Trainingsplanung für Freizeitathleten

Trainingsplanung für Freizeitathleten
© igorp17 / Adobe Stock

Jeder kennt Personen, die einmal einen Marathon laufen oder ihre persönliche Bestzeit knacken möchten oder die regelmäßig Mountainbikerennen, Langstreckenschwimmen und Triathlon-Wettkämpfe absolvieren. Manchen geht es dabei allein um die Herausforderung, anderen um den Spaß an der Bewegung und wieder andere haben ehrgeizige Ziele. Die Bandbreite an wortwörtlichen Beweggründen unter den Athleten ist groß: Zwischen »es einfach nur schaffen wollen« und »die Altersklasse gewinnen« liegen mitunter Welten. Vereint sind Freizeitsportler darin, dass sie sich nicht voll und ganz dem Sport widmen können, sondern neben Beruf, familiären Verpflichtungen und weiteren individuellen Faktoren nur begrenzt Zeit und Energie zur Verfügung haben. Doch genau diese unter Freizeitathleten meist nicht veränderlichen Punkte spielen für die Belastbarkeit, Regenerationsfähigkeit und damit das Training bzw. die Trainingsplanung eine wichtige Rolle. Im Profisport werden möglichst viele dieser Faktoren weitgehend dem sportlichen Ziel untergeordnet, so dass das Training den absoluten Lebensmittelpunkt bilden kann. Aber ohne Trainerteam bzw. eine von Sportwissenschaftlern erstellte Trainingsplanung inklusive umfassender Analysemöglichkeiten stehen viele Hobbysportler vor der Frage, wie sie am effizientesten trainieren sollten, um ihre Ziele zu erreichen.

Trainingsplanung, die zum Leben passt

Trainingsplanung ist eine Wissenschaft und Kunst. Nicht umsonst setzen Profis auf die Unterstützung durch Experten, testen auf Basis wissenschaftlicher Daten unterschiedliche Strategien und greifen auf individuelle Referenzwerte zurück, die im Rahmen einer Leistungsdiagnostik erhoben werden. Doch wie können Freizeitsportler ohne diese Möglichkeiten erfolgsorientiert trainieren, ohne Überbeanspruchung zu riskieren? Und für wen ist eine Leistungsdiagnostik zu empfehlen?

Trainingsratgeber und Blogs bieten fertige Trainingspläne für unterschiedliche Ziele, z. B. zur Planung des Marathontrainings oder eines 10-Kilometer-Laufs. »Solche Trainingspläne sind von ihrer Struktur her im Allgemeinen recht gut. Problematisch ist aber, dass das ‚Leben‘ der Nutzerinnen und Nutzer nicht berücksichtigt wird. Viele setzen sich unter Druck, um neben Job und Familie den Plan zu erfüllen, und verlieren darüber den Spaß, weil mit dem Training ein weiterer Stressfaktor dazukommt«, sagt Prof. Dr. Anne Hecksteden, Professorin für Sportmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck und der Universität Innsbruck. Ganz gleich, ob Trainingsempfehlungen aus Büchern, von erfahrenen Athleten oder der Fitnessuhr am Handgelenk stammen, sieht sie drei Grundvoraussetzungen als wichtig an:

1. Ich bin kein Profi: Freizeitsportler müssen sich eingestehen, dass sie keine Profis sind und deswegen auch nicht so hohe Umfänge und Intensitäten trainieren können. Sie müssen ihre Lebensenergie auch in anderen Bereichen investieren und davon hängt ab, wie viel Training sinnvoll und tolerierbar ist.

2. Trainingsprinzipien verstehen: Sportler sollten ein Verständnis für grundlegende Trainingsprinzipien haben und danach ihre Trainingsplanung ausrichten. Dazu gehören beispielsweise die Notwendigkeiten für trainingswirksame Reize einerseits und Regeneration andererseits sowie für sinnvolle Belastungssteigerung, Vielseitigkeit und Kontinuität.

3. Den Fokus halten: Freizeitsportler sollten bewährte Konzepte nutzen und nicht jedem neuen, häufig nicht ausreichend untersuchten Trend folgen. Das betrifft die Ernährung ebenso wie Trainingsaufbau und Material.

