches Glukosemonitoring systematisch höhere Werte als kapillare Messungen liefert und damit postprandiale Hyperglykämien überschätzt. Die Unterschiede sind methodisch begründet, denn Blutglukose wird (nach Stopp der Glykolyse mittels Natriumfluorid) laborchemisch im Vollblut bestimmt, wodurch auch das Kompartiment der Erythrozyten in die Messung mit einfließt. Postprandiale oder belastungsinduzierte Änderungen von Glukose und Laktat finden aber vor allem im Plasma statt, mit dem das Interstitium in engem Austausch steht. Dies wurde schon von Lormes et al. für Kapillarblutmessungen von Laktat mit üblichen Handheld-Geräten belegt, die alle im Plasma stattfinden. Auch Gewebemessungen korrelieren mit dem Plasma, rasche Änderungen können aber nicht angezeigt werden (5).

Einsatzbereiche von CGM im Sport
Für die präzise Quantifizierung von Glukoseverläufen bei Athleten während Belastung ist Glukosemonitoring folglich nicht geeignet. »Hypoglykämien, also Unterzuckerungen, treten selten auf und sind in der Regel bereits mit erheblichen Leistungseinbußen verbunden, wenn sie messbar werden. Die physiologische Verzögerung zwischen Blut- und Gewebeglukose verhindert außerdem eine zuverlässige Steuerung der Kohlenhydratzufuhr in Echtzeit«, so Prof. Köhler. Diese Einschätzung deckt sich mit aktuellen Übersichtsarbeiten, die den Einsatz von CGM zur akuten Leistungsoptimierung bei Gesunden kritisch bewerten (2).
Das Potenzial der Methode liegt aktuell vor allem im Monitoring außerhalb der Belastung. »Trends aus der CGM-Messung können Athleten helfen, den Zusammenhang zwischen subjektiver Erschöpfung und niedrigen Glukosewerten besser zu verstehen. Dies könnte die Compliance zu etablierten Fueling-Strategien verbessern. Denn häufig wissen Athleten theoretisch, was gut für sie wäre, setzen es aber nicht um. Die Werte tatsächlich zu sehen, kann die Ernährungsanpassung unterstützen«, erklärt Helen Bauhaus. »Zusätzlich bekommen wir über CGM in Studien zuverlässigere Daten als über Ernährungstagebücher, die häufig sehr fehlerbehaftet sind, wenn es um das Tracking der Nährstoffzufuhr geht«, ergänzt Prof. Köhler.
Auch Interventionsstudien zeigen, dass CGM-basiertes Feedback das Ernährungsverhalten positiv beeinflussen kann (8). Gleichzeitig besteht besonders in gewichts- oder figurorientierten Sportarten die Gefahr, dass kontinuierliches Glukosemonitoring die Entwicklung von Essstörungen oder zwanghaften Verhaltensmustern begünstigt. Prof. Köhler sieht einen großen wissenschaftlichen Nutzen darin, nächtliche Hypoglykämien oder längere Phasen von Energiedefiziten (Relatives Energiedefizit im Sport – RED-S) zu identifizieren und gegenzusteuern.
Verhaltenswissenschaftliche Studien zeigen, dass die Nutzung von Biosensoren nicht nur zu erhöhter Aufmerksamkeit für gesundheitsrelevantes Verhalten führen kann, sondern auch zu Stress, Überforderung oder Fehlinterpretationen (8). Damit hängt der Nutzen oder Schaden von CGM stark von der Persönlichkeit des Athleten, seiner Vorgeschichte und der professionellen Begleitung ab. Auf jeden Fall sollte eine CGM-Anwendung durch Experten begleitet werden. »Sportler sollten auch darüber aufgeklärt werden, dass man aus diesen Daten vielleicht weniger
auslesen kann, als man erwartet«, sagt Prof. Köhler.
Perspektiven und Entwicklungen
Auch wenn der aktuelle Nutzen von Glukosemonitoring im Sport begrenzt ist, sehen Experten Potenzial in zukünftigen technologischen Entwicklungen. Prof. Köhler betont, dass die eigentliche Stärke der Methode nicht in der Glukosemessung allein liegt, sondern in der Möglichkeit, künftig mehrere Metaboliten simultan zu erfassen. Systeme, die zusätzlich Laktat, Ketone oder andere Marker des Energiestoffwechsels detektieren, könnten ein umfassenderes Bild der metabolischen Situation während Training und Regeneration liefern.
Dieser »Multi-Metaboliten-Ansatz« ist bislang vor allem experimentell; erste Forschungsarbeiten zur Sensorik in diesem Bereich laufen jedoch bereits (7). Auch aktuelle Reviews sehen in der Erweiterung von CGM-Systemen auf weitere Substrate den entscheidenden Schritt, um Athleten künftig valide und personalisierte Empfehlungen geben zu können (2).
Langfristig könnte die Kombination aus kontinuierlicher Glukosemessung, Laktatmonitoring und weiteren Biomarkern die Trainingssteuerung deutlich verbessern und eine präzisere Individualisierung von Ernährungsstrategien ermöglichen. Bis dahin bleibt Glukosemonitoring im Sport jedoch vor allem ein spannendes, aber derzeit überschätztes Tool mit selektiven Anwendungsfeldern. Für die Echtzeit-Steuerung von Training oder Ernährung liefert es bei gesunden Athleten kaum belastbare Informationen. Für den Sportler im Training stellen moderate Blutzuckerschwankungen zudem kein Risiko dar. Im Gegenteil, sind diese Teil einer physiologisch erwünschten Stoffwechselantwort. Erst bei extremen Abweichungen oder in pathologischen Situationen (z. B. Entleerung der Glykogenspeicher mit nachfolgender Hypoglykämie) wird die Regulation leistungsrelevant. Sinnvoll ist der Einsatz von CGM vor allem im Monitoring – etwa zur Aufdeckung von Energiedefiziten oder als pädagogisches Feedback in der Ernährungsberatung.
■ Hutterer C
Quellen:
Bauhaus H, Erdogan P, Braun H, Thevis M. Continuous Glucose Monitoring (CGM) in Sports-A Comparison between a CGM Device and Lab-Based Glucose Analyser under Resting and Exercising Conditions in Athletes. Int J Environ Res Public Health. 2023; 20: 6440. doi:10.3390/ijerph20156440
Bowler AM, Whitfield J, Marshall L, Coffey VG, Burke LM, et al. The Use of Continuous Glucose Monitors in Sport: Possible Applications and Considerations. Int J Sport Nutr Exerc Metab. 2022; 33: 121-132. doi:10.1123/ijsnem.2022-0139
Hutchins KM, Betts JA, Thompson D, Hengist A, Gonzalez JT. Continuous glucose monitor overestimates glycemia, with the magnitude of bias varying by postprandial test and individual - a randomized crossover trial. Am J Clin Nutr. 2025; 121: 1025-1034. doi:10.1016/j.ajcnut.2025.02.024
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