Überlastungsschäden beim Klettern: Risikofaktoren und Präventionstrategien
Klettern wird in der Bevölkerung immer beliebter und ist sogar seit der Olympiade in Tokio im August 2021 olympische Disziplin. Doch mit steigender Popularität und wachsendem Leistungsanspruch steigt auch die Verletzungshäufigkeit: 4,2 Verletzungen kommen derzeit auf 1000 Kletterstunden – das sind ähnlich viele wie beim Handball oder Baseball. Zeit also, sich auch wissenschaftlich mit Risikofaktoren und Präventionsstrategien gegen Überlastungsschäden zu beschäftigen, immerhin sind 93 Prozent aller Kletterverletzungen auf zu hohe Belastung bestimmter Körperregionen zurückzuführen. Ein internationales Wissenschaftler-Team hat hierfür 34 Studien in einem systematischen Review ausgewertet (1).
Folgende Kletterarten wurden einzeln oder gemischt untersucht: Sportklettern, Eisklettern, Bouldern, Felsklettern. Bei einer Altersspanne von 19 bis 54 Jahren ergab sich ein Durchschnitt von 30,2 Jahren. Männer waren überproportional vertreten, das sportliche Können reichte von 1 bis 29 des ICRA-Klettergrades und entsprach mit einem Durchschnitt von 17,4 einem mittleren bis fortgeschrittenen Niveau. Insgesamt wurden 73 Risikofaktoren oder Strategien zur Verletzungsprävention beim Klettern untersucht.
Diese wurden zur besseren Übersicht in veränderbare und nicht veränderbare Risikofaktoren eingeteilt. Bei den veränderbaren Risiken sind demnach höhere Kletterintensität, Bouldern, und die Verwenden des „Crimp“-Griffs mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Überlastungsschäden verbunden. Keinen Einfluss hatten dagegen BMI bzw. Körpergewicht, Aufwärmen oder Abkühlen, Dehnen, Taping und Flüssigkeitszufuhr. Beim Trainingsvolumen waren die Ergebnisse aufgrund der Messmethoden durch Fragbögen nicht eindeutig. Manches deutet darauf hin, dass besonders jüngere Sportler bei erhöhtem Klettervolumen mit Überlastungsverletzungen reagieren.
Bei den nicht veränderbaren Risiken, zeigten sich frühere Kletterverletzungen als eindeutiger Wegbereiter für Überlastungsschäden. Daraus ergibt sich die Empfehlung der Autoren, in solchen Fällen ein umfassendes, ärztlich betreutes Rehabilitationsprogramm zu durchlaufen. Hinsichtlich Alter, Klettererfahrung und Geschlecht konnten keine eindeutigen Hinweise gefunden werden, die für bzw. gegen den Einfluss dieser Faktoren auf ein erhöhtes Verletzungsrisiko sprechen.
Bei den Präventionsstrategien erwies sich ein drei- bis viermaliges Kraft- und Konditionstraining pro Woche als präventiv hinsichtlich Schulter- und Ellbogenverletzungen. Für die verletzungsanfälligsten Finger konnte keine erfolgreiche Vorbeugemaßnahme identifiziert werden. Yoga und Herz-Kreislauf-Training waren ohne beobachtbaren Einfluss auf die Verletzungsprävention.
Die Ergebnisse der Analyse unterliegen den Autoren zufolge jedoch einigen Limitierungen. So sei die Qualität der ausgewerteten Studien insgesamt als niedrig zu bewerten. In zwei Drittel der Fälle handle es sich um Querschnittsstudien, nur ein Drittel bildeten prospektive und (zwei) randomisierte kontrollierte Studien. Aufgrund der unterschiedlichen Populationen, Methoden und Teilnehmerzahlen käme es daher auch häufig zu widersprüchlichen Aussagen. Auch bringe die aktuelle Literatur Risikofaktoren und Verletzungsprävention beim Klettern überwiegend mit physikalischer Therapie, Training, Belastungsmanagement, Alter und Geschlecht in Verbindung und vernachlässige psychosoziale Einflüsse wie Ernährung, Schlaf oder Trainingsumgebung.
■ Herling S
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Quellen:
Quarmby A, Zhang M, Geisler M, Javorsky T, Mugele H, Cassel M and Lawley J. Risk factors and injury prevention strategies for overuse injuries in adult climbers: a systematic review. Front. Sports Act. Living 2023; 5:1269870. doi: 10.3389/fspor.2023.1269870