Relatives Energiedefizit und Knieverletzungsrisiko bei Sportlerinnen

Relatives Energiedefizit und Knieverletzungsrisiko bei Sportlerinnen
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Werden während des Trainings regelmäßig weniger Kalorien aufgenommen als verbraucht, kann dies zu einem sog. relativen Energiedefizit (RED) führen. Die Konsenserklärung des Internationalen Olympischen Komitees aus dem Jahr 2023 beschreibt ein relatives Energiedefizit als beeinträchtigte physiologische sowie psychologische Funktionen infolge anhaltender ungenügender Energieverfügbarkeit (Low Energy Availability/LEA). Diese wiederum entsteht durch eine zu geringe Energieaufnahme (Energy Intake/EI) bei gleichzeitig erhöhtem Energieverbrauch während des Trainings (Exercise Energy Expenditure/EEE). Betroffen sind typischerweise u. a. der Bewegungsapparat, das Immunsystem, die Glykogensynthese sowie die kardiovaskuläre Gesundheit, was sich auch als steigendes Verletzungsrisiko zeigt (1). Dies ist im Stadium einer sog. problematischen LEA der Fall, wenn biologische Prozesse dauerhaft zu weit herunterreguliert sind, um physiologische (Reparatur-)Funktionen aufrechtzuerhalten (2).

Ein relatives Energiedefizit ist daher besonders in Sportarten verbreitet, in denen eine hohe körperliche Belastung mit gleichzeitig niedrigem Körpergewicht angestrebt wird. Die Auswirkungen des Syndroms auf die Gesundheit sind vielfältig und bedeuten nicht nur einen sportlichen Leistungsabfall, sondern bergen auch das Risiko für akute und chronische Verletzungen des muskuloskelettalen Systems. Bei Frauen ist etwa die Gefahr von Knieverletzungen besonders hoch. Eine aktuelle Studie untersucht Zusammenhänge zwischen diesem Risiko und verschiedenen Parametern, darunter Nährstoffdefizite und hormonelle Faktoren (2).

Höhere Knieverletzungs-Prävalenz bei Athletinnen

Die Knie von Athletinnen sind auffallend vulnerabel. Im Vergleich mit männlichen Sportlern ist etwa die Inzidenz schwerer akuter Knieverletzungen wie Kreuzbandrupturen vier- bis sechsmal höher; Patellofemorale Überlastungsverletzungen werden bei Frauen mit 62 Prozent vs. 38 Prozent bei Männern weitaus häufiger beobachtet. Als Auslöser kommen laut den Studienautoren hauptsächlich drei pathophysiologische Faktoren infrage, die mit RED in Verbindung stehen und bei Sportlerinnen aus Disziplinen, die mit einem sehr schlanken Körperbild einhergehen, überdurchschnittlich ausgeprägt sind.

Hormonelle Einflüsse. Durch die geringere Ausschüttung von anabolen Hormonen (Insulin, insulinähnlicher Wachstumsfaktor) bei gleichzeitiger Erhöhung kataboler Hormone (Cortisol) im Zustand von RED heilen trainingsbedingte Mikroverletzungen an Sehnen und Muskeln schlechter. Dadurch können diese auf lange Sicht an Leistung verlieren. Für die Krafterzeugung und -übertragung in den Beinen werden vorrangig die Patella- und Quadrizepssehnen benötigt. Sind diese durch persistierende Mikrotraumata in ihrem Querschnitt verringert, können in der Folge schmerzhafte Patella-Tendinopathien oder patellofemorale Schmerzen auftreten. Zudem beinhalten manche Fibroblasten, etwa die im vorderen Kreuzband (ACL), Östrogenrezeptoren. Steigt das Hormon in der Ovulationsphase an, geht dies durch die verringerte Synthese von Kollagenvorstufen zu Lasten der mechanischen Zugfestigkeit von Sehnen und Bändern.

Neuromuskuläre Kontrolle. Frauen haben beim Laufen und Springen grundsätzlich eine andere Landebiomechanik als Männer. In der prämenstruellen und lutealen Phase sowie unter RED nimmt die neuromuskuläre Leistung zusätzlich ab, was sich bei betroffenen Athletinnen in langsameren Reaktionszeiten sowie verringerter Muskelleistung und Ausdauer äußern kann. So kommt es z. B. schneller zu Kreuzbandrupturen oder patellofemoralen Schmerzen.

Nährstoffdefizite. Belastungsbedingte Mikrotraumata an Knorpeln, Bändern und Sehnen benötigen für ihre Heilung Nährstoffe wie z. B. Vitamin C, Kollagen und Vitamin D. In einem Zustand von LEA bzw. RED kann der Körper an diesen Nährstoffen verarmt sein, woraufhin z. B. die Quadrizepsstärke abnimmt, angegriffenes Gewebe nicht schnell genug regeneriert und damit das Risiko für Verletzungen und Schmerzsyndrome in den unteren Gliedmaßen steigt.

Relatives Energiedefizit bei Kniepatientinnen erkennen und abfangen

Um die erhebliche Gefahr für die körperliche Gesundheit von Sportlerinnen zu minimieren, braucht es eine präventive Strategie, die sowohl Ernährungsberatung als auch gezieltes, idealerweise zyklusgerechtes Training umfasst. Die frühzeitige Diagnose und das Management von RED sollten integraler Bestandteil des Betreuungskonzepts für Athletinnen sein, um sowohl akuten Verletzungen als auch langfristigen gesundheitlichen Folgen vorzubeugen. Bei Verdacht auf ein LEA oder RED kann die Risiko-Ampel aus der Konsenserklärung des IOC hilfreich sein (1). Insgesamt sollten Sportmediziner und Orthopäden entsprechend sensibilisiert sein und nach der Diagnose „relatives Energiedefizit“, auch wenn sie sich „nur“ als Nebendiagnose einer Knieverletzung ergibt, interdisziplinär mit Trainern und weiteren involvierten Personen zusammenarbeiten.

■ Kura L

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Quellen:

  1. Mountjoy M, Ackerman KE, Bailey DM, Burke LM, Constantini N, Hackney AC, Heikura IA, Melin A, Pensgaard AM, Stellingwerff T, Sundgot-Borgen JK, Torstveit MK, Jacobsen AU, Verhagen E, Budgett R, Engebretsen L, Erdener U. 2023 International Olympic Committee's (IOC) consensus statement on Relative Energy Deficiency in Sport (REDs). Br J Sports Med. 2023; 57: 1073-1097. doi:10.1136/bjsports-2023-106994. Erratum in: Br J Sports Med. 2024; 58: e4. doi:10.1136/bjsports-2023-106994corr1

  2. Wang M, Chee J, Tanaka MJ, Lee YHD. Relative Energy Deficiency in Sport (REDs) and knee injuries: current concepts for female athletes. J ISAKOS. 2024; 9: 781-787. doi:10.1016/j.jisako.2024.05.012