»Wer diese Voraussetzungen erfüllt, kann seinem Training die passende Aufmerksamkeit und Struktur geben, ohne dass es zum zusätzlichen Stressor wird. Ein Rahmenplan ist gut, aber der sollte dynamisch gesehen werden und sich den eigenen Bedürfnissen und Gegebenheiten anpassen«, betont die Sportmedizinerin.

Prof. Dr. Anne Hecksteden
Prof. Dr. Anne Hecksteden, Professorin für Sportmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck und der Universität Innsbruck © florianlechner.com

Leistungsdiagnostik im Freizeitsport?

Die Trainingsplanung orientiert sich bei Sportlern mit Wettkampfambitionen am anvisierten Jahresziel. Hilfreiche Fragen sind:

• Wann soll die Höchstform erreicht werden?

• Welche sportartspezifischen oder für die geplante Strecke relevanten Fähigkeiten benötige ich dazu?

Was wann am besten trainiert werden soll, richtet sich nach diesen Fragen und wird ausgehend vom Wettkampftermin rückwärts gerechnet. Im Rahmen einer sportmedizinischen Untersuchung samt Belastungs-EKG können Risiken für die Ausübung von Wettkämpfen erkannt und die körperliche Belastbarkeit beurteilt werden. Ergänzend besteht die Option, mittels leistungsdiagnostischer Untersuchung tiefer in individuelle Parameter einzutauchen.

Priv.-Doz. Dr. Dr. Mahdi Sareban, Sportmediziner am Universitätsklinikum Salzburg, sieht darin einen Nutzen: »Für ambitionierte Wettkampfathleten halte ich eine Leistungsdiagnostik zumindest einmalig für sehr sinnvoll. Bei Patienten mit chronischen Erkrankungen, die an Wettkämpfen teilnehmen möchten, ist eine sportmedizinische Untersuchung obligat.« Ein häufiges Instrument im Rahmen der Leistungsdiagnostik ist der Laktattest, bei dem unter steigender Belast­ung auf einem Fahrrad- oder Laufband­ergometer regelmäßig Kapillarblut aus der Fingerbeere oder dem Ohrläppchen entnommen wird. Die Laktatkonzentration im Blut zeigt dann an, wann die Laktatproduktion dessen Abbau überwiegt. Dieser Punkt wird als »Laktatschwelle« bezeichnet und die Herzfrequenz, an der diese »Schwelle« eintritt, kann als Ankerpunkt für die individuelle Trainingssteuerung genutzt werden.

Grundlagenausdauertraining, das man beispielsweise für lange Belastungen bei einem Marathon braucht, findet unterhalb dieser Schwelle statt. »Die eigenen Werte sind für die meisten Sportler sehr interessant. Einerseits erfahren sie, was in ihrem Körper physiologisch bei Belastung passiert, was das Verständnis von Anpassung auf  Trainingsreize erhöht. Gleichzeitig ist es eine objektive Beurteilung der individuellen Leistungsfähigkeit und nicht nur eine Schätzung, wie sie Trainingsratgeber, Fitnessuhren oder -Apps ausgeben. Oft zeigt sich, dass die subjektive Einschätzung der Sportler nicht zu ihren objektiven Daten passt. Viele Freizeitathleten trainieren zu intensiv und lassen dadurch Leistungsreserven ungenutzt. Zudem drohen Müdigkeit, Infekte und Verletzungen«, gibt Dr. Sareban zu bedenken.

Zur Festlegung der individuellen Trainingsbereiche auf Basis der Laktatdiagnostik wird häufig das 5-Zonen-Prinzip genutzt. Die Verteilung der Trainingsintensitäten in diese Zonen hängt von individuellen Leistungsdaten und der Zielsetzung ab und wird im Anschluss an eine Leistungsdiagnostik besprochen. Diese Einteilung auf Grundlage individueller physiologischer Werte hilft dabei, die Trainingseffizienz zu steigern und somit den Sport bestmöglich in den Alltag zu integrieren. Eine einmalige Untersuchung vermittelt neben Gesundheitskompetenz auch, ob sich das aktuelle Gefühl mit den unbestechlichen Daten deckt. »Für wettkampforientierte Sportler wäre eine jährliche Verlaufskontrolle ideal, um die Veränderungen der Leistung auch abzubilden und neue Intensitätszonen zu definieren. Der optimale Zeitpunkt für die Untersuchung ist nach einer Trainingspause, wenn bereits zwei bis drei Wochen wieder trainiert wurde. Dabei können auch neue Wettkampfziele diskutiert werden«, so der Salzburger Sportmediziner.

Priv.-Doz. Dr. Dr. Mahdi Sareban
Priv.-Doz. Dr. Dr. Mahdi Sareban, Sportmediziner am Universitätsklinikum Salzburg © Sareban

Pragmatische Trainingssteuerung dank einfacher Tests

Leistungsdiagnostik ist eine Selbstzahlerleistung. Dr. Sareban hält diese Investition zwar zumindest einmalig für sinnvoll, doch wer die Kosten nicht auf sich nehmen möchte, kann die Sache auch pragmatischer angehen. Ohne Laktatbestimmung kann die anaerobe Schwelle z. B. näherungsweise aus einem Belastungs-EKG abgeleitet werden (1). Diverse Fitness-Apps und Smartwatches bieten ebenfalls umfassende Analysemöglichkeiten, um das Training zu dokumentieren und Entwicklungen zu visualisieren. Prof. Hecksteden empfiehlt weitere einfache Methoden zur Trainingskon­trolle: »Wer seine individuellen Pulsgrenzen für die Trainingssteuerung nicht genau kennt, kann sich im Hobbybereich mit dem Talk-Test orientieren. Kann man sich während der Aktivität noch mühelos und in ganzen Sätzen unterhalten, ist man im Grundlagenausdauerbereich unterwegs«, erklärt sie. Auch in regelmäßigen Abständen dieselbe Strecke zu absolvieren, könne zeigen, ob die Entwicklung in die richtige Richtung gehe.

Unbetreutes Training birgt Risiken

Zu großer Ehrgeiz kann sich auch negativ auswirken. Eines der häufigsten Probleme ist laut Prof. Hecksteden und Priv.-Doz. Sareban eine unrealistische Selbsteinschätzung. Sie resultiert oft in zu häufigem und zu intensivem Training mit zu wenig Regenerationszeit. Allgemeine Überlastung entsteht auch dann, wenn die sportartspezifische Fitness gegenüber der allgemeinen Fitness zu gering ist. Wird beispielsweise für einen Radmarathon in den Alpen trainiert, gehört Fahren am Berg unbedingt ins Repertoire.

Ein ernstes Warnsignal dafür, dass die Trainingsplanung geändert werden sollte, ist, wenn man sich zum Training zwingen muss und keine Freude mehr daran hat. Die Kurzskala zur Erholung und Beanspruchung (KEB) ist ein kurzer Fragebogen, der täglich morgens ausgefüllt wird und wertvolle Informationen über den körperlichen und seelischen Zustand der Athletin oder des Athleten gibt. Dabei sollte nicht nur auf die körperlichen Symptome zunehmender Ermüdung geachtet werden, sondern auch auf psychische Symptome wie steigende emotionale Unausgeglichenheit. Zeigt sich eine Verschlechterung, sollte der Trainingsumfang zunächst zurückgefahren werden. Tritt weiterhin keine Erholung ein oder wächst die Erschöpfung, ist (sport)ärztlicher Rat gefragt. Zukünftig könnten Biosensoren, die mit Wearables verknüpft sind, in Tränenflüssigkeit, Speichel oder Schweiß Biomarker für Ermüdungsvorgänge detektieren und Nutzer warnen (2).

■ Hutterer C

Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie weiter unten!

Quellen:

  1. Römer C, Wolfarth B. Prediction of Relevant Training Control Parameters at Individual Anaerobic Threshold without Blood Lactate Measurement. Int J Environ Res Public Health. 2023; 20: 4641. doi:10.3390/ijerph20054641

  2. Zhang J, Chen M, Peng Y, Li S, Han D, Ren S, Qin K, Li S, Han T, Wang Y, Gao Z. Wearable biosensors for human fatigue diagnosis: A review. Bioeng Transl Med. 2022; 8: e10318. doi:10.1002/btm2.10318